Bewährungshilfe in Deutschland sich nicht vor dem Dritten Strafrechtsänderungsgesetz im Jahre 1953 herausbilden konnte. (vgl. DAMIAN 1990, S. 82).
Die Aufgaben der Aufsichtführenden Person waren in diesem Entwurf von 1909 noch nicht konkretisiert worden. Im Weiteren war unter anderem vorgesehen, dass die Bewährungszeit im Rahmen der bedingten Entlassung mindestens 2 Jahre betragen sollte. 1911 wurde ein sog. Gegenentwurf von den Professoren Kahl, v. Liszt, v. Lilienthal und Goldschmidt formuliert, der auf dem Vorentwurf aufbaute, und als Kompromiss im Schulenstreit zwischen den Anhängern der Generalprävention und der Spezialprävention angesehen wird. Dieser Gegenentwurf nahm die Idee der Beaufsichtigung des Probanden während der Probezeit auf, und nannte sie Schutzaufsicht. „Die Schutzaufsicht wird, unter Leitung des Vormundschaftsgerichts, durch den Vertreter eines Fürsorgevereins oder eine andere dazu geeignete und bereite Person ausgeübt [.…] Der Fürsorger hat den Strafentlassenen zu überwachen, vor schlechter Gesellschaft und nötigenfalls vor Genuss geistiger Getränke zu bewahren, ihn zu beraten und ihn insbesondere zur Erlangung einer passenden Stellung behilflich zu sein. Die dem Strafentlassenen zufallende Arbeitsentlohnung ist dem Fürsorger auszuhändigen, dem die Verfügung darüber im Interesse des Strafentlassenen unter Aufsicht des Vormundschaftsgerichts zusteht. Die näheren Vorschriften über die Ausführung der Schutzaufsicht werden vom Bundesrat und den Verwaltungen der einzelnen Bundesstaaten erlassen“ (SPEIERMANN 1995, S. 29).
Eine Strafrechtskommission hatte im Anschluss daran von 1911 bis 1913 die Aufgabe, aus dem Vorentwurf und dem Gegenentwurf einen Regierungsentwurf zu entwerfen. Dieser Regierungsentwurf übernahm weitgehend die Formulierungen der ersten Entwürfe und wurde allerdings aufgrund des Ausbruchs des I.Weltkrieges erst im Jahre 1920 veröffentlicht. Die nach dem Krieg stark gestiegene Jugendkriminalität führte zu einer spezialpräventiven Ausrichtung im Strafrechtssystem in Deutschland: Das Reichsjugendgesetz (RJGG) wurde im Jahre 1923 verabschiedet. Beispielhaft ist hier u.a. die Kodifizierung der anfänglich bedingten Strafaussetzung in den §§ 10 und 15 des RJGG zu nennen. Diese Orientierung in Richtung einer Liberalisierung des Strafvollzuges setzte sich durch die Verabschiedung der Reichsratsgrundsätze von 1923 fort. In diesen Grundsätzen wurden einerseits einheitliche länderübergreifende Regelungen zur Ausgestaltung des Strafvollzuges entworfen und andererseits die Sozialisierung des Verurteilten stärker als bisher betont. Nach SPEIERMANN war mit diesem Schritt der „Erziehungs- und Besserungsgedanke endgültig als Leitprinzip im Strafvollzug anerkannt“ (SPEIERMANN 1995, S. 36).
Bedingt durch die instabilen politischen Verhältnisse in der Weimarer Republik (Reichstagsauflösungen, Neuwahlen, wechselnde Mehrheitsverhältnisse) und einer zunehmenden Radikalisierung innerhalb der politischen Landschaft, konnte die Reform des Strafrechts nicht mehr vollendet werden. Dieses Vorhaben ist erst nach 1945 wieder aufgenommen worden.
In der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft von 1933 - 1945 kam es zwar zu unterschiedlichen Entwürfen eines allgemeinen Strafgesetzbuches, aber diese Entwürfe waren durch eine umfassende Abkehr vom liberalen Strafrechtsgedanken gekennzeichnet. So waren Strafaussetzungen nur noch sehr eingeschränkt vorgesehen und auch nur auf dem Gnadenwege zu erteilen. Somit war das Rechtsinstitut der bedingten Strafaussetzung als Mittel der Strafrechtspflege und somit auch die Bewährungshilfe faktisch bedeutungslos geworden, und es herrschte eindeutig wieder der Vergeltungsgedanke als die alleinige Aufgabe von Strafe vor.
