Die verlustreichen Jahre des Börsencrashs von Anfang 2000 bis Anfang 2003 sind bei den meisten Anlegern noch unvergessen. Vor allem private Investoren üben sich an der Börse seitdem in Zurückhaltung und scheuen das Risiko eines erneuten Engagements in Aktien. Durch die Entwicklungen in der jüngsten Vergangenheit wurde das Vertrauen der Aktionäre erneut geschwächt.[1] Da ist auch das Argument, dass es zuvor drei Jahre „nach oben ging“, oft nicht ausreichend, um die Anleger von der allgemeinen Aussage zu überzeugen, dass die Kurse an der Börse langfristig immer steigen.[2]
Um dem verstärkten Sicherheitsbedürfnis gerecht zu werden, haben Banken neue Anlageformen entwickelt, die ein verstärktes Maß an Risikopuffer einbeziehen und dennoch eine Partizipation am Börsenwachstum ermöglichen. Hierbei hat sich eine Vielzahl neuartiger Finanzprodukte herausgebildet, die speziell den Risikoaspekt in unterschiedlich starker Ausprägung, sei es durch Kapitalgarantien oder Bonuschancen, berücksichtigt. In den Fokus des Anlegers sind dabei insbesondere die Zertifikate gerückt, die erstmals im Jahre 1989 in der einfachsten Form, dem Index-Zertifikat, von der Dresdner Bank aufgelegt wurden.[3] Mit wachsendem Bekanntheitsgrad erfreuen sich Zertifikate seitdem zunehmend großer Beliebtheit – und dies vor allem in Deutschland.[4] Für die Fondsindustrie hat sich mit der neuen Anlageform der Zertifikate eine damals noch nicht abzuzeichnende Konkurrenz entwickelt. Verantwortlich für den durchbrechenden Erfolg ist insbesondere die Tatsache, dass mit Zertifikaten ganze Märkte einfach und transparent nachgebildet werden können. Darüber hinaus sind im Gegensatz zu vielen klassischen Anlageformen auch in Zeiten stagnierender Märkte oder sogar bei fallenden Kursen Erträge möglich. So ist der Durchbruch der Zertifikate neben dem ausgeprägten Sicherheitsdenken vieler Anleger nicht zuletzt auch dem Wunsch nach Ausnutzung fallender beziehungsweise seitwärts tendierender Aktienmärkte geschuldet.
Mit einer anfangs noch sehr einfachen Struktur und großer Transparenz haben sich im Verlauf der weiteren Produktentwicklung bei den Zertifikaten zum Teil sehr komplexe Strukturen herausgebildet. Selbst für den erfahrenen Anleger wird es deshalb zunehmend schwieriger, bei der daraus resultierenden Typenvielfalt den Überblick zu behalten. Es haben sich jedoch einige dominante Produkte herauskristallisiert, die ein besonderes Interesse bei den Anlegern gefunden haben. Dazu gehören auch die Bonus-Zertifikate, die im Folgenden Gegenstand der Untersuchung sein sollen. Nach Emission der ersten Titel im April 2003 wurde das Bonus-Zertifikat zum innovativsten Finanzprodukt desselben Jahres gekürt.[5]
Meine persönliche Motivation, über dieses Thema zu schreiben, liegt darin, dass ich nach dem Abschluss des Studiums gerne im Kapitalmarktgeschäft einer Bank tätig werden möchte. Der Bereich für die Entwicklung strukturierter Produkte interessiert mich dabei besonders. Das Schreiben der Diplomarbeit über ein in diesem Zusammenhang praxisrelevantes Thema, was zudem in der Literatur noch nicht in dieser Tiefe behandelt wurde, bringt mich diesem Ziel näher und bekräftigt mein Interesse beim Vorstellungsgespräch in der Bank. Darüber hinaus kann ich mir im Vorfeld schon einiges Wissen für die Praxis aneignen. Vor dem Studium habe ich erfolgreich meine Lehre zum Bankkaufmann in der Sparkasse Frankfurt (Oder) abgeschlossen.
Ziel dieser Diplomarbeit ist es, ein umfassendes Bild über die Anlageform der Bonus-Zertifikate zu vermitteln. Über das Interesse des Anlegers hinaus soll dabei auch in einigen Punkten der Standpunkt der Banken beleuchtet werden. Welchen Vorteil bringt den Emissionshäusern die Auflegung von Zertifikaten und was verdienen sie dabei? Profitieren sowohl Bank als auch Anleger bei gleichläufigen Kursen oder nehmen Käufer und Verkäufer ähnlich wie bei Optionsgeschäften gegensätzliche Positionen ein?
