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Dystopien in aktueller Kinder- und Jugendliteratur und als Thema im Deutschunterricht: Suzanne Collins' Die Tribute von Panem

AutorEva Wiemers
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl62 Seiten
ISBN9783955497545
FormatPDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Der Erfolg der dystopischen Jugendbuchreihe 'Die Tribute von Panem' hat dem Buchmarkt in den letzten Jahren eine wahre Schwemme von ähnlich orientierten Titeln beschert. Obwohl in der Presse stark diskutiert, wurde das Phänomen der dystopischen Kinder- bzw. Jugendliteratur in der literaturwissenschaftlich-didaktischen Forschung bisher noch wenig behandelt. Ausgangspunkt dieser Studie ist daher die Frage, wie sich 'Die Tribute von Panem' exemplarisch für die Gattung der Dystopie im Deutschunterricht behandeln lässt. Es wird untersucht, inwieweit tradierte Muster des Erwachsenenliteratur-Genres Dystopie auch in Texten für Kinder und Jugendliche verwendet werden. Außerdem wird aufgezeigt, welche Grenzen dieser Übertragung durch den Adressatenwechsel gesetzt sind. Eingebettet ist die Untersuchung in eine historische Begründung der Gattung Dystopie und die Beschreibung des Genres der Kinder- und Jugendliteratur. Auf der Grundlage dieser Voruntersuchungen ist eine Ideensammlung entstanden, die vielfältige Ansätze für die Umsetzung von 'Die Tribute von Panem' vornehmlich im Deutschunterricht der Unterstufe aufzeigt.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 4, Kind- und jugendgemäße Umsetzung dystopischer Merkmale in Die Tribute von Panem: Nachdem im ersten Teil der Analyse die zentralen dystopischen Merkmale in Die Tribute von Panem herausgearbeitet wurden, soll nun ein genauerer Blick auf die Umsetzung der Gattung Anti-Utopie für die jugendlichen Leser in dieser Trilogie gerichtet werden. Ausgangspunkt ist die von Hans-Heino Ewers dargestellte Norm der Kind- und Jugendgemäßheit, innerhalb derer von einer Anpassung der literarischen Texte auf den jugendlichen Empfänger ausgegangen wird. Diese Anpassung beschreibt Ewers genauer unter dem Begriff der Akkomodation. Welche Textebenen mit diesem Begriff erfasst werden, soll anschließend erläutert werden. Hieraus ergibt sich dann das Analyseinstrumentarium, mit dem die Untersuchung der Panem-Trilogie in Bezug auf die Kind- bzw. Jugend-Adäquatheit erfolgen soll. Neben den sprachlichen Mitteln und der formalen Gestaltung soll auch die Ebene des Inhalts, die thematische Gestaltung und die Ebene der Bewertung miteinbezogen werden. Die Ebene des Paratextes wird vernachlässigt, da die Betrachtung dieses Aspekts nur fruchtbar im Hinblick auf eine allgemeine kind- und jugendgemäße Umsetzung der Trilogie, nicht jedoch im Bezug auf den dystopischen Aspekt ist. Eine spezifische äußere Gestaltung der Titel dieses Genres lässt sich nicht ausmachen. 4.1, Kind- und Jugendgemäßheit als literarische Norm: 4.1.1, Definition: Die Umsetzung von Merkmalen bestimmter Gattungen der Erwachsenenliteratur in einem Buch für jugendliche Leser erfordert eine adressatengerechte Anpassung. In der KJL-Forschung wurde dazu von Hans-Heino Ewers der Begriff der Kind- und Jugendgemäßheit geprägt. Dabei handelt es sich um eine präskriptive Norm, eine normative Setzung, durch die sich KJL genauer bestimmen lassen soll. Mit der Aufstellung dieser Norm wird die Forderung erhoben, dass 'die von der Kinder- und Jugendliteratur übermittelten Botschaften [...] auf den kindlichen und jugendlichen Empfänger hin abgestimmt sein' sollen und es wird von KJL als 'Zielgruppenliteratur' ausgegangen. Dabei spielen verschiedene Aspekte auf Seiten der der jugendlichen Leser als Empfänger eine wichtige Rolle. Beim Verfassen des Textes muss der Autor nicht nur das sprachliche und intellektuelle Vermögen seiner potentiellen Leser, sondern auch deren literarische Decodierungsfähigkeit und ihre aktuellen Bedürfnisse und Interessen berücksichtigen. Diese Aspekte der Kind- und Jugendgemäßheit lassen sich unter zwei umfassendere Begriffe subsumieren. Die ersten drei Aspekte gehören zum Bereich der Textverständlichkeit, wohingegen die Interessen und Bedürfnisse unter das Merkmal der Textattraktivität fallen. Um die Norm der Kind- und Jugendgemäßheit erfüllen zu können, muss folglich bei der Verfassung