Der Gegenstand der Sozialen Arbeit sind Menschen mit sozialen und psychischen Problemen. Die Probleme weisen dabei eine ebenso große Vielfalt auf - angefangen von psychischer und geistiger Behinderung über Abhängigkeit bis zur sozialen Isolation - wie die betroffenen Altersgruppen, die Nationalitäten und die sozialen Systeme, in denen die Menschen leben.
Der Umfang und die Qualität sozialer Unterstützung und Integration sind für die seelische und körperliche Gesundheit der Menschen von größter Bedeutung.
Gruppenbindungen fördern u.a. die Solidarität, geben dem Leben Sinn und dem Einzelnen soziale Unterstützung.
Als soziales Wesen ist der Mensch zur Regulierung seiner Gefühle, Wünsche und Gedanken zwingend auf eine kulturelle und zwischenmenschliche Regulierung angewiesen.
In der Reittherapie werden Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die dieselben Probleme haben, wie man sie in der sozialen Arbeit vorfindet, „behandelt“.
Die Reittherapie als eine vorwiegend aktive Behandlungsmethode stellt eine Therapieform dar, die den Kranken, Verhaltensauffälligen oder Behinderten in seiner körperlichen und geistigen Ganzheit erfasst.
(Jochheim/ van der Schoot 1981, S. 359)
Da die Reittherapie ähnliche bzw. gleiche Ziele wie die soziale Arbeit verfolgt, kann sie als positive Unterstützung angesehen werden. Reittherapie soll zum einen zur Verbesserung der Physe (Hippotherapie) beitragen, zum anderen zur Erweiterung von sozialer und personaler Integration und zum Erfahren von weiteren Freizeitmöglichkeiten.
Nach Otto Speck (1999, S. 181ff) ist Integration ein zentraler strukturaler Begriff der in verschiedenen Humanwissenschaften verwendet wird. Dabei wird „Integration“ z.B. auf das physische Gesamtsystem des Organismus, auf das psychische System der Persönlichkeit oder auf das System der sozialen Eingliederung bezogen. Gemeint ist stets ein Zustand sinnvoll geordneter Zusammenhänge (Speck 1999, S. 181).
Speck unterscheidet dabei zwei Formen der Integration, die personale und die soziale Integration:
Die personale Integration bezieht sich auf den Körper, die Seele und den Geist – also auf (…) das Zusammenwirken der psycho- physischen Einzelprozesse des Individuums (…) (Speck 1999, S. 181)
Sie ist auf die Einheitlichkeit und Ganzheitlichkeit der menschlichen Persönlichkeit gezielt und somit auf das Finden des persönlichen Gleichgewichts und das Aufbauen eines „starken Ichs“.
Die soziale Integration ist die Eingliederung des Individuums in die soziale Umwelt - in das gesellschaftliche Ganze. Es geht dabei um
die Eingliederung in Rollensysteme und in soziale Bezüge,
Status und Kompetenzerweiterung,
Den Abbau sozialer Blockierungen,
soziale Zugehörigkeit,
Soziale Indentität, (…)
Soziale Integration ist die wechselwirkende Ergänzung der personalen Integration. (vgl. Speck 1999, S. 182)
Bei der Hippotherapie erstreckt sich dass Klientel auf körperlich behinderte und/ oder eingeschränkte Menschen. Sie hat das voranginge Ziel der körperlichen Genesung. Durch die rhythmischen Schwingungen des Pferderückens, durch die variablen Beschleunigungs- und Verzögerungsmomente und durch die Zentrifugalkräfte, die sich durch das Reiten auf den Patienten übertragen, wird eine Lockerung muskulärer Verspannungen hervorgerufen, die Schulung der Stell- und Gleichgewichtsreaktionen, das Haltungs- und Bewegungsgefühl wird verbessert, sowie Koordination und Reaktion geschult und somit eine physische Verbesserung beim Klienten hergestellt.
(vgl. Jochheim/ van der Schoot 1981, S. 358)
Nicht nur durch den Faktor –Körper- wird die personale Integration gefördert, sondern auch dadurch, dass diese Art der Therapie positive „Nebenwirkungen“ auf die Psyche hat.
Reiten vermittelt dem körperlich behinderten Menschen ein Gefühl des Wohlbehagens und der leichten Entspannung. Querschnittsgelähmte z.B. spüren auf dem Pferd dessen schaukeligen Gang, der den Beckenbewegungen des gesunden Menschen ähnelt. Rollstuhlfahrer sitzen hoch auf dem Pferd und fühlen sich gleichberechtigt, denn sie müssen nicht, wie sonst für sie üblich, hinauf schauen. Sie können sich hier, wie ihre gesunden Reiterkollegen auch, genauso leicht und schnell fortbewegen.
