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Gangland Deutschland

Wie kriminelle Banden unser Land bedrohen

AutorStefan Schubert
Verlagriva Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783864133992
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Bandenkriege um Territorien und kriminelle Geschäftsfelder kannte man bisher fast nur aus amerikanischen Metropolen wie Los Angeles. Doch es gibt sie längst auch in Deutschland, die Gangs und Banden, die tödliche Revierkämpfe austragen, mit Drogen handeln, Schutzgeld erpressen und Zuhälterei betreiben: die Black Jackets, die United Tribuns, die Satudarah und die Red Legion zum Beispiel. Einen zusätzlichen Brennpunkt bilden Mitglieder türkisch-libanesisch-arabischer Großfamilien wie des sogenannten Miri-Clans, die sich einen blutigen Kampf mit der gewaltbereiten Rockerszene um die Vormachtstellung im Milieu liefern. Der ehemalige Polizist, angesehene Rockerexperte und Bestsellerautor Stefan Schubert stellt erstmals diese neu gebildeten kriminellen Gruppierungen in den Fokus der Öffentlichkeit und enthüllt brisante Insiderinformationen. Gangland Deutschland schildert die Entstehungsgeschichte der bedeutenden Gangs in Deutschland, beschreibt ihre Besonderheiten und rekonstruiert die begangenen Straftaten und Territorialkriege. Zudem wird aufgezeigt, wie Innenminister und Justiz angesichts dieser neuen Kriminalitätswelle versagt haben und welch verheerende Auswirkungen das auf den sozialen Frieden in unserer Gesellschaft hat.

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Leseprobe


2. Kapitel
Black Jackets vs. United Tribuns


Krieg im Rotlicht


Rund um den Schwarzwald trafen die Machtblöcke mehrerer Gangs und Rockerclubs schließlich aufeinander. Die Gangstrukturen hatten sich so weit etabliert und durchgesetzt, dass ein hoher Polizeifunktionär sie als »Staat im Staat« bezeichnete. Der Kampf der Banden um Macht und Geld, um mehr Männlichkeit und territoriale Ansprüche eskalierte.

Umkämpft waren neben Pforzheim vor allem Villingen-Schwenningen – die Gründungsstadt und Machtbastion der United Tribuns – und das davon nur 20 Kilometer entfernte Rottweil. Die Kreisstadt, etwa 90 Kilometer nördlich von Stuttgart gelegen und 73 n. Chr. von den Römern gegründet, ist eigentlich eher beschaulich. Da die Gangmitglieder die Straßen jedoch zunehmend in ein Kolosseum mit Gladiatorenkämpfen verwandelten, änderte sich die Atmosphäre in der Schwarzwaldregion erheblich.

Die Bürger hatten Angst. Die Behörden, die ihren gesamten Fokus auf die Verfolgung der Rockerkriminalität gelegt hatten, standen der neuen Ganggewalt völlig hilf- und ahnungslos gegenüber. Die Polizeidienststellen waren nicht in der Lage, auf neue Chapter-Gründungen zu reagieren, da sie oftmals nichts davon mitbekamen und, wie sich in den späteren Gerichtsverhandlungen herausstellte, deren führende Köpfe nicht identifizieren konnten. Um präventiv zu arbeiten oder sich den Gangs gar abschreckend entgegenzustellen, fehlten der Polizei sowohl personell als auch fachspezifisch die Möglichkeiten. Während in Amerika und in Skandinavien landesweit und bis in die tiefste Provinz hinein Sondereinheiten aufgestellt und die Polizisten vor Ort zusätzlich geschult wurden, um beispielsweise die Zahlencodes, Symbole, Organigramme und Tätowierungen in ihrer Bedeutung richtig erkennen zu können, tappten ihre deutschen Kollegen weitestgehend im Dunkeln. Die Fokussierung der Polizeieinheiten auf die großen Rockerclubs hatte letztlich ein Machtvakuum in Teilen des Rotlichtmilieus zur Folge – und genau dort hinein stießen die Gangs.

