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E-Book

Friedrich der Grosse

Der König und seine Zeit

AutorJohannes Kunisch
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl624 Seiten
ISBN9783406624834
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,49 EUR
Die «Schicksale von Völkern und Staaten, die Richtungen von ganzen Civilisationen können daran hängen, daß Ein außerordentlicher Mensch Seelenspannungen und Anstrengungen ersten Ranges in gewissen Zeiten aushalten» kann. Mit diesen berühmten Worten porträtiert Jacob Burckhardt Friedrich den Großen in seinen «Weltgeschichtlichen Betrachtungen». Johannes Kunischs Biographie des Preußenkönigs lotet nicht nur die so überaus komplexe Persönlichkeit Friedrichs sensibel aus, sondern führt zugleich mit souveräner Meisterschaft in die Geschichte des 18.Jahrhunderts ein. «Die erste große Friedrich-Biografie seit langem: glänzend informiert, behutsam im Urteil, doch ganz frei von blinder Verehrung.» Hans-Ulrich Wehler, DIE ZEIT «Mit seiner Biographie des Preußenkönigs ist Johannes Kunisch ein großer Wurf gelungen, nicht weniger als ein glänzend erzähltes Epochengemälde.» Arne Karsten, Frankfurter Rundschau Die eBook-Ausgabe dieses Buches erscheint aus lizenzrechtlichen Gründen ohne Abbildungen.

Johannes Kunisch lehrte bis zu seiner Emeritierung als Professor für Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Köln. Er hat zahlreiche Werke zur Geschichte der Frühen Neuzeit veröffentlicht.

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Leseprobe

Diese überraschende Wendung stürzte Friedrich in tiefe Resignation.[133] Hin- und hergerissen zwischen aufrichtigem Mitgefühl und enttäuschtem Tatendrang teilte er am 10. Januar 1735 Wilhelmine mit, daß der König sich zum Erstaunen aller völlig erhole. «Er beginnt wieder zu gehen und fühlt sich wohler als ich.» «Das ist», fuhr er fort, «ein Wunder ohnegleichen; denn nach mehr als drei tödlichen Krankheiten auf einmal wieder völlig zu genesen, ist etwas Übermenschliches. Der liebe Gott muß wohl sehr gute Gründe haben, daß er ihm das Leben wiedergibt.»[134] Im Sommer steigerte sich dann die Desillusionierung des Kronprinzen, zumal ihm der König offenbar nicht böswillig, sondern aus Gründen wachsender Reserve gegenüber dem Kaiserhof verwehrte, auch den Feldzug 1735 im Feldlager des Prinzen Eugen zu verbringen. «Die [erneute] Krankheit des Königs», schrieb er wiederum an Wilhelmine, «ist rein politisch. Wenn er will, geht es ihm gut; er wird kränker, wenn es ihm so paßt. Zu Anfang ließ ich mich dadurch irreführen; aber jetzt weiß ich Bescheid. Du kannst es mir glauben, liebste Schwester, er hat Gott sei Dank eine Bärennatur und wird das künftige Geschlecht überleben, wenn er nur will und sich ein bißchen schont.» Angewidert von der Welt überlasse er sich jetzt ganz der stillen Betrachtung. Sie zeige ihm mehr und mehr, daß es hier auf Erden kein dauerhaftes und beständiges Glück gebe. Er werde der Welt immer überdrüssiger, je mehr er sie kennenlerne.[135]

