Der Begriff „E-Book“, der als Abkürzung für das englische Wort „electronical book“ steht, wird laut Reclams Sachlexikon des Buches sowohl für die technischen Lesegeräte als auch für die elektronische Fassung von Büchern verwendet.[83] Da die aktuell gängige Branchenmeinung in Deutschland darunter in der Regel Letzteres versteht[84] und E-Books bisher in der Regel nur eine weitere Verwertungsform von Inhalten neben Hardcover- und Taschenbuch-ausgabe darstellen, erscheint folgende Definition für die vorliegende Arbeit sinnvoll: Ein E-Book ist die digitale Ausgabe eines gedruckten Buchs, die als Datei vorliegt und für deren Nutzung ein elektronisches Lesegerät mit entsprechender Lesesoftware benötigt wird.
Als digitales Informationsgut verfügen E-Books über besondere Eigenschaften, die nach den in Kapitel 2 beschriebenen ökonomischen Gesetzmäßigkeiten zu Marktversagen führen und eine Preisgestaltung analog zu physischen Gütern nicht ermöglichen.[85] Zudem stellen E-Books eine Innovation dar,[86] die zum Erreichen einer Marktdurchdringung eine andere Preisstrategie erfordern als etablierte Produkte. In den folgenden zwei Abschnitten wird daher auf die Spezifika von E-Books als digitales Informations- und Innovationsgut eingegangen.
Nach Linde ist ein Informationsgut „alles, was in digitaler Form vorliegt oder vorliegen könnte und von Wirtschaftssubjekten als nützlich vermutet wird“[87]. Dabei bestehen Informationsgüter immer aus dem Inhalt und einem Trägermedium,[88] sodass diese Definition auch auf gedruckte Bücher zutrifft. Für E-Books gilt darüber hinaus die Einschränkung, dass sie als digitale Güter ausschließlich in Form immaterieller Binärdaten vorliegen.[89] Einige der nachfolgend beschriebenen Eigenschaften gelten dementsprechend auch für gedruckte Bücher, jedoch verstärkt sich ihre Wirkung bei E-Books wegen deren Immaterialität.
Unabhängig von ihrer Ausgabeform gelten Bücher als Erfahrungsgüter, da der Konsument ihren Wert erst nach der Nutzung einschätzen kann. Ohne diese Kenntnis hat er jedoch Schwierigkeiten, vor dem Kauf eine Zahlungsbereitschaft für das Gut zu entwickeln. Um dieses Informationsparadoxon zu überwinden, kann der Anbieter beispielsweise mit kostenfreien Leseproben oder Rezensionen einen Anhaltspunkt zur Qualität des Buchs liefern. Anhand dessen kann der Nachfrager beurteilen, ob das Buch über ein seiner Meinung nach angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis verfügt.[90]
Aufgrund ihrer digitalen Beschaffenheit können E-Books einfach, schnell und ohne Qualitätsverlust reproduziert werden.[91] Das hat für den Anbieter zwar erhebliche Vorteile bei der Produktion, birgt aber die Gefahr einer kostenfreien Verbreitung des E-Books. Damit wird es zum öffentlichen Gut, von dessen Nutzung niemand ausgeschlossen werden kann. Dieser Umstand wird von der Nicht-Rivalität des Konsums begünstigt, da das E-Book auch nach wiederholter Benutzung die gleiche Qualität aufweist wie zu Beginn.[92]
Weiterhin können digitale Güter ohne großen Aufwand verändert werden. Dadurch sind Aktualisierungen oder die Erstellung unterschiedlicher Versionen zur Preisdifferenzierung kostengünstig möglich.
Der Einsatz technischer oder rechtlicher Schutzmaßnahmen kann eine missbräuchliche Verwendung dieser Eigenschaften unterbinden, sodass für den Verlag die Vorteile, insbesondere aus Kostensicht, überwiegen. Dazu trägt auch die Kostenstruktur digitaler Informationsgüter bei, die sich stark von materiellen Gütern unterscheidet. Üblicherweise fallen für jede hergestellte Einheit variable Kosten für Produktion, Lagerung und Distribution an. Bei gedruckten Büchern liegt dieser Anteil durchschnittlich bei 23 % der Gesamtkosten.[93] Für E-Books hingegen entstehen, wie eben aufgezeigt, nur marginale Grenzkosten für Vervielfältigung und Vertrieb. Den Großteil stellen die Fixkosten dar, die für die Herstellung des ersten Exemplars notwendig sind.[94] Zu diesen sogenannten First-Copy-Costs zählen insbesondere Lektorats- und Satzkosten.[95]
Aus dem Verhältnis fixer und variabler Kosten ergibt sich im E-Book-Markt die unternehmerische Zielsetzung, eine möglichst hohe Menge abzusetzen, da keine Kapazitätsbeschränkungen vorhanden sind und durch die Fixkostendegression die Durchschnittskosten pro Stück sinken. Nach der Preis-Absatz-Funktion, die in Kapitel 2.1 vorgestellt wurde, können höhere Absatzmengen insbesondere durch niedrigere Verkaufspreise realisiert werden. Zudem legen die vorgestellten Produktspezifika den Schluss nahe, für eine marktgerechte Preisgestaltung den Kostenfokus zugunsten einer Nachfrageorientierung zu reduzieren.