 

Die Polizei konnte auf die Entwicklungen in der Stadt schließlich nur noch notdürftig reagieren. Im Dezember 2010 griffen in Pforzheim 20 Mitglieder der United Tribuns vier Gangmember der Black Jackets in einem Auto an. Während die Black Jackets von einem Türken gegründet wurden und entsprechend eine türkisch dominierte Gang sind, gehen die Tribuns auf die Tatkraft eines Bosniers zurück, der mehrheitlich Landsleute, kurdischstämmige Männer und ehemalige Bewohner der Balkanstaaten um sich scharrte. Diese ethnischen Rivalitäten heizten den Gangkrieg um die Vormachtstellung noch weiter an.

Die Attacke vom Dezember 2010 erfolgte auf dem zentralen Waisenhausplatz mitten in der Stadt. Die 210er stellten sich den Angreifern, machten sich gerade, wie es auf der Straße heißt, und alarmierten ihre Gang, die umgehend die Operation Gegenschlag organisierte. Die Black Jackets nutzten den Angriff ihrer Rivalen für eine Machtdemonstration, wie sie niemand für möglich gehalten hätte. Nicht weniger als 400 Kämpfer strömten aus allen Himmelsrichtungen zusammen, um Rache an den verhassten Feinden zu nehmen. Dem hohen Organisationsgrad der Gang hatte die örtliche Polizei nichts entgegenzusetzen, es gelang in dieser Nacht lediglich, 100 zusammengewürfelte Beamte auf die Straße zu bringen. Dies reichte nur für Kontrollstellen und Gefährderansprachen. Die wenigen Führungspersonen der Gang, die der Polizei bekannt waren, wurden vor einer weiteren Eskalation und persönlichen Konsequenzen gewarnt. Dies hinterließ insofern Eindruck, als die Gangster sich aus ihrer Anonymität gerissen fühlten und eine Rund-SMS an ihre Soldaten verschickten, mit der Aufforderung, »die Füße still zu halten«.

Der Bandenkrieg wurde vertagt.

 

In der Folgezeit häuften sich die Hinweise, dass die Gangs sich im Untergrund immer größere Waffendepots angelegt hatten. Im ­August 2011 durchsuchten Spezialkräfte die Wohnung des ehemaligen Vizepräsidenten der Black Jackets Pforzheim. Ein 52-jähriger Mann, wie der Vizepräsident ebenfalls türkischstämmig, wanderte unter dem Verdacht in Untersuchungshaft, die Black Jackets mit Waffen beliefert zu haben. Die Polizei beschlagnahmte mehrere scharfe Schusswaffen und eine abgesägte Schrotflinte – eine Lupara (dt.: Wolfstöter), die ursprünglich von italienischen Hirten zur Abwehr von Wölfen eingesetzt, dann aber von der Mafia für blutige Mordanschläge verwendet wurde, da sie leicht zu transportieren und verbergen war. Ihr abgesägter Lauf hat eine verheerende Streuwirkung der Schrotladung zur Folge, die im Nahkampf absolut tödlich ist. Die Bewaffnung der Gangs nahm bedrohliche Züge an.

Molotowcocktails


Die sich selbst als eine Türstehervereinigung bezeichnenden multinationalen United Tribuns waren nicht bereit, die Ausdehnung der Black Jackets in die Schwarzwaldregion, auf ein von ihnen selbst beanspruchtes Territorium zu dulden. Die Gründung des Black-Jackets-Chapters in Rottweil sorgte von Anfang an für böses Blut. Wie noch in weiteren Städten sollte sich in Rottweil herausstellen, das eine friedliche Koexistenz von Black Jackets und United Tribuns in einer Stadt schlicht nicht möglich war. Zu groß waren die Machtansprüche der Gangs, der Glaube an die eigene Stärke und der Wille, jede Tätigkeit im Monopol zu betreiben. Dazu kam die Konkurrenzsituation bei der Rekrutierung von neuen Männern des gleichen Typs: Bodybuilder, Kampfsportler und Türsteher, vornehmlich mit Migrationshintergrund.