Aber das Erstaunliche ist, daß der Kronprinz auch in dieser Lage, in der er seine Entfaltungsmöglichkeiten durch den wieder allgegenwärtigen und in seinem Mißtrauen nach wie vor unberechenbaren Vater von neuem eingeschränkt sah, an seinen Lebensentwürfen unbeirrbar festhielt. Die Wochen in der unmittelbaren Umgebung des auf den Tod erkrankten und nur noch eingeschränkt handlungsfähigen Königs hatten ihm freilich auch vor Augen geführt, daß er mit vielen Bereichen des einmal zu übernehmenden Herrscheramtes noch keineswegs vertraut war. So sind die Jahre bis zu seiner Thronbesteigung tatsächlich «ganz der stillen Betrachtung» gewidmet, von der er seiner Schwester berichtet hatte. Im Vordergrund standen nun intensive Studien, die sich mehr und mehr aus eigenem Impuls mit den geistigen Grundlagen eines Fürstenregiments beschäftigten, das sich der Aufklärung und dem Naturrecht verpflichtet fühlte. Besonders am Briefwechsel mit Grumbkow wird deutlich, daß die flüchtig hingeworfenen Schilderungen über die Eintönigkeit seines täglichen Lebens nun der Erörterung philosophischer, theologischer und politischer Probleme wichen und immer mehr an gedanklicher Substanz gewannen.

Der Musenhof in Rheinsberg


Von nicht weniger weitreichender Bedeutung war indessen, daß Friedrich sich nun in einer eigenen Hofhaltung einzurichten begann. Auf Wunsch des Kronprinzen hatte der König die unweit von Ruppin gelegene Herrschaft Rheinsberg erworben. Friedrich selbst war es dann, der nach seiner Vermählung die Wiederherstellung des halb verfallenen Schloßbaus und die Ausstattung der mit seinem Hofstaat zu bewohnenden Gemächer in die Hand nahm. Schon 1734 begann der Hofbaumeister Johann Gottfried Kemmeter unter Einhaltung strenger Sparsamkeitsauflagen des Königs mit der Instandsetzung des corps de logis und eines südlichen Seitenflügels mit dem zum See hin anschließenden Klingenberg-Turm. Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, der enge Freund und Lehrer des Kronprinzen, vollendete in den Jahren 1738 und 1739 dann das Schloßareal durch den Anbau eines zweiten Flügels und verband den vorspringenden Giebelturm des Neubaus mit dem gegenüberliegenden Klingenberg durch eine Kolonnade mit ionischen Säulenpaaren, die die cour d’honneur zur Park- und Seeseite hin abschloß. Dadurch entstand aus einem winkelförmigen Bau eine symmetrische Dreiflügelanlage, die das Erscheinungsbild der Schloßanlage bis heute prägt. Kemmeters durch den König genauestens kontrollierte Umbautätigkeit hatte einen kargen, nüchternen Zweckbau zustande gebracht, der dem Geschmack und den Raumvorstellungen des Kronprinzen indessen keineswegs entsprach. Dennoch bezog Friedrich sein neues Refugium im August 1736, beauftragte aber den im April 1737 von einer Italienreise zurückkehrenden Knobelsdorff, Vorschläge für einen residenzähnlichen Erweiterungsbau auszuarbeiten. Aus diesem Zusammenwirken, in das frühzeitig auch der Porträt- und Historienmaler Antoine Pesne einbezogen wurde, entstand dann bis 1739 ein Schloßbau, der in seiner zurückhaltenden Eleganz und dem anmutigen Wechsel von flächig-geschlossenen und Durchblicke gewährenden Baukompartimenten sich durchaus mit anderen Hauptwerken der deutschen Barockarchitektur messen konnte.

Bereits an der Raumanordnung des Rheinsberger Schloßumbaus ist jenes neue Selbstverständnis ablesbar, das Friedrich auch als König gekennzeichnet hat. Nicht das Schlafzimmer des Herrschers oder der Thronsaal waren wie im Zeitalter des höfischen Absolutismus der Bezugspunkt der Innenraumdisposition, sondern die privaten Interessen und das persönliche Wohlbefinden. Nicht die gravitätische Geste höfischer Repräsentation stand hier im Vordergrund, sondern ein epikureisch-heiteres Lebensgefühl, für dessen unbeschwerte Entfaltung der Schloßherr den angemessenen Rahmen zu schaffen wünschte. Der südliche Flügel des Schlosses mit dem Turmzimmer im Mezzanin, das einen freien Blick auf See und Park ermöglichte, stellte mit der Schreibkammer, der Bibliothek und dem Kabinett die eigentliche Privatsphäre des Kronprinzen dar; hier widmete er sich seinen Studien, seinen Kompositionen und der nun deutliche Konturen annehmenden Schriftstellerei. Daneben trat der mit einem stuckgerahmten Deckenfresko von Antoine Pesne ausgeschmückte Marmorsaal mit den angrenzenden Kabinetten – ein Ensemble, das der Tafelrunde und dem gemeinsamen Musizieren vorbehalten war. Alle übrigen Räume des Schlosses waren diesen beiden Hauptfunktionen untergeordnet. So kam ein Raumprogramm zustande, das unverkennbar die Züge einer neuen, philosophisch inspirierten Herrschaftsauffassung trägt und in seiner allem Pompösen abgewandten Heiterkeit bereits auf den Schloßbau von Sanssouci hinweist.

