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Tarifverträge für die private Versicherungswirtschaft

Kommentar

AutorSebastian Hopfner
VerlagVerlag Versicherungswirtschaft
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl938 Seiten
ISBN9783862982585
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis109,99 EUR
Die Tarifverträge für die private Versicherungswirtschaft finden auf rund 200.000 Arbeitsverhältnisse in Deutschland Anwendung. Mit einer Abdeckung von 95 % der Beschäftigten in der Branche ist der Grad der Tarifanwendung im Vergleich zu anderen Branchen außerordentlich hoch. Naturgemäß ist gerade ein schlankes Regelungswerk erläuterungsbedürftig. Umso wichtiger ist ein fundierter Kommentar der tarifvertraglichen Bestimmungen. Die 9. Auflage des bewährten Kommentars verarbeitet alle Entwicklungen bis 30. Juni 2013 einschließlich des Tarifabschlusses vom 7. Juni 2013. Ebenso sind alle Änderungen der Rechtslage seit 2009 berücksichtigt. Die Tarifverträge der Versicherungswirtschaft wurden im Jahr 2012 an das durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im Jahr 2006 geänderte gesetzliche Umfeld angepasst. Insofern werden im neuen Kommentar alle entsprechenden Änderungen aufgegriffen und detailliert mit Praxisbezug erläutert. Auch alle anderen gesetzlichen Änderungen mit Auswirkungen auf das Tarifrecht, wurden in die Kommentierung eingearbeitet. Weit aktiver als der Gesetzgeber war die arbeitsrichterliche Rechtsprechung. Deshalb liegt ein Schwerpunkt der Neuauflage auch darin, die etwaigen Einflüsse geänderter Rechtsprechung auf die Tarifrechtslage für den Praktiker in einer sofort umsetzbaren Art und Weise aufzuzeigen. Der Kommentar ist als Werk für die Praxis und als Auslegungshilfe für die Justiz konzipiert. Der Autor ist seit über 13 Jahren für die Gestaltung der Tarifverträge verantwortlich und begleitet die Verhandlungen der Tarifvertragsparteien. Der Kommentar eignet sich für jeden, der tarifliche Bestimmungen anwendet oder von deren Anwendung betroffen ist, insbesondere also für Arbeitsrichter, Führungskräfte, Mitarbeiter in Personalabteilungen, Rechtsanwälte, Betriebsräte, aber selbstverständlich auch für Arbeitnehmer.

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Leseprobe

II. Rdn. 3Entwicklung des Tarifrechts in der Versicherungswirtschaft

Anders als in anderen Tarifbereichen werden von den Tarifvertragsparteien der Versicherungsbranche nur die grundlegenden Bedingungen der Arbeitsverhältnisse in den Tarifverträgen geregelt. Dies hat seine Ursache darin, dass die Versicherungsunternehmen sich unabhängig von der Tarifbindung darum bemühen, attraktive Arbeitgeber für gut und sehr gut qualifizierte Angestellte zu sein. In der Folge können die Gewerkschaften keinen Anlass sehen, sämtliche arbeitsrechtlich relevanten Themen aufzugreifen, um sie zum Gegenstand des Flächentarifvertrages zu machen.