Besonders auf den 23-jährigen Vizepräsidenten des neuen Chapters hatten es die Tribunes abgesehen, da sie ihn als die führende Kraft der Rottweiler Jackets ansahen. Auf einem Supermarktparkplatz passten sie ihn zahlenmäßig überlegen ab und forderten ihn zu einem Kampf Mann gegen Mann. Gladiatorenehre hin oder her, der Herausgeforderte verweigerte sich mit dem Hinweis auf eine ältere Verletzung und wurde sogleich mit Hohn und Spott überschüttet und als Weichei verhöhnt. Dass diese Demütigungen via Handykamera ins World Wide Web gestellt wurden, machte die Blamage öffentlich und komplett. Denn das vorherrschende Macho- und Imponiergehabe, die totale Überinterpretation von Ehre und Respekt in diesen Männerbünden ließ sich mit seinem Verhalten nicht in Einklang bringen. Niemand verweigerte einen Kampf.

Der Gedemütigte sann auf Rache und hoffte auf Wiederherstellung seines Ansehens in der Gang. Auch auf Facebook eskalierte der Konflikt der Gangs. Nachdem man sich eine Weile gegenseitig beleidigt und einander gedroht hatte, posteten die Black Jackets schließlich eine eindeutige Kriegserklärung: ein Bild zweier Jackets, vermummt mit Sturmhauben, einer mit einer Schusswaffe bewaffnet, die er nach unten auf eine Art Firmenschild mit Logo der verfeindeten Gang hält. Das Foto kursiert bis heute auf Facebook und im Internet.

 

Die Lage spitzte sich zu. Offensichtlich verfügte jedoch das neu gegründete Rottweiler Chapter noch nicht über genügend Autorität innerhalb der Black Jackets, um die Entscheidung über Krieg oder Frieden allein fällen zu können. Die Rottweiler Führung entschloss sich deshalb, beim mächtigen und wegen zahlreicher Gewalttaten auffällig gewordenen Stuttgarter Chapter vorzusprechen, das auch die Expansion nach Rottweil vorangetrieben hatte. Die geplante Ver­geltungsaktion barg die Gefahr, einen bundesweiten Gangkrieg aus­zulösen.

Um die genauen Abläufe im Stuttgarter Clubhaus zu rekonstruieren, benötigten unterschiedliche Gerichte mehr als ein Dutzend Verhandlungstage. Letztendlich wurde folgender Sachverhalt festgestellt: Der 23-jährige Stuttgarter Black-Jackets-Präsident, ein in Deutschland aufgewachsener Iraker, soll dem Vorschlag des Rottweiler Vize­präsidenten zugestimmt haben, einen Brandanschlag auf das United-Tribuns-Clubhaus in Deißlingen-Lauffen zu verüben. Allerdings stellte der Stuttgarter Präsident von vornherein klar, dass aus seiner Stadt keinerlei personelle Verstärkung zu erwarten sei, da sich nach dem Überfall auf die verfeindete Esslinger Gang La Fraternidad noch 21 Mitglieder seiner Gang in Untersuchungshaft befanden, darunter auch sein Bruder. Er regte jedoch an, dass für die geplanten Molotowcocktails am besten Bierflaschen mit langen Lunten herzustellen seien und dass für die Durchführung keine »echten« Black Jackets benutzt werden sollten, also keine Vollmitglieder, sondern junge Burschen aus Tuttlingen, die ganz unten in der hierarchischen Rangfolge der Gang standen.

Gerade bei den jungen Mitgliedern kommt oft ein fatales Gefühl der Verbundenheit zum Tragen, eine Gangehre, der zufolge niemals ein Befehl verweigert werden darf. Da zudem beim Nachwuchs eine extrem hohe Fluktuation herrscht, ist es oftmals nur Zufall, wer zum Zeitpunkt einer bestimmten Aktion gerade für wenige Wochen oder Monate in der Gang verweilt, und so entscheidet nicht selten die Fügung, ob ein junger Kerl die nächsten Jahre in Freiheit oder im Knast verbringt. Oder um es mit den Worten Goethes auszudrücken: »Das Schicksal ist ein mieser Verräter.«

 

Einer dieser Nachwuchssoldaten war ein 25-jähriger Deutschtürke, der als Prospect vor dem Stuttgarter Clubhaus warten musste, während im »Member-Raum« die Führung der Black Jackets die Entscheidung traf, die das Leben aller Beteiligten verändern sollte.

Acht junge Männer, darunter vier weitere Deutschtürken, besorgten sich schließlich falsche Alibis für die Tatzeit und taten dann, was ihnen aufgetragen worden war. Sie...

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