Das wichtigste Merkmal zur Einordnung einer Innovation ist ihr Neuheitsgrad, der aus Konsumentensicht wahrgenommen wird.[96] Dieser bezieht sich bei unterhaltenden E-Books vor allem auf eine veränderte Nutzung, also das Lesen in digitaler Form. Das ursprüngliche Konzept, das Bedürfnis nach Unterhaltung durch Lesen zu befriedigen, bleibt dabei erhalten. Daher können E-Books als architekturale Innovation bezeichnet werden, deren Neuheitsgrad vor allem von einer veränderten Anwendung gekennzeichnet ist.[97] Während E-Books im wissenschaftlichen Bereich schon länger eingesetzt werden, sind sie im Belletristiksegment erst durch die Entwicklung geeigneter Lesegeräte populär geworden. Deren Verbreitung stellt deshalb eine wesentliche Voraussetzung dar, um eine Marktdurchdringung für E-Books zu erzielen.
Für den Verlauf des Diffusionsprozesses ist nach Rogers das Erreichen der kritischen Masse entscheidend, die sich aus den Innovatoren und frühen Adoptoren als ersten Nutzern[98] zusammensetzt (vgl. Abbildung 2).[99] Die Unternehmensberatung Kirchner + Robrecht schätzte den Anteil dieser beiden Gruppen in Bezug auf E-Book-Reader auf 3 Millionen Menschen.[100]
Stellt man dieser Annahme die aktuellen Verkaufszahlen der GfK gegenüber, die im Januar 2012 1,6 Millionen verkaufte Geräte in Deutschland meldete,[101] wird deutlich, dass die Diffusion von E-Books noch nicht abgeschlossen ist und in den nächsten Jahren mit einem hohen Marktwachstum aufgrund einer steigenden Anzahl an E-Book-Nutzern zu rechnen ist.[102] Dabei spielen preispolitische Überlegungen eine wichtige Rolle, denn aufgrund der fehlenden Erfahrung des Konsumenten mit der Innovation bestehen Unsicherheiten bezüglich der Zahlungsbereitschaft.[103] In dem Fall werden häufig Preise ähnlicher Produkte als Referenz herangezogen.[104] Bei E-Books wird sich demzufolge höchstwahrscheinlich an den Preisen gedruckter Bücher orientiert und eine positive Kaufentscheidung erfolgt nur dann, wenn der zu zahlende Preis die Preiserwartung nicht übersteigt.
Abbildung 2: Idealtypischer Diffusionsverlauf von Innovationen[105]
Vergleicht man das Marktwachstum von E-Books in verschiedenen Ländern, zeigt sich, dass die Diffusion in Ländern mit hohem Preisniveau deutlich langsamer verläuft als in denen mit günstigeren Preisen.[106] Zwar beeinflussen auch andere Faktoren, wie die Innovationsneigung oder das Traditionsbewusstsein, den Diffusionsverlauf, allerdings wird vermutet, dass niedrigere Preise auch in Deutschland die Ausbreitung von E-Books beschleunigen würden. Eine solche Penetrationsstrategie birgt jedoch das Risiko, dass sich diese Niedrigpreise als Referenz in der Wahrnehmung des Konsumenten etablieren und damit ihre Zahlungsbereitschaft für E-Books dauerhaft auf diesem Niveau liegt.[107] Zukünftige Preiserhöhungen, beispielsweise für leistungsfähigere Produkte, wären dann nicht mehr möglich. Daher versuchen die Verlage zurzeit ein hohes Preisniveau für E-Books zu etablieren, an das sich der Kunde langfristig gewöhnen soll. Zu hohe Preise können allerdings zu einer Ablehnung seitens der Käufer führen, sodass sich die Innovation im Markt nicht durchsetzt.[108] Demnach ist es für den Erfolg eines Produkts entscheidend, von Beginn an einen angemessenen Preis zu fordern, da sowohl zu niedrige als auch zu hohe Preise auf lange Sicht negative Auswirkungen haben. Wie ein solch angemessener Preis für E-Books aussehen könnte, wird in Kapitel 5 dargelegt.
Wie im vorangegangenen Abschnitt aufgezeigt, ist der deutsche E-Book-Markt für...