Die Historie des Tarifvertrages reicht bald 95 Jahre zurück. Nachdem es während des Krieges dem Verband der Deutschen Versicherungsbeamten in München nicht gelungen war, gegenüber dem Verein deutscher Lebensversicherungsgesellschaften und dem Zentralverband für Private Versicherungen den Abschluss von kollektiven Regelungen für die Versicherungsangestellten durchzusetzen, wurde am 1011919 der erste Tarifvertrag in der Versicherungsbranche unterzeichnet. Es handelte sich um einen örtlichen Tarifvertrag, der auf das Gebiet der Stadt Hamburg – schon damals einem bedeutenden Versicherungsstandort – abgeschlossen wurde. Nur einen Monat später wurde der Arbeitgeberverband Deutscher Versicherungsunternehmen gegründet. Dieser Verband war die erste für das gesamte Reichsgebiet tariffähige Organisation der Arbeitgeber in der Versicherungswirtschaft. Auf Arbeitnehmerseite war die Organisation eher unübersichtlich. Zu Beginn des Jahres 1919 waren die Angestellten im Verband der Versicherungsangestellten, im Zentralverband der Handlungsgehilfen und im Verband der Büroangestellten vereinigt. Diese drei Gewerkschaften bildeten im Frühjahr 1919 ein Tarifkartell, um mit dem Arbeitgeberverband Deutscher Versicherungsunternehmen über einen Tarifvertrag zu verhandeln. In der Folge wurde am 1251919 der erste Reichstarifvertrag für die Angestellten des Versicherungsgewerbes unterzeichnet. Diesem Tarifvertrag schlossen sich nachträglich der Deutsche Privatbeamtenverein, der Reichsverband Deutscher Angestellter sowie der Deutsche |3|Transportarbeiterverband an. Letztgenannter Verein war damals wohl für die Angestellten der Transportversicherer zuständig.

Rdn. 4Der Reichstarifvertrag galt nur für das Jahr 1919. Die Verhandlungen über den Abschluss eines neuen Tarifvertrages am Ende des Jahres 1919 führten zu keinem Ergebnis, weil sich die Parteien schon über die Grundlage der Verhandlungen und den Kreis der an ihnen zu beteiligenden Organisationen nicht einigen konnten. So kam es zur ersten und bisher einzigen Arbeitsniederlegung der Versicherungsangestellten in der Zeit vom 8. bis 1011920.

Einen Monat nach dieser Arbeitsniederlegung schloss der Arbeitgeberverband Deutscher Versicherungsunternehmen mit dem Gewerkschaftsbund kaufmännischer Angestelltenverbände den zweiten Reichstarifvertrag ab, der später und hierbei vor allem in der Inflationszeit oftmals gekündigt und im geldlichen Teil geändert wurde. Die Manteltarifbestimmungen hatten hingegen bis in die nationalsozialistische Zeit hinein weitgehend Bestand. Der Reichstarifvertrag galt unabhängig von der Organisationszugehörigkeit für die gesamte Versicherungswirtschaft im Deutschen Reich, da er für allgemeinverbindlich erklärt wurde.

Der Reichstarifvertrag galt jedoch nicht für die Angestellten der Provisions- und Verwaltungsgeneralagenten, für die ein aus den Kreisen der Provisions- und Verwaltungsgeneralagenten neu gegründeter Arbeitgeber-Reichsverband Deutscher Versicherungsvertreter einen eigenen Tarifvertrag mit den Gewerkschaften vereinbart hatte. Dieser Tarifvertrag wurde jedoch schon 1923 wieder außer Kraft gesetzt. Die Provisionsgeneralagenten waren nicht in der Lage, die Verpflichtungen des Tarifvertrages zu erfüllen. Ihr Arbeitgeberverband löste sich 1923 wieder auf und die Arbeitsverhältnisse der Angestellten bei Provisionsgeneralagenten, selbstständigen Vertretern und Maklern blieben bis zum Jahr 1939 ohne eine tarifliche Regelung mit Flächenwirkung. Kollektivregelungen wurden allenfalls auf regionaler Ebene abgeschlossen.

