Aufgrund der übergeordneten Anwendung des Europäischen Kartellrechts in Form des EGV soll das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) an dieser Stelle nicht separat behandelt werden. Vielmehr ist eine Zusammenfassung und bei Bedarf eine Trennung von Besonderheiten der beiden Gesetze anzustreben.
Am 01. Juli 2005 ist die 7. GWB – Novelle in Kraft getreten. Damit wurden die Vorgaben der Europäischen Kommission in Form der Verordnung VO 1/2003 und des neuen Kartellrechts des EG – Vertrages im deutschen Recht ratifiziert. Durch die Neuerungen reduzierte sich der Bürokratieaufwand und die Möglichkeiten der Ahndung gegen Wettbewerbsverstöße wurden erweitert. Welche Rolle das deutsche Kartellrecht bei einem übergeordneten europäischen Recht einnimmt und in welchem Verhältnis es Anwendung findet, wird im folgenden Kapitel erläutert. Dabei soll auf eine detaillierte Darstellung der beiden Gesetze verzichtet werden, und hauptsächlich die Stellung und die Unterschiede beider zueinander herausgearbeitet werden. Obwohl das GWB an Bedeutung gegenüber dem europäischen Kartellrecht verloren hat, soll es dennoch erläutert werden, um auf die, gerade nach der Novellierung, bestehende Anwendbarkeit und die parallele Existenz neben dem EGV didaktisch hinzuweisen und Unterschiede aufzeigen zu können. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass einige Bearbeitungen, die sowohl für das GWB als auch für das EU - Kartellrecht von Belang sind, erst im europäischen Rechtsgebiet ihre Erläuterung finden, da das deutsche dem europäischen Recht untergeordnet ist.
Die Bedeutung des GWB ergibt sich aus dem Zweck dieses Gesetzes, der nach dem Bundesministerium für Wirtschaft folgendermaßen definiert wird:
„Zweck des GWB ist es, die Freiheit des Wettbewerbs zu schützen, um den Erhalt eines marktwirtschaftlich – wettbewerblichen Wirtschaftssystems für alle Marktteilnehmer zu sichern, die individuelle Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer zu gewährleisten und wirtschaftliche Macht zu begrenzen.“[28]
Für die Zielsetzung der Freiheit des Wettbewerbs werden drei elementare Teile des GWBs genutzt. Das ist zum einen eine zentrale Verbotsvorschrift, die sich im § 1 GWB ausdrückt, zum anderen bestimmte Verbote einseitiger Handlungen der §§ 19 bis 21 GWB. Die Regeln der Zusammenschlusskontrolle, in den §§ 35 bis 43 GWB geregelt, komplettieren diese Zielverfolgung.[29]
Durch den § 2 GWB wird die Verbotsvorschrift des § 1 GWB dahingehend gelockert, als dass Vereinbarungen, die aus Sicht des deutschen Gesetzgebers und der europäischen Kommission den Wettbewerb in den Mitgliedstaaten fördern und Ziele durch Wettbewerbsbeschränkungen besser und schneller erreichen, von dem Tatbestand des grundsätzlichen Verbotes ausgenommen sind. Diese Zielstellung verläuft parallel zu den Zielen der Europäischen Kommission, zur Verbesserung des Wettbewerbs und zum Schutz des Verbrauchers. Ferner wurde das deutsche Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen dahingehend an das europäische Kartellrecht angeglichen, als dass die Anmelde- und Genehmigungspflicht für wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen aufgehoben wurde.