Zu einem der schwierigsten Punkte gehört in diesem Zusammenhang sicherlich auch die Konzipierung der Produkte selbst. Gewiss ist die zunehmende Auswahl an Produkten für den Anleger zunächst als vorteilhaft zu beurteilen. Doch auf der anderen Seite kann die damit verbundene Zunahme an komplexen Produktstrukturen auch von Nachteil sein, beziehungsweise einen Gewinn für die Bank bedeuten. Von transparenter Preisbildung kann bei solchen strukturierten Zertifikaten nicht mehr die Rede sein. Die Gewinnmargen der Banken lassen sich wesentlich leichter „verstecken“.[6] Neben der Beurteilung des Profils strukturell komplexer Produkte hinsichtlich eines fairen Preises bildet die Aufsplittung der Produkte in ihre Einzelkomponenten auch die Grundlage für ein besseres Verständnis der allgemeinen Funktionsweise von Zertifikaten.[7] Gleichzeitig lässt sich auch der Bewertungsprozess an der Börse besser nachvollziehen.
Das erste Kapitel hat der Einführung in das Thema der Zertifikate gedient. Im nächsten Teil der Arbeit, in den Kapiteln 2 und 3, sollen nun zunächst in gebotener Kürze wichtige Begriffe erläutert und die theoretischen Grundlagen zu Zertifikaten gelegt werden. Diese sind für das Verständnis der nachfolgenden Kapitel wichtig. Um Bonus-Zertifikate im Gesamtbild der Geldanlageform „Zertifikate“ besser einordnen zu können, werden hierbei auch andere Zertifikateformen in ihrem Grundriss veranschaulicht. Im Anschluss daran wird in Kapitel 4, welches gleichsam den Hauptteil dieser Arbeit darstellt, die Zusammensetzung von Bonus-Zertifikaten untersucht. Damit wird die Basis für eine umfassende und an aktuellen Beispielen durchgeführte Analyse und Bewertung geschaffen. In diesem Zusammenhang wird auf die Marktstellung, die wichtigsten Emittenten und auf Abwandlungen von Bonus-Zertifikaten eingegangen. Darüber hinaus soll hier die Sichtweise der Banken eine Rolle spielen. Die steuerliche Behandlung von Zertifikaten bei Privatanlegern ist Gegenstand des fünften Kapitels. Dieses schließt mit einer kritischen Würdigung der geplanten Gesetzesänderungen ab 2007 ab. Im sechsten Kapitel erfolgt ein Vergleich zur Anlageform der Fonds, die zum Teil in direkter Konkurrenz zu Zertifikaten stehen. Im Ergebnis soll dabei eine Aussage zur Vorteilhaftigkeit der einen oder anderen Anlageform „gewagt“ werden.
Die wichtigsten Erkenntnisse der gesamten Arbeit fließen in Kapitel sieben zusammen. Abschließend wird hier zudem ein kleiner Ausblick für die nahe Zukunft der Zertifikatebranche gegeben.
Neben klassischen Finanzanlagen wie Aktien oder Anleihen gewinnen auch Derivate und strukturierte Finanzinstrumente im Anlagebereich zunehmend an Bedeutung.[8] Ein Grundverständnis über Termingeschäfte und deren Produkte bildet im späteren Verlauf der Arbeit die Basis, die Funktionsweise der Zertifikate besser zu verstehen.
Der Begriff „Derivate“ bezieht sich auf den lateinischen Ausdruck „derivare“( ® herleiten) und lässt schon vom Wortlaut her auf ein vorhandenes Abhängigkeitsverhältnis schließen. Derivate sind Finanzprodukte, die sich auf andere Instrumente[9] beziehen und deren Kursentwicklung sich von diesen ableiten lässt.[10] Zu den bekanntesten derivativen Finanzinstrumenten gehören Optionen und Futures. Diese werden als Terminkontrakte an der Börse gehandelt. Ein Terminkontrakt bezeichnet dabei ein Geschäft, bei dem der Vertrag erst nach einem gewissen Zeitraum nach Abschluss erfüllt wird. Allen Derivaten gemein ist, dass mit einem relativ geringen Geldeinsatz ein überproportionaler Gewinn möglich ist (sog. Hebelwirkung). Gerade wegen dieser Tatsache wird häufig vermutet, dass bei Termingeschäften vor allem das Spekulationsmotiv im Sinne eines Glücksspiels im Vordergrund steht. Insbesondere bei den Futures spielt der Spekulationsgedanke aber nur eine untergeordnete Rolle. Vielmehr geht es um die Absicherung oder Begrenzung von risikobehafteten Geschäften, wie sie beim Handel in Fremdwährungen auftreten können.[11] Derivative Instrumente sind zum ausschlaggebenden Faktor für den Erfolg der Zertifikate geworden. Als Bestandteil der Zertifikate erzeugen sie in Kombination mit anderen Finanzprodukten erst den eigentlichen Mehrwert für den Anleger.[12]
Nachstehend sollen die beiden wichtigsten Derivate als mögliche Bestandteile der Zertifikate, namentlich die Optionen und Futures, in ihrer Funktionsweise näher erläutert werden.
Bei einem Optionsgeschäft stehen sich zwei Parteien gegenüber, die hinsichtlich der zukünftigen Preisentwicklung einer bestimmten Sache (Basiswert) eine entgegengesetzte Erwartungshaltung einnehmen. Der Käufer der Option hat das Recht, den Basiswert[13] zu einem im Vorfeld festgelegten Preis an einem Termin in der Zukunft zu erwerben oder zu...