Das Rating hat seinen Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts trat dort der Begriff im Zusammenhang mit der Bonitätseinstufung von Schuldnern auf.[33] Im Zuge der Industrialisierung und der damit verbundenen expandierenden Wirtschaft bestand frühzeitig der Bedarf einer Orientierungshilfe bei der Aufnahme von Kreditbeziehungen.[34] Ratings stellten eine Form von Kreditauskünften dar, die eine Bewertung der Bonität von Kaufleuten ermöglichen sollten.[35]
Die drei bekannten und angesehenen Ratingagenturen Moody´s, Standard & Poor`s und Fitch Ratings begannen bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit der Bewertung von einzelnen Wertpapieren.[36] Die Ergebnisse ihrer Analyse- und Bewertungstätigkeit wurden schon damals in regelmäßigen Abständen veröffentlicht und den Interessenten zur Verfügung gestellt. Das Commercial Credit Rating kann entsprechend als direkter Vorläufer des heutigen Credit Rating angesehen werden.[37] Den Kern des damals neu entstandenen Kapitalmarkts der Vereinigten Staaten von Amerika bildeten Eisenbahn- und Regierungsanleihen. Unternehmen und Staaten finanzierten sich ab nun nicht mehr ausschließlich über Bankkredite, sondern es wurde neben der traditionellen Form der Kapitalbeschaffung das Fundament des heutigen Kapitalmarkts geschaffen.[38] In den zwanziger Jahren wuchs mit Beginn der Industrialisierung in den Vereinigten Staaten der Bedarf an Fremdkapital und damit auch das Anleihevolumen. Diese Entwicklung begünstigte die Expansion der Ratingagenturen und die Erweiterung ihres Aufgabenspektrums.[39] Des Weiteren konnte mit dem Aufschwung des Rating-Markts ein Anstieg der Marktteilnehmer verzeichnet werden und damit unmittelbar eine Erhöhung der Attraktivität der Finanzmärkte.[40]
Zusätzlich förderlich für die Entwicklung des Ratingmarkts war die Übernahme des Ratingschemas von John Moody durch die anderen Agenturen, wodurch eine gewisse Vergleichbarkeit der Ratings entstand.[41]
Das Rating wurde im Laufe der Zeit immer wieder neu an die veränderten Anforderungen angepasst. Durch den Prozess der wirtschaftlichen Weiterentwicklung der letzten Jahrzehnte, verbunden mit dem Wandel der Finanzierungsmöglichkeiten von Unternehmen wird immer häufiger die Finanzierung über den Kapitalmarkt anstelle von Bankkrediten gewählt, wodurch die steigende Bedeutung der Finanzmärkte offensichtlich wird.[42] Die zunehmende Globalisierung der letzten Jahre hat ebenfalls zu der Entwicklung beigetragen, welche zu einer Verzahnung der weltweiten Geld-, Kredit und Kapitalmärkte führte.[43]
Das Rating hat insbesondere auf den amerikanischen Finanzmärkten einen hohen Stellenwert, gewinnt jedoch auch in Europa zunehmend an Bedeutung. Durch die Einführung des Euros und dem Wegfall des Währungsrisikos in weiten Teilen Europas wird die Bonität des Schuldners zum zentralen Entscheidungskriterium für grenzüberschreitende Investitionen in Europa.[44] Durch diese Entwicklung haben international tätige Agenturen ihre Präsenz im europäischen Raum ausgebaut.[45]
Was ist ein Rating?
Aufgrund der weitreichenden Bedeutung eines Rating ist zunächst die Definition des Ratingbegriffs erforderlich. Der Begriff Rating wird von dem englischen Verb to rate abgeleitet und bedeutet einschätzen bzw. bewerten. Von einem Rating spricht man gewöhnlich dann, wenn ein Untersuchungsobjekt hinsichtlich einer bestimmten Zielsetzung bewertet und in eine ordinale Rangordnung gebracht wird.[46] Heute findet der Begriff in jeder erdenklichen Art von Leistungsbewertung Anwendung, beispielsweise bei der Klassifizierung von Hotels, der Ermittlung von Einschaltquoten oder der Einstufung von Sportlern.[47]
In der Praxis des Bank- und Börsenwesens wird dem Begriff Rating jedoch in aller Regel die Bedeutung des Credit Rating zugeordnet.[48] Ziel ist die Beurteilung der Bonität einer Anleihe oder anderer Forderungsrechte, verbriefter Wertpapiere, sowie deren Emittenten (Staaten, Unternehmen).[49] Ratings haben je nach Untersuchungsobjekt, Zielsetzung und Auftraggeber unterschiedliche Gestaltungsformen. Im Folgenden werden einige für diese Arbeit relevante Arten erläutert.
