Der Begriff Adoleszenz stammt vom lateinischen „adolescentia“ und wurde in Rom für die Altersgruppe zwischen 17 und 30 Jahren verwendet (vgl. DE VIT/VAN DER VEER, 1982, S. 13).
Während der Begriff Adoleszenz in den Niederlanden einer einfachen Definition zugeordnet wird, finden sich in der deutschen Literatur noch differenzierte Bezeichnungen hierfür. REMPLEIN (1958) erklärt die Präpubertät als eine Phase, die mit einer starken Unausgeglichenheit verbunden ist; die Pubertät als jene, die vor allem durch den Aufbau der Persönlichkeit gekennzeichnet ist, und die Adoleszenz als den Abschnitt, „der durch eine Periode erhöhter Labilität eingeleitet wird und dann den Abschluss der Persönlichkeitsentwicklung sowie die Orientierung auf einen Beruf enthält“ (REMPLEIN, 1958, in DE VIT/VAN DER VEER, 1982,S. 13).
BLOS (1992, S. 24) sieht die Adoleszenz als Summe aller Anpassungsversuche der Pubertät an die neuen inneren und äußeren (endogenen und exogenen) Situationen, mit denen das Individuum konfrontiert wird. Von einer Adoleszenz spricht BAACKE (1993, S. 36) dann, wenn die sozialen und emotionalen Folgen der Pubertät noch nicht beendet sind. Denn es ist nicht nur das Ereignis der Pubertät gemeint, sondern ein längerer und gedehnter Zeitraum einer Altersgruppe, die unter dem Begriff „Jugendliche“ zusammengefasst wird. Sowohl in der Medizin als auch in der Psychologie, der Soziologie, der Pädagogik, der Biologie und der Rechtswissenschaft ist jedoch keine einheitliche Definition zu finden (vgl. OERTER/MONTADA, 2002, S. 259). Da verschiedene soziale Gebiete die Adoleszenz nach unterschiedlichen Leistungskriterien und Normen bewerten, bestehen unterschiedliche Definitionen der Adoleszenz in Bezug auf verschiedene Altersabgrenzungen.
Beginn und Ende der Adoleszenz sind allerdings nicht genau zu bestimmen. Es existieren mannigfache Auffassungen hinsichtlich der zeitlichen Abgrenzung der Adoleszenz. PEARSON (1958) vertritt die Meinung, dass die Adoleszenz mit physiologischen Veränderungen einsetzt, die schließlich zur Geschlechtsreife führen. HURLOCK (1967) und BAACKE (1993, S. 38) dagegen nehmen die körperlichen Symptome als Grenzzeichen, aus denen Geschlechtsreife sichtbar wird, während JOSSELYN (1952), STONE und CHURCH (1957) die Phase beschleunigten Längenwachstums als Kriterium wählen (vgl. in DE WIT/VAN DER VEER, 1982, S. 14).
In dieser Lebensphase nehmen soziale, biologische und psychische Veränderungen gegenseitig Einfluss aufeinander. Sie ist der Abschnitt zwischen Kindheit, Pubertät und Erwachsensensein, in der kindliche Verhaltensformen aufzugeben und die Aufgaben und Merkmale Erwachsener anzunehmen sind. HALL fasst die Adoleszenz als eine Sturm-und-Drang-Periode auf, als eine Zeit extremer Ausprägungen des Erlebens und Verhaltens, die von innerpsychischen Spannungen und interpersonellen Konflikten begleitet werden (vgl. in OERTER/MONTADA, 2002, S. 262).
Die Adoleszenz wird von Entwicklungspsychologen gerne als eine „Übergangsphase“ bezeichnet. Damit ist der Interimsstatus gemeint, den der Jugendliche einnimmt, wo er teils wie ein Kind seinen Status noch von seinen Eltern herleitet und teils seine eigenen Beiträge zu den Veränderungen leistet (vgl. AUSUBEL, 1954, in DE WIT/VAN DER VEER, 1982, S.14). Es ist jedoch eine schwache bzw. unzureichende Charakterisierung, wenn man die weit umfassende, vielfältige Veränderungsdynamik der Adoleszenz in Betracht zieht.
Es gibt viele Autoren, die den Abschnitt der Adoleszenz bis zum 24. oder gar 25. Lebensjahr ausdehnen. Viele sehen die Zeit allerdings zwischen dem 12. und dem 22. Lebensjahr. HALL ist der Auffassung, dass sich die Adoleszenz vom 11./13. bis zum 22./25. Lebensjahr ausdehnt. Trotz der mannigfachen Annahmen lässt sich nicht eindeutig feststellen, mit welchem Alter die Adoleszenz beginnt und mit welchem Alter sie erreicht wird.
