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E-Book

Pakistan

Land der Extreme

AutorConrad Schetter, Katja Mielke
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783406652967
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Eine Atommacht außer Kontrolle: In Pakistan könnte der Alptraum des nuklearen Zeitalters Wirklichkeit werden. Im Nordwesten, unweit der Hauptstadt Islamabad, kontrollieren die Taliban weite Gebiete, amerikanische Drohnenangriffe verletzen regelmäßig die Souveränität des Landes, und in Großstädten wie Karatschi bricht die Infrastruktur zusammen. Das Buch erläutert, warum der islamische Vielvölkerstaat seit seiner Gründung 1947 politisch so instabil ist. Die Autoren blicken dafür zurück in die Geschichte des Landes von den frühen Hochkulturen über die britische Herrschaft bis heute, erläutern die Bedeutung des Islam für Kultur und Gesellschaft und gehen dem Dauerkonflikt mit Indien nach. Ihr farbiges Porträt ist zugleich eine Sympathieerklärung an ein faszinierendes Land der Extreme.

Katja Mielke, geb.1975, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bonner Zentrum für Entwicklungsforschung. Conrad Schetter, geb.1966, ist Professor für Friedens- und Konfliktforschung an der Universität Bonn und wissenschaftlicher Direktor des Bonn International Center for Conversion.

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Leseprobe

1 Land am Fluss:
Der Natur- und Kulturraum


Pakistan ist ein Land am Fluss. Der Indus oder «Sind», wie ihn die Bewohner nennen, ist die pulsierende Lebensader, die das Land von Norden nach Süden durchzieht. Mit seinen zahlreichen Nebenflüssen ermöglicht er intensiven Feldbau sowie Energieerzeugung und bildet somit die zentrale Ressource für zwei der wichtigsten Wirtschaftssektoren des Landes. Während die Landwirtschaft und vor allem agroindustrielle Unternehmen bis heute einen Großteil des Nationaleinkommens Pakistans ausmachen, zeugt die Energiekrise jedoch davon, dass Elektrizität nur unzureichend gewonnen wird. Großen Dammbauprojekten, wie sie die Regierung gerne als Lösung dieses Problems propagiert, steht der Wasserbedarf der Landwirte gegenüber. So ist das Flusswasser in den letzten Jahrzehnten zu einer umkämpften Ressource geworden. Ein Blick auf die klimatischen Verhältnisse verdeutlicht, warum die Landwirtschaft in hohem Maße auf das Induswasser angewiesen ist.

Pakistan liegt am Übergang des altweltlichen Trockengürtels zum tropischen Südasien. Während der Westen des Landes (vor allem Belutschistan) durch ein arides Klima geprägt ist, zeichnet sich der übrige Teil durch ein tropisches Klima mit einer Regenzeit in den Sommermonaten und einer Trockenzeit zwischen September und Juni aus. Die Niederschlagsmengen unterscheiden sich je nach Region beträchtlich. Ab Juli versorgt der Sommermonsun vor allem den Osten und Norden des Landes für ein bis drei Monate mit Regen (bis zu 1500 mm). Die Gebiete westlich des Indus (Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa) werden dagegen nur gelegentlich und mit weit geringeren Niederschlagsmengen (100–200 mm/Jahr) vom Monsun gestreift. Zudem fallen die Niederschläge von Jahr zu Jahr sehr unterschiedlich aus – ein Umstand, der eine landwirtschaftliche Planung erschwert. Ab September nehmen Niederschlag und Temperaturen allmählich ab. Im Winter können die Temperaturen im nördlichen Punjab nachts bis unter den Gefrierpunkt sinken. In den Hochgebirgen dominieren sehr kalte Winter mit reichlich Schnee. Ab dem Frühjahr wird es im gesamten Land wieder kontinuierlich wärmer. Es beginnt eine sehr heiße, trockene und auch staubige Periode, in der die Temperaturen vielerorts 40 °C überschreiten. Der in den Sommermonaten einsetzende Monsun beendet dann die Hitzeperiode.