Das Credit Rating kann sich einerseits auf einen bestimmten Emittenten, andererseits auch auf einen genau definierten Finanztitel beziehen.
Das Rating des Emittenten[50] repräsentiert ein allgemeines Urteil über dessen Fähigkeit, die mit den von ihm ausgegebenen Finanztiteln verbundenen Zahlungsverpflichtungen rechtzeitig und im vollen Umfang erfüllen zu können.[51] Es ermöglicht dem Benutzer eine schnelle (Grob-) Orientierung über die Bonität eines Emittenten, sowie einen unkomplizierten Vergleich verschiedener Emittenten.[52] Auch beim Unternehmensrating wird das Unternehmen als Ganzes auf die Wahrscheinlichkeit von zukünftigen Zahlungsausfällen oder -verzögerungen beurteilt.[53] Daher werden beide Begriffe in dieser Arbeit nicht weiter unterschieden.
Das Emissionsrating gibt die Fähigkeit und rechtliche Bindung eines Schuldners wieder, Zins und Tilgung einer bestimmten Schuldverschreibung zu bedienen.[54] Das Rating einer Emission wird in hohem Maße von der Bonität des Emittenten bestimmt. Dennoch können sich einzelne Anleihen desselben Unternehmens in ihrem Rating durchaus unterscheiden. Das liegt daran, dass sich Emissionen eines Unternehmens in der Besicherung, der Erst- oder Nachrangigkeit und zusätzlichen Rechten oder Bedingungen für Zins- und Tilgungszahlungen unterscheiden können.[55] Da das Emissions- und Emittentenrating zusammen unter den Begriff Credit rating fallen und beide Ratingarten meist zusammen dokumentiert sind, wird das Emissionsrating in dieser Arbeit an mancher Stelle am Rande mitbehandelt. Es stellt jedoch keinen wesentlichen Bestandteil der Arbeit dar.
Um ein so genanntes Solicited Rating handelt es sich, wenn die Ratingagentur von einem Unternehmen durch die Erteilung eines Mandats beauftragt wird. Diese Vorgehensweise findet in der Praxis häufiger Anwendung.[56] Geht die Initiative für ein Rating dagegen direkt von der Ratingagentur oder einem möglichen Geldgeber aus, handelt es sich um ein Unsolicited Rating.[57] In diesem Fall versucht die Ratingagentur Kontakt mit dem Emittenten aufzunehmen, um neben den öffentlich zugänglichen Informationen weitere für die Bonität relevante Daten zu erhalten.[58] Es hat sich am Markt allerdings der falsche Eindruck festgesetzt, dass nicht-beantragte Ratings, gleichzeitig auch ohne die Mitwirkung des Emittenten zustande kommen. Tatsächlich haben jedoch in den meisten Fällen die Emittenten aktiv am Ratingprozess mitgewirkt.[59] Verweigert das Unternehmen dennoch die Mitarbeit, kann die Agentur auf keine internen Daten zugreifen, weshalb die Aussagekraft eines solchen Rating i.d.R. geringer eingeschätzt wird.[60]
Im Bereich des Emissionsrating wird zusätzlich zwischen kurzfristigen und langfristigen Ratings[61] unterschieden.[62] Forderungstitel mit einer Laufzeit bis zu einem Jahr, wie z.B. Commercial Paper, kurzfristige Bankdepostitionen oder andere Geldmarktinstrumente, werden mit einem sogenannten kurzfristigen Rating versehen.[63] Für diese Ratings verwendet Moody´s die sog. Prime-Ratingsymbole. Für eine Emission mit einer höheren Laufzeit als 1 Jahr wird ein langfristiges Rating erstellt, für welches die gleichen Ratingsymbole wie die des Emittentenratings verwendet werden. [64]
Das Ergebnis eines Rating wird in Form eines Ratingsymbols zusammengefasst.[65] Die Symbolik der heute gebräuchlichen Ratingskala geht auf John Moody zurück. Die damals willkürlich gewählten Symbole haben sich in der Finanzwelt als eine eigene Finanzsprache durchgesetzt.[66] Die Symbole reichen bei Moody´s von Aaa, für Emittenten mit bester Qualität über diverse Zwischenstufen bis C, für Unternehmen mit geringster Bonität und hohem Ausfallrisiko.[67] Die folgende Grafik stellt die Ratingsymbole[68] der...