Stille Reserven stellen aus Sicht des Unternehmens verdecktes Eigenkapital dar. Dieses entsteht durch die Unterbewertung von Aktiva sowie durch Überbewertung von Passiva. Die Auflösung stiller Reserven führt zu außerordentlichen Erträgen, die zur Deckung des Ver-lustes des Unternehmens verwendet werden können. Sie kann durch die Veräußerung der betreffenden Vermögensteile über Buchwert oder durch Zuschreibung[165] vorgenommen werden.
Stille Reserven befinden sich meist in:[166]
- Grundstücken und Gebäuden
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- Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte u.a.
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- Beteiligungen
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- Vorräten
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- Wertpapieren
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- Rückstellungen
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Stillen Reserven sind jedoch in Krisensituationen selten vorhanden, da diese meist bereits im Vorfeld aufgelöst wurden.[167]
Die Zuführung von Eigenkapital führt zu einer Erhöhung des Vermögens eines Unternehmens und ist somit eine geeignete Maßnahme zur Abwendung der Überschuldung. Grundsätzlich kommen hierbei verschiedene Möglichkeiten in Betracht:
Bei einer Kapitalerhöhung[168] wird das Stamm- beziehungsweise Grundkapital des Unter-nehmens erhöht. Sie kann gegen Sach- oder Bareinlage erfolgen. Letztere hat durch den Zufluss von Barmitteln neben der überschuldungsrelevanten Wirkung zusätzlich eine Verbes-serung der Liquiditätssituation zur Folge. Sie kann unter den bestehenden Gesellschaftern oder durch die Aufnahmen neuer Gesellschafter durchgeführt werden, wobei die Aufnahme neuer Gesellschafter nach Schmidt einen meist unentbehrlichen Bestandteil des Sanierungs-konzeptes darstellt.[169]
Vor der Kapitalerhöhung im Rahmen einer Sanierung muss meist eine Kapitalherabsetzung durchgeführt werden.[170] Diese wird bei Aktiengesellschaften aufgrund § 8 Abs. 2 AktG notwendig, der die Ausgabe von Aktien unter ihrem Nennwert (Unterpari-Emission) verbietet. Da potentielle Teilnehmer der Kapitalerhöhung das Unternehmen unter seinem Nominalkapital bewerten, das im Falle der Überschuldung bereits durch Verluste aufgezehrt ist, wäre eine Platzierung neuer Aktien zu oder über ihren Nennwert nicht erfolgreich. Die vereinfachte Kapitalherabsetzung[171] zum Ausgleich von Verlusten durch Verrechnung mit dem Eigenkapital, wird in Literatur und Praxis auch als Buchsanierung bezeichnet[172], obwohl sie ohne die Einbringung weiterer Mittel allein zunächst lediglich einen formellen und keinen liquiditäts- oder überschuldungswirksamen Vorgang darstellt. Erst in Verbindung mit einer Erhöhung des Eigenkapitals stellt sie eine überschuldungsrelevante Sanierungsmaßnahme dar, welche nach Böckenförde zu den am meisten genutzten Sanierungsmaßnahmen zählt.[173]
Im durch die Insolvenzantragspflicht eng abgesteckten Zeitrahmen für das Ergreifen von Maßnahmen ist die Nominalkapitalerhöhung wegen gesetzlicher Voraussetzungen[174] und der technischen Umsetzung besonders bei der AG[175] bei bereits eingetretener Überschuldung in der Regel nicht rechtzeitig durchführbar.[176]
Nachschüsse sind Geldeinlagen in das Eigenkapital über die Stammeinlage von GmbHs hinaus und bilden somit ein variables Zusatzkapital.[177] Eine Nachschusspflicht besteht nur, sofern es die Satzung der Gesellschaft vorsieht und ein entsprechender Gesellschafter-beschluss gefasst wurde. In der Praxis findet diese Form der Eigenkapitalzuführung jedoch nur selten Anwendung.[178]
Genussrechte[179] sind zwischen einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung und einer bloßen schuldrechtlichen Forderung einzuordnen.[180] Einerseits gewähren Genussrechte keinerlei gesellschaftsrechtliche Mitwirkungs- und Kontrollrechte, andererseits begründen sie aber gesellschaftertypische Vermögensrechte wie beispielsweise eine Gewinnbeteiligung.[181] Eine gesetzlich festgelegte Definition von Genussrechten gibt es nicht, was zu großen Spielräumen in der vertraglichen Gestaltung ihrer Modalitäten führt.[182] Von eben dieser Ausgestaltung ist es abhängig, ob das Genussrechtskapital dem Eigen- oder Fremdkapital des Genussrechts-emittenten zuzurechnen ist.
Genussrechtskapital hat Eigenkapitalcharakter, wenn folgende Kriterien vorliegen:[183]
- Nachrangigkeit
- Erfolgsabhängige Vergütung und Teilnahme am Verlust bis zur vollen Höhe
- Längerfristigkeit der Kapitalüberlassung
Die Ausgabe von Genussrechten mit Eigenkapitalcharakter ist somit ein geeignetes Mittel zur Abwendung der Überschuldung. Für den Fall, dass sie mit Einzahlungen der Genussrechts-zeichner verbunden ist, verbessert sie zusätzlich die Liquiditätssituation.
Der Einsatz von Genussrechten im Rahmen eines Vergleiches, bei dem die Forderungen des Gläubigers in Genussrechte gewandelt werden, stellt ein wichtiges Einsatzgebiet von Genussrechten bei der Sanierung dar.[184] Auf diesem Wege kann der Genussrechtszeichner die vermögensrechtliche Stellung eines Gesellschafters übernehmen ohne sich jedoch den Risiken der Eigenkapitalersatzvorschriften[185] auszusetzen.[186]
Bei einer Rangrücktrittsvereinbarung handelt es sich um einen Schuldänderungsvertrag gemäß § 311 Abs. 1 BGB. Zur Vermeidung der Überschuldung kann ein Gläubiger mit seiner Forderung ganz oder teilweise im Rang hinter die anderen Gläubiger zurücktreten. Dabei hat er zu erklären, dass seine Forderung bis zur Beseitigung der Krise, erst nach Befriedigung aller Gläubiger, mit den Gesellschaftern des Unternehmens berücksichtigt wird.[187] Er tritt damit auf den Rang der Eigenkapitalgeber und stellt klar, dass seine Einlage den anderen Gläubigern als haftendes Eigenkapital zur Verfügung steht.[188] Seine Forderung bleibt dem Unternehmen zwar damit weiterhin als Verbindlichkeit bestehen und ist als Passivum in der Handelsbilanz auszuweisen[189], muss jedoch nicht im Überschuldungsstatus als Fremdkapital passiviert werden.[190] Die Verbindlichkeit darf vom Unternehmen danach nur aus zukünftigen Gewinnen, einem Liquidationsüberschuss oder nach der Krise, aus einem die sonstigen Schulden übersteigendem Vermögen getilgt werden.[191]
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