Durch die umfassenden Reformen des Kartellrechts der Europäischen Kommission und die Einführung von neuen Gruppenfreistellungsverordnungen sowie der Neugestaltung des Verfahrensrechts VO 1/2003 wird dem europäischen Kartellrecht eine höhere Bedeutung zuteil. Die zentrale Verbotsvorschrift des EGV bezüglich des Kartellrechts ist der Artikel 81 EGV in den Absätzen 1 über das Verbot von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen und Absatz 3 über die Voraussetzungen von Freistellungen von diesem Verbot. Daneben wird in Artikel 82 EGV das Verbot einer marktbeherrschenden Stellung normiert. Diese Anspruchsgrundlagen regeln das Wettbewerbsrecht mit seinen weiteren Rechtsfolgen für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Durch nationale Anpassungen der verschiedenen Mitgliedstaaten an die jeweiligen Gesetze der Kommission kommen nunmehr die Regelungen des europäischen Gesetzes immer stärker zur Geltung. Vor allem die Abschaffung des Freistellungsmonopols der europäischen Kartellbehörden und die Einführung des Systems der Legalausnahme führen zu einer dezentralen Durchsetzung der Wettbewerbsnormen durch die nationalen Kartellbehörden.[30]
Im § 1 GWB a.F. war das Merkmal der „miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen“ zu finden, welches wiederum den § 1 GWB nur auf horizontale Vereinbarungen anwendbar machte. Dieser Tatbestand wurde durch die Novelle 2005 behoben, da solch ein Merkmal im Artikel 81 EGV nicht zu finden ist. Daraus folgend gilt § 1 GWB nun sowohl für horizontale als auch vertikale Vereinbarungen und führt zum grundsätzlichen Verbot dieser. Ebenfalls nicht mehr im Gesetz verankert ist die Spürbarkeit, also die Außenwirkung, die jedoch weiterhin als ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal weitergeführt wird, da nur Wettbewerbsbeschränkungen, die am Markt eine gewisse Relevanz erreichen, verboten sind. Die Marktrelevanz ist dann zu verneinen, wenn die Marktgegenseite keine Veranlassung dazu hat, gegen erkennbare Vereinbarungen vorzugehen oder es nur theoretische Auswirkungen gäbe. Bei der Spürbarkeit gilt die Unterscheidung hinsichtlich Qualität und Quantität.[31]
Das Kartellverbot richtet sich gegen alle natürlichen und juristischen Personen als Unternehmen oder Unternehmensvereinigung, jedoch nicht gegen Privatpersonen als Endverbraucher, denn diesen gilt der Schutz der Wettbewerbsregeln. Der Unternehmensbegriff i.S.d. GWB ergibt sich aus der Anwendung des so genannten funktionalen Unternehmensbegriffes, bei dem es bedeutsam ist, wie der Zusammenhang des Gesetzes und der Sinn und Zweck des GWB ausgelegt werden soll. Da im EGV eine Definition des europäischen Unternehmensbegriffes nicht verankert ist, wird er autonom, unter Beachtung des Zweckes des Artikels 81 EGV, ausgelegt. Durch eine weite Auslegung und der Anlehnung an den funktionalen Unternehmensbegriff kann er national wie international wie folgt definiert werden: [32]
„Der Begriff des Unternehmens umfasst jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung.“[33] „Eine wirtschaftliche Tätigkeit ist jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten.“[34]
Dabei ist die Absicht der Gewinnerzielung nicht beachtlich, sondern die aktive Teilnahme am Wirtschaftsleben. Somit werden alle rechtlich selbständigen Träger des Privatrechts und des öffentlichen Rechts unter dem funktionalen Unternehmensbegriff zusammengefasst. Weiterhin werden auch Sonderfälle genannt, die berücksichtigt werden müssen. So werden grundsätzlich private Haushalte abgegrenzt, welche nur dann als Unternehmen angesehen werden, wenn die Nachfrage dieser entsprechend über die normaler Haushalte hinausgeht. Das ist der Fall bei der Teilnahme mit ihrer Leistung am Wirtschaftsverkehr oder der Wettbewerb zu anderen Unternehmen. Weiterhin stellen potenzielle Unternehmen, also Unternehmen die momentan zwar nicht am Markt präsent sind, aber die Möglichkeit besitzen, am Markt teilzunehmen oder die Produktion wieder aufnehmen können, sowie Unternehmen der öffentlichen Hand, Sonderfälle dar. Nach § 130 Absatz 1 Satz 1 GWB fallen Unternehmen, die im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, ebenfalls unter die Bestimmung des Kartellverbotes. Somit gelten juristische Personen des öffentlichen Rechts als Unternehmen.[35] Die Betrachtung von z.B. Krankenkassen als Unternehmen ist jedoch kritisch zu sehen, wenn sie ihr Handeln nach dem Solidaritätsgrundsatz organisieren. Hierzu hat sich der EuGH bereits in verschiedenen Urteilen geäußert, sowohl für als auch gegen eine solche Behandlung als Unternehmen.[36] Ebenfalls zur Gruppe der Unternehmen sind freiberufliche Tätigkeiten und Unternehmensvereinigungen, wenn sie aus Unternehmen bestehen, zu zählen. Bei Unternehmensvereinigungen kommt es dabei auf eine Ausübung einer Tätigkeit nicht an. Sobald eine wirtschaftliche Tätigkeit zu verzeichnen ist, ist die Vereinigung als Unternehmen anzusehen.
Das Wesen der Vereinbarungen wird in der Rechtsprechung des EuGH weit ausgelegt und beinhaltet somit echte Verträge im Zivilrechtssinn, als auch Absprachen und einseitige Vereinbarungen mit einer Bindungswirkung. Für die Gemeinschaftsgerichte und deren ständige Rechtsprechung ist eine Vereinbarung zustande gekommen, wenn die Parteien „ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten.“[37] Bei Vereinbarungen im Vertragssinn handelt es sich um mindestens zwei übereinstimmende Willenserklärungen, die auf eine bestimmte Rechtsfolge gerichtet sind. Hier ist die konkludente Einigung in den Vordergrund zu setzen, da...