Im dritten Kapitel werden die Hauptursachen für die derzeitigen und zukünftigen Probleme bei der Suche eines Nachfolgers dargestellt. Diese Darstellung erfolgt aus verschiedenen Perspektiven. Im ersten Unterkapiteln (3.1) wird gezeigt, wie sich die Demografie und die Bevölkerungsstruktur innerhalb Deutschlands entwickeln und welche Auswirkungen diese Entwicklung auf die Gesamtanzahl der möglichen Nachfolger hat. Das zweite Unterkapitel (3.2) definiert den Begriff der Selbständigkeit und versucht die geringe Risikoneigung und die daraus resultierende geringe Selbständigenquote der Bundesbürger zu erklären. Im Unterkapitel 3.3 wird gezielt auf die direkten Probleme bei der Nachfolgeplanung des Alteigentümers eingegangen.
Durch die Darstellung der Hauptprobleme des Alteigentümers, seien sie persönlich und direkt oder einfach aufgrund einer allgemeinen Entwicklungstendenz innerhalb der Bevölkerung, soll auf die vorhandenen Problematik, nämlich einen geeigneten Nachfolger zu finden, hingewiesen werden. Kumuliert auf die große Masse, der in den nächsten Jahren anstehenden und altersbedingten Generationenwechsel, kann dieses individuelle Problem auch schnell zu einem Problem für die ganze Volkswirtschaft und Gesellschaft werden. Laut einer Studie des Bonner Instituts für Mittelstandsforschung liegt die Zahl der Unternehmen, die bis zum Jahr 2009 einen Nachfolger suchen bei etwa 350.000 Unternehmen. Die Zahl von Unternehmen, die das Nachfolgeproblem in dieser Zeit nicht lösen können, liegt laut derselben Studie bei circa 28.000 Betrieben.[26] Die Folgen dieser Entwicklung sind der Verlust von vielen Tausend Arbeits- und Ausbildungsplätzen, das Ausbleiben von Investitionen und der enorme Verlust von Erfahrungswissen, um nur einige wenige zu nennen. Daher betrifft die Problematik indirekt auch jeden einzelnen von uns. Darüber hinaus stellt dieser Mangel an Nachfolgern aber auch eine große Chance für eine Vielzahl von möglichen Existenzgründern dar. Diese oftmals bessere Alternative in Bezug auf die Existenzgründung wird in den nachfolgenden Kapiteln genauer erläutert.
Bevölkerungen ändern sich in ihrer Größe und Struktur. Menschen kommen zur Welt, sterben oder wechseln ihren Wohnort. Für die Untersuchung der demografischen Entwicklungen in Deutschland sind daher besonders die Geburtenraten, die Sterberaten sowie die Bilanz von Zu- und Abwanderungen von Bedeutung.[27] Diese drei Faktoren und die zukünftige Bevölkerungsprognose werden hier kurz erläutert:
a) Die Entwicklung der Geburtenrate (Fertilität)
In der Demografie wird für das Ereignis des Geborenwerdens der Begriff Fertilität verwendet. Fertilität im demografischen Sinn meint hierbei nicht die rein biologische Fähigkeit Kinder zu zeugen und auszutragen, sondern die tatsächliche Realisierung von Nachkommen. Als Ergebnis kommt es zu einer effektiven Populations-veränderung.[28] Die Fertilität gilt als treibende Kraft der demografischen Dynamik, allerdings ist festzustellen, dass kein westlicher Industriestaat gegenwärtig noch eine Fertilität oberhalb des Bestandserhaltungsniveaus hat. In einer Vielzahl anderer Länder hingegen lässt sich eine Fertilität feststellen, die über diesem Niveau liegt. Bedenkt man, dass die Erziehung von Kindern zunächst einmal mit erheblichen Kosten verbunden ist, so müssten wohlhabende Länder, da sie über mehr finanzielle Mittel verfügen, höhere Fertilitätsraten aufweisen. Diese Situation wird auch als demografisch-ökonomisches Paradoxon bezeichnet.[29] Für das Phänomen des Geburtenrückgangs gibt es eine Vielzahl möglicher Erklärungen. "Neben persön-lichen Gründen dürften eine geringere Kindersterblichkeit infolge verbesserter medizinischer Versorgung, die fortschreitende Emanzipation der Frau, besseres Wissen zur Empfängnisverhütung und die Verwendung von Antirezeptiva zumindest teilweise zur geringeren Fertilität beigetragen haben, da hierdurch wesentlich der soziokulturelle Zusammenhang zwischen Ehe, Sexualität und Reproduktion entkoppelt wurde."[30]