Rdn. 5Die Autonomie tarifvertragsschließender Organisationen vom staatlichen Einfluss ließ sich mit der nationalsozialistischen Ideologie nicht in Einklang bringen. Der absolute Machtanspruch der Nationalsozialisten hatte im Jahr 1933 die Auflösung der Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften zur Folge. Die Arbeitsbedingungen wurden künftig nicht mehr durch autonom handelnde Organisationen der von den Regelungen Betroffenen festgelegt, sondern von einem staatlichen Sondertreuhänder, der in Anwendung des Arbeitsordnungsgesetzes auch in der Versicherungswirtschaft für den Erlass einer Tarifordnung zuständig war. Im Ergebnis mussten jedoch auch die nationalsozialistischen Machthaber anerkennen, dass die auf tarifautonomer Basis geschaffenen Regelungen ihren Zweck erfüllten. Aufgrund des Arbeitsordnungsgesetzes vom 2911934 und einer Anordnung des Reichsarbeitsministeriums vom 2831934 wurde der bestehende Reichstarifvertrag für die Versicherungswirtschaft rückwirkend ab 171933 zur Tarifordnung erklärt. Der Reichstarifvertrag blieb dann als Tarifordnung bis 1939 gültig. Erst am 1591939 wurde eine neue Tarifordnung für alle Unternehmungen und Betriebe des privaten Versicherungsgewerbes, einschließlich der Provisionsgeneralagenten und sonstigen Betriebe von selbstständigen Vertretern, Agenten und Versicherungsmaklern erlassen. Die neue Tarifordnung trat am 111940 in Kraft. Inhaltlich entsprach sie weitgehend dem alten Tarifvertrag. Geändert wurden vor allem Aufbau und Systematik des Vertragswerks.

Nach Ende der nationalsozialistischen Diktatur 1945 blieb die Tarifordnung zunächst in Kraft. Zwar wurde das Arbeitsordnungsgesetz aus dem Jahr 1934 mit allen seinen Nebengesetzen und den zu seiner Durchführung erlassenen Verordnungen und Bestimmungen mit Wirkung vom 111947 durch Kontrollratsgesetz Nr. 40 aufgehoben. Die Arbeitsbedingungen sollten wie vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten wieder durch autonome Tariforganisationen verhandelt und vereinbart werden. Die Tarifordnungen sollten aber bis zu ihrer Ersetzung |4|durch neue Tarifregelungen in den einzelnen Wirtschaftszweigen weiter in Kraft bleiben. Schließlich galt es zunächst, Arbeitnehmerschaft und Unternehmen Zeit zu lassen, sich in tariffähigen Organisationen zusammenzuschließen. Während der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) schon sehr bald nach Kriegsende ihre Zulassung erhielten, wurden Arbeitgeberverbände erst 1947 wieder erlaubt. Dies geschah zunächst nur in der englischen und amerikanischen Zone, während in der französischen und russischen Zone Arbeitgeberverbände verboten blieben.

Rdn. 6Am 6111947 entstand die Arbeitgebervereinigung des Versicherungsgewerbes, Sitz München. Am 911948 gründete sich die Arbeitgebervereinigung der privaten Versicherungsunternehmen in der britischen Zone, Hannover. Am 971949 kam es zum ersten Abschluss eines Tarifvertrages nach Ende des Krieges für das private Versicherungsgewerbe. Tarifvertragsschließende Organisationen waren die o.g. Arbeitgeberverbände sowie auf Arbeitnehmerseite die DAG, Sitz Hamburg, die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV), Sitz Essen, der Angestelltenverband Bayern, Sitz München, und der Angestelltenverband Württemberg/Baden, Sitz Stuttgart.

In wesentlichen Teilen übernahm der Tarifvertrag die auf den Tarifverträgen vor 1933 beruhende Tarifordnung. Jedoch wurden die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer bei Provisionsgeneralagenten, selbstständigen Versicherungsvertretern und Versicherungsmaklern aus dem Geltungsbereich des Vertrages herausgenommen. Anstelle der früheren Tarifgruppeneinteilung mit vier Gruppen wurde eine solche mit sechs Gruppen geschaffen. Die Änderung der Tarifgruppeneinteilung war notwendig geworden, weil die Einstufung der Angestellten schon während des Krieges und vor allem in der Zeit des Währungsverfalls nach dem Krieg nicht tarifgerecht erfolgt war und daher nicht mehr mit der im Tarifvertrag vorgesehenen Tätigkeit...

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