Mit seinen unterschiedlichen Wasserständen gibt der Indus für die Bevölkerung in den ländlichen Regionen ganzjährig den Takt des Alltags vor: Durch die Schneeschmelze in den Hochgebirgen schwellen die Flüsse im Frühjahr allmählich an und stellen im Sommer, wenn noch die Niederschläge des Monsuns hinzukommen, die notwendigen Wasserreserven für die Landwirtschaft im Tiefland zur Verfügung. Ab dem Herbst mit seinen abnehmenden Tagestemperaturen sinkt der Wasserpegel des Indus wieder kontinuierlich. Im Winter und bis in den Frühling hinein, wenn die Niederschläge im Hochgebirge durch die Kälte als Schnee und Eis gebunden sind, bilden der Indus und seine Nebenflüsse häufig – je weiter man nach Süden kommt – kaum mehr als Rinnsale.

So stellt dieser Strom mitsamt seinen Zuflüssen für Pakistan zugleich Fluch und Segen dar: Einerseits bildet er die Grundlage für eine intensive Landwirtschaft, an der mehr als 75 Millionen Bewohner teilhaben, andererseits bedroht er durch seine Fluten auch stets das Leben dieser Menschen. Dies hat die Jahrhundertüberschwemmung im August 2010 auf tragische Weise verdeutlicht. Damals schossen die durch lang anhaltende Regenfälle angeschwollenen Flüsse aus den engen Tälern des Hochgebirges hinab und begruben nach und nach große Teile des Landes unter Wassermassen, bis sie die Mündung am Arabischen Meer erreichten. Bereits früh war klar, dass die Zerstörungen durch die Flut, die im nordpakistanischen Swattal begann, einige Tage später auch den südlichen Punjab und den Sindh erreichen würden; dort waren die Schäden dann auch am größten.

Schließlich hält das Flusswasser auch politischen Konfliktstoff bereit: So ist die Wasserzuteilung nicht nur unter den Bauern, sondern auch innerhalb der pakistanischen Provinzen sowie unter ihnen höchst umstritten. Darüber hinaus bildet sie Zündstoff für ernstzunehmende Auseinandersetzungen mit den Nachbarn Indien und Afghanistan. Zu diskutieren wird zukünftig wohl auch der Einzugsbereich des Kabulflusses sein, dessen Wasser von Pakistan nach Afghanistan und zurück nach Pakistan fließt, sodass Pakistan sowohl in einer Oberlauf- als auch Unterlaufsituation steckt. Hier sind Koordinierung und eine vertragliche Abstimmung auf Regierungsebene zwischen Pakistan und Afghanistan dringend notwendig, um regionalen politischen Konflikten vorzubeugen. Im Punjab-Becken mit fünf Flüssen (panj ab) – Beas, Jhelum, Ravi, Setluj, Chenab – ist Indien Oberanrainer von Pakistan. Innerstaatlich besitzt die pakistanische Provinz Punjab als Oberanrainer und Erbe eines von der britisch-indischen Kolonialadministration technisch versiert ausgebauten Kanalsystems zur großflächigen Bewässerung einen erheblichen Vorteil gegenüber Unteranrainer Sindh. Und selbst innerhalb der Provinzen sorgen Dämme und technische Infrastruktur dafür, dass einzelne Regionen eine bessere Wasserversorgung aufweisen als andere. Erschwerend kommt hinzu, dass die Landwirtschaft das Wasser vor allem im Frühjahr und im Sommer benötigt, während die großen Wasserkraftwerke das ganze Jahr über, aber vor allem in den Wintermonaten aus den Stauseen Wasser ablassen, um für Strom zu sorgen.