Weitere Erklärungsansätze liefert die ökonomische Theorie der Fertilität. Sie unterstellt, dass das Fertilitätsverhalten formal das Ergebnis einer Nutzen-maximierung bei gegebener Budgetrestriktion darstellt. Unter Vernachlässigung emotionaler Bindungen stiften Kinder sowohl Nutzen, als auch Kosten. Die Veränderung der Rahmenbedingungen hat nun dazu geführt, dass sich dieses Optimum, welches einst über dem Bestandserhaltungsniveau lag, verschoben hat.[31] Die wichtigsten Gründe hierfür sind zum einen die Übertragung sozialer Pflichten von der Familie auf den Staat, wodurch sich der Nutzen eigener Kinder als Absicherung für Not, Krankheit und Ruhestand erheblich verringert hat. Zum anderen haben sich die Einkommens- und Erwerbschancen für Frauen wesentlich verbessert, was die direkten Opportunitätskosten der Kindererziehung erhöht hat. Aber auch die nicht-monetären Opportunitätskosten sind gestiegen, da aufgrund des Wertewandels und der erhöhten Erwerbsbeteiligung der Frauen, die Geburt von Kindern die Freizeitgestaltung, sowie die Karriere- und Arbeitsgestaltung zusätzlich eingeschränkt hat. Einfach ausgedrückt kann man auch von einer Dichotomie zwischen Einkommen und Zeit sprechen: "Höheres Einkommen, wenn es denn konsumiert werden soll, verknappt und verteuert die einzig nicht vermehrbare Variable Zeit und erhöht somit die Opportunitätskosten der Beschäftigung mit Kindern."[32] Allerdings ist die Theorie der Fertilität nicht vollständig in der Lage, die Entscheidung für oder gegen Kinder zu erklären. Denn ein wesentlicher Aspekt ist hierbei der Einfluss der Liebe. Und dieser entzieht sich zweifellos dem ökonomischen Kalkül.[33]
b) Die Entwicklung der Sterberate (Mortalität) und der Lebenserwartung
Der Tod als das Ende des weltlichen Lebens ist für den Einzelnen eine unabwägbare Größe, betrachtet man aber eine große Gesamtheit, etwa die Bevölkerung eines ganzen Landes, dann erweist sich die Mortalität als ein perfekter Anwendungsfall des Gesetzes der großen Zahl. Mit dem Parameter Mortalität wird also das Eintreten von Sterbefällen anhand verschiedener Verfahren gemessen.[34]
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zählten in Deutschland noch parasitäre und infektiöse Krankheiten zu den häufigsten Todesursachen. Diese konnten aber durch Fortschritte in der Medizin und verbesserte hygienische Maßnahmen zurückgedrängt werden. Einerseits verringerte sich dadurch die Säuglingssterblichkeit und andererseits stieg die Überlebenswahrscheinlichkeit von Kleinkindern an. Damit sank aber nicht nur die Sterberate bei der jungen Bevölkerung, sondern auch die der älteren Bevölkerung.[35] In Deutschland und den meisten anderen industrialisierten Ländern ist die Lebenserwartung in den vergangenen 160 Jahren kontinuierlich gestiegen. Weitere Gründe dafür waren insbesondere auch steigender Wohlstand, bessere Bildung, gesündere Ernährung und humanere Arbeitsbedingungen mit geringerem körperlichem Verschleiß.[36]
Der Anstieg der Lebenserwartung in Verbindung mit der verringerten Sterblichkeitsrate hält voraussichtlich auch zukünftig noch weiter an. Die zu erwartenden medizinischen Entwicklungen in der Prävention, der Diagnose und der Therapie von tödlichen Alterskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Krankheiten, Krebs oder degenerativen Erkrankungen stützen nicht die verbreitete Annahme, dass sich die Zuwächse in der Lebenserwartung verlangsamen werden. Für das Jahr 2050 geht das statistische Bundesamt je nach Szenario von einer durchschnittlichen Lebenserwartung bei den Männern zwischen 78,0 und 83,9 Jahren aus. Bei den Frauen liegt die projektierte Lebenserwartung für dasselbe Jahr zwischen 84,8 und 87,9 Jahren.[37]
c) Die Entwicklung der Zu- und Abwanderungen (Migration)
Der dritte Parameter der demografischen Dynamik ist die Migration. Bei der Migration kann zunächst zwischen Binnen- und Außenwanderungen unterschieden werden. Die Außenwanderungen können seit Ende des zweiten Weltkrieges in vier Phasen eingeteilt werden. Zwischen 1945 und 1960 waren es zuerst die guten Zukunfts-aussichten und die Flüchtlingswelle, welche die Menschen nach Westdeutschland lockten. Die zweite Phase folgte dann zwischen 1961 und 1973 mit dem Wirtschaftswunder, denn der hohe Bedarf an Arbeitskräften führte zu einem enormen Zuzug an Gastarbeitern, die vornehmlich aus den südeuropäischen Ländern kamen. In Folge der ersten Ölkrise 1973 kam es zu einem Anwerberstopp und einem geringen, bisweilen sogar negativen Wanderungssaldo. Diese dritte Phase dauerte bis etwa 1987. Mit dem Umbruch der Ostblockstaaten im Jahre 1988 folgte die vierte Wanderungsphase. Hierbei waren es vor allem Übersiedler, Aussiedler und Bürgerkriegsflüchtlinge, die nach Deutschland kamen und zunächst zu sehr hohen, später abnehmenden Wanderungssalden führten. Mit der Verabschiedung des Asylverfahrensgesetzes im Jahr 1993 kam es zu erheblich geringeren Wanderungssalden, so dass hier von einer fünften Phase gesprochen werden kann. Die Betrachtung der letzten Jahrzehnte zeigt, dass das...