1.2 Die geschichtliche Entwicklung von 1949 bis heute
Nach dem Ende des II. Weltkrieges in Europa, der auch gleichzeitig das formale Ende des Nationalsozialsozialistischen Unrechtsstaates bedeutete, galt es, für die neugegründete Bundesrepublik Deutschland ein Strafgesetzbuch zu erarbeiten, das einerseits die Gesetze aus der Zeit des Nationalsozialismus revidierte und andererseits die gesetzlichen Vorgaben aus dem Grundgesetz wie bspw. die Abschaffung der Todesstrafe aufnahm. Zusätzlich sollten die Reformanstrengungen aus der Zeit der Weimarer Republik wieder aufgegriffen werden (vgl. SPEIERMANN 1995, S. 49). Zu diesem Zweck findet in Berlin auf Anregung des Hauptjugendamtes im Jahre 1949 die Tagung des „Magistrats von Groß-Berlin“ zum gegenwärtigen Stand und zur Neuordnung der Jugendgerichtsbarkeit statt. Als Ergebnis der Gespräche werden von den Teilnehmern Initiativen zur praktischen Erprobung der Bewährungshilfe gefordert. Diese Tagung ist auch durch bestimmte Vertreter der vier Siegermächte gefördert worden, die in ihren Ländern schon länger positive Erfahrungen mit der Strafaussetzung zur Bewährung gesammelt hatten. Eine Konsequenz aus diesem Kongress ist die Ernennung von Dr. Wolfgang Klein zum ersten hauptamtlichen Bewährungshelfer für minderjährige Straftäter beim Hauptjugendamt Berlin am 01.10.1950. Dr. Klein hatte vorher im Jugendstrafvollzug als Fürsorger gearbeitet. In Nordrhein-Westfalen wurden auf Initiative durch den Ministerialrat im Bundesjustizministerium Alfons Wahl im Jahr 1950 die „Godesberger Gespräche“ aufgenommen, in denen in der Strafrechtspflege tätige Richter und Fürsorger erörterten, welche Optionen es gab, um Strafgefangenen unter Mithilfe eines Bewährungshelfers vor einer Inhaftierung zu bewahren, bzw. eine Haftzeit in eine Bewährungszeit umzuwandeln. Alfons Wahl propagierte die Überlegungen zur Bewährungshilfe so engagiert, dass ab 1951 vom Bundesjustizministerium Mittel zur Verfügung gestellt wurden, um überregionale Fördermaßnahmen für straffällige
Jugendliche und Heranwachsende ergreifen zu können. Zu diesem Zweck wurde 1951 der Verein „Bewährungshilfe e.V.“ gegründet, durch den das System der Bewährungshilfe von 5 hauptamtlichen Bewährungshelfern in Bonn, Essen, Freiburg, Hannover und Stuttgart erfolgreich erprobt wurde. 1952 wurde der Modellversuch mit 7 Bewährungshelfern auf die Städte Delmenhorst, Dortmund, Duisburg, Hamburg und München ausgedehnt (vgl. BEWÄHRUNGSHILFE-MAGAZIN 2005).
Auch wenn als Vorbilder der praktischen Arbeit zunächst ausländische Modelle dienten, insbesondere aus England und den USA das System des probation officers, wurde schließlich ein eigenes System entwickelt (vgl. BÖTTNER 2004, S. 23). Mit der Verabschiedung des 3. Strafrechtsänderungsgesetzes, das am 6.August 1953 in Kraft trat, wurde erstmals in der Geschichte des deutschen Rechtswesens die Strafaussetzung zur Bewährung, die Neuregelung der bedingten Entlassung und die Position des Bewährungshelfers in das Strafgesetzbuch (StGB) und das neugeschaffene Jugendgerichtsgesetz (JGG) mitaufgenommen. Die Aufgaben des Bewährungshelfers wurden im § 24 StGB geregelt und umfasste zu diesem Zeitpunkt überwiegend eine Kontrolle des Probanden und sahen noch keine helfenden Aspekte vor. Die Kontrollaufgaben erstreckten sich nicht nur auf die geurteilten Auflagen und Weisungen, sondern umfassten auch die gesamte Lebensführung des Probanden. BÖTTNER weist in diesem Zusammenhang daraufhin, dass zu dieser Zeit mehr als die Hälfte aller Widerrufe der Bewährungsstrafe allein wegen „schlechter Führung und Verstößen gegen Weisungen und Auflagen, und nicht wegen erneuter Straftaten“ (BÖTTNER 2004, S. 24) erfolgten
In der Zeit von 1953 bis 1969 wurde von der Großen Strafrechtskommission ein Entwurf erarbeitet, der das Strafrecht der Bundesrepublik Deutschland weiter reformieren sollte. Dieser Entwurf, der unter dem Namen „E 1962“ in den Bundestag eingebracht wurde, baute inhaltlich mehr auf der klassischen Schule auf, bekannte sich nach SPEIERMANN zum Schuldstrafrecht und betonte weiterhin den Strafzweck der Vergeltung (vgl. SPEIERMANN 1995, S. 52). Dies wird insbesondere daran deutlich, dass in § 79 des Entwurfs E 1962 die bedingte Entlassung
zur Bewährung bei einer zeitigen Freiheitsstrafe nur als Kann-Bestimmung vorgesehen war, während sie heute als Ist-Bestimmung in § 57 StGB geregelt ist. Ein alternativer Entwurf aus dem Jahre 1966 (AE 1966) betonte die spezialpräventive Ausrichtung des Strafrechts und sah im Gegensatz zum E 1962 u.a die obligatorische Aussetzung einer zeitigen Freiheitsstrafe nach Verbüßung von 2/3 der Haftzeit vor.
In den Aussprachen des Sonderausschusses des deutschen Bundestages wurden die beiden Entwürfe zusammengeführt und es kam zu einer Synthese, bei sich in der Dogmatik mehr der E 1962 und in den Rechtsfolgen mehr der AE 1966 durchsetzte. Das im Anschluss an die Beratungen formulierte 1. Strafrechtsreformgesetz trat am 01.04.1970 in Kraft und regelte die Reststrafenaussetzung einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung. In diesem Kontext wurde auch die sog. Halbstrafenregelung als Ermessensentscheidung neu eingeführt. Sie sieht vor, dass eine zeitige Freiheitsstrafe nach Verbüßung von der Hälfte der Zeit, mindestens aber 12 Monaten zur Bewährung ausgesetzt werden kann, wenn besondere Umstände in der Tat und der Persönlichkeit des Verurteilten diese Strafaussetzung rechtfertigen. In den Beratungen wurden auch eine Ausweitung der Aufgaben der Bewährungshilfe und eine Verlagerung des Aufgabenschwerpunktes geregelt. So wurde in § 24c Abs.3 StGB die...