der Texte eine Anpassung an die spezifische Leserschaft erfolgen. Der für diesen Prozess zunächst von Brüggemann 1967 vorgeschlagene und von Klingberg in den 1970er Jahren aufgenommene Begriff der Adaption wird von Ewers kritisiert und schlüssig durch den Begriff der Akkommodation ersetzt. Unter dem Begriff der kinder- und jugendliterarischen Akkommodation ist demnachdie Anpassung des - als geeignete Kinder- und Jugendlektüre angesehenen - Literaturangebots (als variablem Subjekt) an den kindlichen und jugendlichen Leser (als feststehender Umwelt) zu verstehen. Eine Akkommodation ist [allerdings] nur dort erforderlich, wo zwischen dem gegebenen literarischen Angebot und den kindlichen und jugendlichen Lesern Unangemessenheitbesteht, eine Kind- und Jugendgemäßheit also nicht anders denn mittels einer Abweichung vom ´normalen´ literarischen Regelsystem zu erlangen ist. Besonders der letzte Aspekt ist wichtig für die Betrachtung von Kind- und Jugendgemäßheit. Es können nach dieser Definition auch solche Textelemente und -merkmale als kind- und jugendgemäß identifiziert werden, die allgemeinliterarische Konventionen beibehalten. Es sind also nicht per se Abweichungen von den allgemeinliterarischen Gesetzmäßigkeiten, eben Akkommodationen, erforderlich, um einen Text an den präsumtiven Leser anzupassen. 4.1.2, Ebenen der Akkommodation: Mit Rücksicht auf das Sprachvermögen der jüngeren Leserschaft erfolgt wie beschrieben in Texten für Kinder und Jugendliche häufig, aber nicht zwingend, eine Reduktion, d.h. eine Akkommodation der sprachlichen Mittel, um Kind- und Jugendgemäßheit zu erreichen. Das kann sowohl im Bereich der Morphologie, als auch der Syntax, der Redeformen und der Semantik geschehen. Es erfolgt eine Abstimmung auf die Sprachkompetenz der Altersgruppe der angesprochenen Leserschaft. Zusätzlich zu der Anpassung im sprachlichen Bereich grenzt Ewers davon den Bereich des Stils ab, der jedoch die selbe sprachliche Ebene betrifft. Ewers definiert die stilistische Rede als 'eine gewisse Anzahl von Regelabweichungen von den alltagssprachlichen Normen' und sieht in der Anpassung durch stilistische Akkommodation eine 'sekundäre, eine[...] kunstmäßige Formierung der Alltagssprache'. Diese lasse sich häufig in Form von kinder- und jugendliterarischen Gattungsstilen ausmachen, da 'sich diese Stile doch in der Regel nicht über die gesamte Literaturart, sondern nur über einzelne ihrer Gattungsbereiche' erstrecke. Um kindlichen und jugendlichen Einstellungen und Haltungen Ausdruck zu verleihen, ist laut Ewers jedoch zumeist keine Akkommodation des Stils notwendig, da sich in der allgemeinliterarischen Kindheits- und Jugenddichtung bereits Redestile dieser Art finden lassen und nur aufgegriffen werden müssen. Anders verhält es sich mit der formalen Gestaltung des Textes. Auf dieser Ebene, die die 'Gesamtheit aller formalen oder strukturellen Aspekte des Textes, soweit diese einen satzübergreifenden Charakter aufweisen', also die literarischen Bauformen und Darstellungstechniken umfasst, werden häufig Akkommodationen vorgenommen, um die Literatur kind- und jugendgemäß zu gestalten. Damit wird zum einen den eingeschränkteren Verarbeitungskompetenzen der jungen Leserschaft Rechnung getragen und zusätzlich der Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeit. Diese Anpassung kann bei epischen und dramatischen Texten beispielsweise im Bereich des Figurenensembles, der Handlungsstruktur, der Handlungsdarbietung und dem Grad der Handlungsbetontheit, also dem Anteil erörternder Passagen erfolgen. Auch die Form der Redewiedergabe und die Wahl der Erzählperspektive kann zu einer Kind- und Jugendgemäßheit des Textes beitragen. Die Anpassung im formalen Bereich trägt also nicht nur zur besseren Verständlichkeit, sondern auch zur Verstärkung der Attraktivität eines kinder- und jugendliterarischen Textes für seine potentielle Leserschaft bei. Allgemein betrachtet lässt sich feststellen, dass eine formale Akkommodation häufig auf der Reduktion allgemeinliterarischer Bauformen basiert. Allerdings kann die Betonung ungebräuchlicher allgemeinliterarischer Techniken, wie beispielsweise eine direkte Leseransprache in kinder- und jugendliterarischen Texten, eine formale Akkommodation bewirken.
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