Bei den Nazis herrscht Aufbruchsstimmung: Nachdem die „Hakenkreuzler“ einige Jahre lang auf der politischen Bühne nur mehr ein bescheidenes Schattendasein gefristet haben, gibt der Erfolg Hitlers bei den Wahlen zum deutschen Reichstag im September 1930 auch den Kärntner Parteigenossen neuen Auftrieb. „Es war ein unaufhaltsamer Marschbeginn in ein neues, stolzes Jahrtausend der deutschen Nation“, schreibt Gauhauptstellenleiter Richard Moschner, Leiter des Gaupresseamtes Kärnten, 1940 im Rückblick: „Abend für Abend Versammlungen, Nacht für Nacht Klebekolonnen und schwere Zusammenstöße mit dem Gegner erforderten ganze Männer.“ Im Mai 1931 wird in Klagenfurt ein „Gau-SA-Tag“ abgehalten, 1.200 „gaueigene SA“ mit zwei Musikzügen und die „Motor-SA“ marschieren auf, ein „erster Propagandamarsch“ in das „rote“ St. Ruprecht, damals noch eine eigene Gemeinde, beschließt diesen Auftritt: „Wie lachten da die Herzen der SA-Männer! In straffer Haltung ging’s, allenthalben begeistert begrüßt von der zahlreich an den Straßen des Aufmarsches versammelten deutsch denkenden Bevölkerung, durch die Stadt, begleitet von Marschmusik und Kampfliedern, hinein in das kommunistisch-marxistische St. Ruprecht. Pfeifkonzert, Gejohle, das war die Begleitmusik im roten St. Ruprecht.“
Auf Anordnung Hitlers wird im Juli 1931 die NSDAP in Österreich umgestaltet, mit der „Landesleitung Österreich“ eine neue oberste Parteibehörde mit Sitz in Linz installiert. Zum Landesleiter ernennt der „Führer“ den Linzer Gemeinderat Alfred Proksch, Landesgeschäftsführer wird der gebürtige Wiesbadener Theo Habicht (1898 – 1944), der eben seine Zeitung Rheinwacht in den Bankrott geführt hat. Habicht, der sich ab August 1932 „Landesinspekteur“ nennen darf, setzt auf Führungs- und Organisationsstrukturen, die sich am deutschen Vorbild orientieren, eine für den Nationalsozialismus insgesamt typische „Parteibürokratie“ mit Parteidienststellen, Parteiämtern und Parteibehörden wird geschaffen, man will seine politische Klientel auf breiter gesellschaftlicher Front ansprechen. Nicht ohne Erfolg – begünstigt von der schweren Wirtschaftskrise und hoher Arbeitslosigkeit, schnellen die Mitgliederzahlen in die Höhe: Hält man in Kärnten im Februar 1930 noch bei 820 Mitgliedern, so steigt deren Zahl Ende 1931 auf 3.600 und Ende 1932 sind es bereits 6.060 Parteigenossen; am 19. Juni 1933, dem Tag des Verbots der NSDAP, kann man auf 10.460 Mitglieder verweisen, die nun mit einem Schlag zu „Illegalen“ werden.
Neben der steigenden Arbeitslosigkeit ist es in Kärnten vor allem auch die Verschuldung der Bauern, die der Propaganda der Nazis in die Hände spielt; allein 1934 werden in Kärnten 876 Zwangsversteigerungen von Bauernhöfen beantragt. In einem Bericht des Landesgendarmeriekommandos von 1932 heißt es zur dramatischen Lage der Bauern: „Die Unzufriedenheit unter der Landbevölkerung ist (…) eine derartige, daß, falls sich die wirtschaftliche Lage nicht bessern sollte, Unruhen zu befürchten sind. Es gibt Bauern, die früher finanziell sehr gut gestanden, heute aber auch schon stark verschuldet sind. Es gibt heute fast keinen Besitzer mehr, der nicht durch die Wirtschaftskrise in Schulden geraten wäre“ (zitiert nach Elste/Hänisch, Auf dem Weg zur Macht) – eine Situation, die die Nazi-Propagandisten geschickt zu nützen wissen: Sie gewinnen bei der bäuerlichen Wählerschaft und bei ländlichen Berufsgruppen wie etwa den Holzarbeitern massiv an Anhängerschaft, wobei es zweifellos nicht nur das „Programm“ der NSDAP ist, das sie erfolgreich macht: Es ist die Art und Weise, wie sie auftreten, Ängste und Hoffnungen schüren. „Gau-SA-Führer“ wird der „unvergeßliche Standartenführer Max Seunik“, unter „seiner Führung übertrugen sich im Sinne unserer Weltanschauung alle guten Werke auf Führer und Männer der SA Kärnten“. In Reifnitz am Wörthersee wird eine „mustergültige Führer-Vorschule“ eingerichtet, in zahlreichen Wochenendlehrgängen trimmt man die neu zur NSDAP Stoßenden ideologisch und schwört sie auf die „Bewegung“ ein.