Von großer Bedeutung für den Glanz der Rheinsberger Jahre war darüber hinaus, daß in die schöngeistige Geselligkeit, die sich der Kronprinz wünschte, nun und nur für diese kurze Zeit auch Frauen einbezogen wurden. So hat er vielen der jungen Damen, die in der Zeit des Rheinsberger Musenhofes in seiner Umgebung weilten, in Versen und Gedichten gehuldigt und sie in ihrer Eigenart zu würdigen gewußt. Nur seine Gemahlin, die ebenfalls im August 1736 nach Rheinsberg übergesiedelt war, fehlte in diesen Elogen «wie nach stillschweigender Übereinkunft» (Reinhold Koser), obwohl gerade auch sie zu der lebensfrohen Atmosphäre, die in diesen Rheinsberger Jahren herrschte, das Ihre beigetragen haben muß. Elisabeth Christine verfügte trotz der Anmut und Frische, in der sie Pesne um 1735 als Kronprinzessin gemalt hat, über keine Reize, die den Gemahl zu fesseln vermochten. Aber ihr freundliches Wesen, ihre stille Hingabe und ihre liebenswürdige Bescheidenheit waren doch so einnehmend, daß sich auch der Kronprinz dem eigentümlichen Charme ihrer Persönlichkeit nicht entziehen konnte. «Ich müßte der niedrigste Mensch auf Erden sein», ist in dem vielfach höchst aufschlußreichen Journal des jüngeren Seckendorff aus dem Munde Friedrichs überliefert, «wenn ich sie nicht aufrichtig schätzen würde. Denn sie hat ein sanftes Gemüt und ist so gelehrig, wie sich nur denken läßt. Sie ist darüber hinaus bis zum äußersten gefällig, so daß sie mir alles an den Augen abliest, womit sie mir eine Freude zu machen glaubt.»[136] In diesem wohl als authentisch einzuschätzenden Bericht wird aber zugleich auch die Barriere sichtbar, die im Verhältnis Friedrichs zu seiner Gemahlin von Anfang an bestand. So ließ er in Gesprächen mit seinen Vertrauten keinen Zweifel daran, nie in sie verliebt gewesen zu sein. Und entsprechend war auch die wortkarge Verächtlichkeit, mit der er sie nach seiner Thronbesteigung von sich wies. Er behandelte sie korrekt, höflich und mit formellem Respekt, aber es gab zwischen den Ehegatten keine Nähe und keine Spur von ehelicher Zuneigung mehr. Friedrich schenkte Elisabeth Christine 1740 das Schloß Niederschönhausen im Norden von Berlin und räumte ihr den höfischen Gepflogenheiten des ancien régime entsprechend einen eigenen Hofstaat ein. Die Trennung blieb gleichwohl unwiderruflich.

Spätestens 1736 trat indessen auch die Frage eigener Kinder immer unabweisbarer in den Vordergrund. Sie scheint sich vor allem deshalb gestellt zu haben, weil man dem ständig in Geldnöten schwebenden Kronprinzen klargemacht hatte, daß die Zuwendungen des Vaters erst erhöht würden, wenn seine Gemahlin guter Hoffnung sei. So riet ihm Ernst Christoph Graf von Manteuffel, ehemals sächsischer...

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