Folgt man dem Flussverlauf des Indus, lässt sich Pakistan in verschiedene Naturräume gliedern: Im Norden und Nordwesten liegen die Gebirgsregionen. Nach dem Austritt aus den Bergen schlängeln sich der Indus und seine Zuflüsse durch die fruchtbaren Tiefländer des Punjab, die im Süden der Provinz trichterförmig zusammenlaufen. Im Sindh verengt sich das Industal, da hier von Westen die Wüsten Belutschistans und von Osten die Thar-Wüste in das Flusstal hineindrängen, bevor der Indus schließlich den Indischen Ozean erreicht. Im Folgenden werden diese vier Regionen kurz porträtiert (siehe Karte Seite 238).

Karakorum, Kaschmir und die nordwestliche Grenzregion

Der Norden Pakistans ist durch majestätische Gebirge gekennzeichnet. Diese gehören zum Hochgebirgsbogen, der sich von Zentralasien (Tian Shan, Pamir) über Pakistan (Karakorum) bis hin nach Süd- und Südostasien (Himalaya) erstreckt. Die Hochgebirge des Karakorum fallen im Süden mit dem Austritt des Indus in die Tiefebene des Punjab recht abrupt ab, nach Westen hin (u.a. Sulaiman-Gebirge) – zwischen Indus und afghanisch-pakistanischer Grenze – dagegen nur allmählich, im Südwesten des Landes (Belutschistan) gehen sie in Wüsten über. Kennzeichnend für den Nordwesten Pakistans ist ein Labyrinth aus Gebirgszügen, das für die Abgeschlossenheit der Region mitverantwortlich ist.

Im Karakorum finden sich vier Berge über 8000 Meter, unter denen der 8611 Meter hohe K2 der berühmteste ist und Bergsteiger aus aller Welt anlockt. Der schwer zu besteigende, 8126 Meter hohe Nanga Parbat gilt als der «deutsche Berg» im Himalaya-Massiv. Zahlreiche deutsche Expeditionen versuchten sich seit 1934 an der Erstbesteigung. Der starke Aufriss des Karakorum ergibt sich daraus, dass hier plattentektonisch die nördliche Bruchkante der Indischen Platte gegen die Eurasische Platte drückt. Daher kommt es im Norden Pakistans immer wieder zu verheerenden Erdbeben, die ganze Landstriche zerstören. 2005 forderte ein Erdbeben etwa 84.000 Menschenleben.

Die Täler im Karakorum sind tief eingeschnitten. Deshalb stehen nur wenige Agrarflächen zur Verfügung. Zudem schränken die hohen Lagen und die kurze Kultivierungsperiode den landwirtschaftlichen Anbau ein.

Klimawandel und Abschmelzen der Gletscher

Die Hochgebirgsregion war einst stark vergletschert, womit sie einen wichtigen Wasserspeicher für die pakistanische Wasserversorgung bildete. Allerdings sind die Gletscher im Karakorum in den letzten Jahrzehnten im Zuge der Klimaerwärmung rasant abgeschmolzen. Daher rechnen einige Wissenschaftler damit, dass sich die Probleme der Wasser- und Energieversorgung des Landes in den kommenden Jahren weiter verschärfen werden. So sank zum Beispiel der Wasserpegel in den Stauseen Tarbela und Mangla im Frühjahr 2012 auf ein Minimum ab, was zur Folge hatte, dass die Wasserkraftwerke große Teile des Landes nur noch stundenweise mit Energie versorgen konnten. Allerdings wird von anderer Seite darauf hingewiesen, dass die bisherige Verschwendung von Wasser durch ein ineffizientes Kanalsystem in den Bewässerungsgebieten weit problematischer für die Wasserversorgung ist als das Abschmelzen der Gletscher.

Wirtschaftlich bedeutsam sind im Karakorum vor allem die Staudämme (z.B. Tarbela und Mangla), deren Wasserkraftwerke das ganze Land mit Energie versorgen sollen, sowie der Karakorum-Highway, der das pakistanische Tiefland über den Grenzpass des Kundscherab (4693 Meter) mit China verbindet. Diesem Handelsweg kommt eine wichtige geopolitische Bedeutung zu, stellt er doch für die schnell wachsende Ökonomie Chinas die kürzeste...

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