Aus den vorangegangenen Begriffsbestimmungen lässt sich ableiten, dass die Adoleszenz nach unterschiedlichen Ansatzpunkten interpretiert wird und die Definition somit nicht leicht fällt. Dennoch steht fest, dass die Adoleszenz die Zeit zwischen der „vollen Kindheit“ und dem „Erwachsensein“ darstellt, in der auf biologisch-somatischer Ebene Veränderungen mit der Umstrukturierung interpersoneller Beziehungen einhergehen, schulische und berufliche Entwicklungsbereiche gegenüber dem familiären Umfeld in den Vordergrund treten und in der sich durch den Übertritt in einen anderen Lebensbereich neue Handlungserfordernisse und Handlungsmöglichkeiten ergeben (vgl. LIEPMANN/STRIKSRUD, 1985, S. 5).
In den 30er und 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde das Konzept der Entwicklungsaufgaben von HAVIGHURST und seinen Kollegen an der Universität von Chicago entwickelt. Dementsprechend stellen Entwicklungsaufgaben Lernaufgaben dar, wobei die Entwicklung als Lernprozess verstanden und als „eine Entwicklung aufgefasst wird, die sich über die gesamte Lebensspanne erstreckt, und im Kontext realer Anforderungen zum Erwerb von Fertigkeiten und Kompetenzen führt, die zur konstruktiven und zufrieden stellenden Bewältigung des Lebens in einer Gesellschaft notwendig sind“ (OERTER/MONTADA, 2002, S. 268). Heranwachsende werden in ihrem Leben mit kulturell und gesellschaftlich vorgegebenen Erwartungen und Anforderungen konfrontiert, denen sie sich stellen müssen, um diese zu bewältigen.
Das von HAVIGHURST in den 40er Jahren entwickelte Modell der Entwicklungsaufgaben erscheint in diesem Zusammenhang besonders wichtig. Deswegen wird darauf genauer Bezug genommen.
HAVIGHURST definierte das Konzept der Entwicklungsaufgaben und stellt das Leben als eine Folge von Problemen dar. Jeder einzelne Mensch muss sich gegen diese Probleme stellen und versuchen sie zu bewältigen.
Im Folgenden werden die Entwicklungsaufgaben nach HAVIGHURST dargestellt, die den Lebensabschnitt der Adoleszenz kennzeichnen:
Erwerb der männlichen bzw. weiblichen Geschlechterrolle
Aufbau neuerer und reiferer Beziehungen zu Gleichaltrigen beiderlei Geschlechts
Akzeptanz der eigenen körperlichen Erscheinung und effektive Nutzung des Körpers
Erlangen der emotionalen Unabhängigkeit von Eltern und anderen Erwachsenen
Vorbereitung auf Heirat und Familienleben
Vorbereitung auf eine berufliche Karriere
Erreichen eines sozial verantwortlichen Verhaltens
Errichten einer eigenen Werteskala und eines eigenen ethischen Systems und danach leben; Entwicklung einer Ideologie
(vgl. REMSCHMIDT, S. 1992, 139 f.).
Die Entwicklungsaufgaben der Adoleszenz können jedoch auch in Verknüpfung mit den Aufgaben der mittleren Kindheit (6-12 Jahre) oder im frühen Erwachsenenalter (18-30 Jahre) auftreten. Somit kann die Adoleszenz als Resultat der Kindheit und zugleich als Determinante für die folgenden Lebensabschnitte betrachtet werden.
Abbildung 1: Entwicklungsaufgaben der Adoleszenz nach Havighurst - dargestellt unter der Perspektive des Übergangs zwischen Kindheit und frühem Erwachsenenalter (vgl. DREHER/DREHER, 1985b, S. 59, in OERTER/MONTADA, 2002, S. 270).
Im Folgenden wird darauf eingegangen, wie Jugendliche die Entwicklungsaufgaben in ihrem Leben bewältigen und Probleme bzw. Anforderungen, die daraus entstehen, angehen und mit sich vereinbaren können.
Zur Bewältigung der Entwicklungsaufgaben sind Kompetenzen notwendig, die teilweise auf die in der Kindheit entwickelten Fähigkeiten aufbauen, und welche, die in der Adoleszenz neu errungen werden. Neue Ansichten, Strategien und Strukturierungen sind für eine positive Weiterentwicklung unumgänglich.
OLBRICH (1984, in REMSCHMIDT, 1992, S. 141) beschreibt ein Modell namens Coping, das sich mit der Bearbeitung von Herausforderungen oder belastenden Veränderungen beschäftigt. Übersetzt heißt Coping so viel wie bewältigen. OLBRICH (1984) beschreibt das Coping als einen Prozess, in dem man versucht eine konstruktive Anpassung zu erreichen. Diese Anpassung hat zur Folge, dass der Jugendliche in eine Lage versetzt wird, in der er die Probleme zu bewältigen hat. Dadurch entsteht ein positives Gefühl, es zu können und der Situation „gewachsen“ zu sein, was eine große Rolle bei der Stärkung des Heranwachsenden spielt.
Der Copingprozess erfolgt in drei Phasen. Im ersten Schritt (primary appraisal) steht die subjektive Einschätzung der Situation im Vordergrund, wobei affektive und kognitive Komponenten mitbewertet werden. Im zweiten Teil (secondary appraisal) werden die eigenen Mittel und...