(vgl. Mehls 1992, S.30)
Schnelle Erfolgserlebnisse die dem Patienten bewusst werden steigern deren Selbstvertrauen und den Willen mehr Erfolg zu haben und somit mehr Leistung zu erbringen. Die gewonnene Selbstsicherheit kann sich nicht nur auf das Reiten auswirken, sondern auch in anderen Lebensbereichen, da ihnen der Erfolg durch das Reiten zeigt, dass sie trotz ihrer körperlichen Beeinträchtigung etwas erreichen können. Somit wird die Persönlichkeitsentwicklung positiv beeinflusst. Der Patient entdeckt neue Interessen, seine Umwelterfahrung wird durch die neue Umgebung erweitert und darüber hinaus wird soziales Verhalten geübt, da sich die Therapie in einer Interaktion zwischen Therapeut, Pferd und Patient abspielt.
Laut Jochheim und van der Schoot wird die Motivation eines Patienten bei keiner anderen Therapie- Methode so erreicht wie bei der Therapie mir bzw. auf dem Pferd. So wird aus einer Therapie, die sich hauptsächlich um die Verbesserung der physischen Behinderung konzentriert, eine Therapie die „nebenbei“ die personale und soziale Integration der Klienten fördert.
(vgl. Jochheim/ van der Schoot 1981, S. 360)
Der Behindertenreitsport richtet sich an Menschen mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung oder mit einer Sinnesschädigung. Das Hauptziel dieses Sports ist die soziale Integration geistig behinderter Menschen.
Diese Menschen können mit einer besonderen Ausstattung und Sicherung an dem Tuniersport der Reiterei teilnehmen. Für die meisten von ihnen stellt es kein Problem dar, das Reiten oder Fahren zu erlernen. Blinde Reiter nutzen akustische Hilfen, geistig Behinderte sowohl optische als auch Akustische. Auf den Rollstuhl Angewiesene lenken für ihre Bedürfnisse umgebaute Wagen. Selbst Schwerbehinderte können mit besonderen Hilfsmittel und gut geschulten Pferden am Reitsport teilnehmen.
Der Behindertenreitsport ist deshalb so besonders, da er eines der wenigen Sportarten ist, den Behinderte und Nicht- Behinderte gemeinsam ausüben können und mehr oder weniger gleichberechtigt gegeneinander in Turnieren starten können. (1976 war das erste Turnier im Reitzentrum Weißer Bogen, wo behinderten Reitern keine Gutpunkte gegeben wurden und sie somit in gleicher Konkurrenz zu den nicht- behinderten Reitern starteten (vgl. Vogel 1987, S. 32f)). Somit bietet der Behindertenreitsport gute Voraussetzungen der sozialen Integration. Hier fühlen sich körperlich oder geistig behinderte Menschen nicht ausgeschlossen oder als Randgruppe, wie sie es so oft in unserer Gesellschaft erleben. Auch in diesem Bereich der Reittherapie gibt es eine Wechselwirkung zwischen personaler und sozialer Integration. Die personale Integration wird dadurch angesprochen, dass das Reiten den körperlich und geistig behinderten Teilnehmern Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen gibt, vor allem wenn sie wettsportlich Erfolg haben.
Genauso wie Nichtbehinderte erleben gehandicapte Menschen diesen Sport als befriedigendes, erfüllendes Hobby und als Möglichkeit zu sozialen Kontakten.
Zusätzlich bietet sich ein Ausgleich von behinderungs- bedingter Bewegungsarmut.
Beim Reiten erleben sie ungehinderte Bewegungsfreiheit auf "vier gesunden Beinen"
(vgl. http://www.dkthr.de/Therapie/Behindertensport.html, Stand 04/2006)
Das heilpädagogische Reiten/ - Voltigieren kann, eine pädagogische, psychologische, psychotherapeutische, rehabilitative und sozio-integrative Hilfe sein und ist somit die bestmögliche Förderung der personalen und sozialen Integration und eine vielseitige Unterstützungsmöglichkeit für die sozialen Arbeit. Die individuelle und soziale Entwicklung von verhaltensauffälligen, lern- oder geistig behinderten sowie psychisch kranken und abhängigen Menschen wird günstig beeinflusst und gefördert.
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