Die Strategie der Nazis: Sie provozieren mit Aufmärschen und Versammlungen in den Hochburgen des politischen Gegners, sie beeindrucken durch pathetisch-heroische Inszenierungen, sie schrecken vor Diffamierungen ihrer Gegner, vor Gewalt und Terror nicht zurück und locken andererseits mit karitativen Aktionen wie der NS-Nothilfe – ein Konzept, das einem Mann wie Odilo Globocnik gleichsam auf den Leib geschneidert ist. Als Gau-Betriebszellen-Propagandaleiter, der Gau-Betriebszellenleiter Erwin Seftschnig unterstützt, ist es seine Aufgabe, in den Betrieben mit nationalsozialistischen „Zellen“ Fuß zu fassen. „Keine Arbeitsstelle ohne Nazizelle!“ lautet eine Parole, mit der von der Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation (NSBO) in Kärnten agitiert wird, und man bleibt nicht ohne Erfolg: Ein Rundschreiben der Gau-Betriebszellenleitung nennt für den August 1932 bereits Betriebszellen in 26 Orten, in einzelnen Gemeinden, so etwa in St. Veit an der Glan, kann man erstmals „Stützpunkte“ installieren.
Mit dem Ausbau eines persönlichen Netzwerks versucht Globocnik seine Position in den Reihen der „Bewegung“ zu stärken. Freundschaften schließt er etwa mit Gesinnungsgenossen aus Wolfsberg, das sich durch eine rege Nazi-Szene auszeichnet. Da sind die Brüder Herbert Gasser (1910 – 1971) und Paul Gasser (1904 – 1941), Söhne des Wolfsberger Bürgermeisters Gregor Gasser, der politisch im Lager der „Großdeutschen Volkspartei“ steht. Während sich Herbert Gasser 1934 beim Juli-Putsch exponiert und im Lavanttal gegen das „System“ kämpft, wird Paul Gasser nach dem „Anschluss“ mit Globocnik nach Wien gehen. Aus Wolfsberg ist auch die blutjunge Lyrikerin Ingeborg Teuffenbach, Jahrgang 1914, die bei den Treffen der braunen Recken ihre begeisterten Gedichte an den „Führer“ vorträgt. Mit Globocnik verbindet sie bald eine enge Freundschaft; aus Anlass ihrer Heirat im November 1937 mit Heinz Capra wird sie ihn zum Trauzeugen wählen.
Der Handgranatenüberfall zweier SA-Männer auf ein Pionierbataillon des Bundesheers und christlich-deutsche „Wehrturner“ im Alauntal in der Nähe von Krems am 19. Juni 1933 zieht noch am selben Tag das Verbot der NSDAP und all ihrer Organisationen nach sich; Justiz- und Unterrichtsminister Kurt Schuschnigg rechtfertigt in einer Rundfunkrede dieses Vorgehen, die Regierung werde im Kampf gegen den SS-Terror „ihre Pflicht erfüllen“. Im Gefolge dieses „schwersten Mordverbrechens seit dem Bestehen der Republik“, wie die Reichspost am 20. Juni titelt, wird Globocnik in Kärnten zum Gauleiterstellvertreter berufen – Gauleiter ist der ehemalige Bundesheeroffizier Hubert Klausner – und rückt damit erstmals deutlicher ins Visier der Staatspolizei. Am 30. August 1933, um 7.45 Uhr, wird Globocnik von Beamten des Bundespolizeikommissariates Klagenfurt vorübergehend festgenommen, sein Vergehen: Er wagt es, vor dem Fenster des Polizeigefangenenhauses in Klagenfurt mit inhaftierten NS-Häftlingen – im Juni 1933 sind allein in Kärnten 252 Nazi-Funktionäre hinter Gitter gewandert – über politische Themen zu sprechen. Nach „vorgenommener Perlustrierung“ wird er jedoch wieder auf freien Fuß gesetzt.
Als Gauleiter Hans von Kothen, eine „der dubiosesten Figuren der deutschen NSAP“ (Alfred Elste), bei einem Treffen der Kärntner NS-Führungsspitze vom 17. bis zum 19. Juli 1933 in Tarvis versucht, seine Position durch die Bestellung verlässlicher Gefolgsleute abzusichern, ist es Globocnik, der gegen Kothen in die Schranken tritt: Sein Aufenthalt in Tarvis sei „sinn- und zwecklos“, außerdem gefährde ein Agitationszentrum in Tarvis – ein Vorschlag Kothens – die Parteiarbeit in Kärnten.
Wenig später, am 17. September 1933, macht das Bundespolizeikommissariat Klagenfurt ernst: Globocnik wird ein erstes Mal verhaftet und zu sechs Wochen (42 Tagen) Haft wegen illegaler Betätigung für die NSDAP verurteilt. Der konkrete Vorwurf: Er sei „mit seinem Auto F-20 in Begleitung des Karl Grasmug, des Otto Drumbl und des Lehrers Robert Tusch im Lavanttal umhergefahren“ und habe NSDAP-Flugschriften mitgeführt, die am nächsten Tag in der Region verteilt worden seien. Außerdem habe man in seinem Besitz auch einen Brief des ehemaligen Gauleiters Hans von Kothen gefunden, den er einem NS-Kurier übergeben hätte sollen. Wieder ist es Emil Michner, der ihm zu Hilfe kommt: Er interveniert bei Landeshauptmann Hülgerth, seinem Waffenbruder aus den Abwehrkämpfen; Globus wird entlassen und darf sogar die Baumeisterprüfung ablegen; seinen Arbeitsplatz behält er vorerst noch; daran ändert auch eine neuerliche Verhaftung am 13. November 1933 nichts, die eine Haftstrafe von 4 Wochen (28 Tagen) nach sich zieht. Grund für den Zugriff ist der Verdacht, dass er an den Sprengstoffanschlägen in Klagenfurt und Umgebung beteiligt gewesen...