Das Beschwerdemanagement im genossenschaftlichen Bankensektor ist durch zwei Säulen gekennzeichnet: Einerseits durch die Bearbeitung durch die Genossenschaftsbanken selbst (bankinternes Beschwerdeabhilfeverfahren) und andererseits durch die außergerichtliche Streitschlichtung (Ombudsmannverfahren).
Ziel der Bank muss es sein, die unzufriedenen Kunden zur Beschwerdeäußerung zu bewegen, um damit andere Arten von Kundenreaktionen zu reduzieren.[68] Die Bank muss also das Unzufriedenheitspotential so beeinflussen, dass es sich als Beschwerde niederschlägt.[69] Dabei stellen sich zwei zentrale Fragen:
a) Wie bringt man einen unzufriedenen Kunden zur Äußerung einer Beschwerde?
b) Wie steuert die Bank eine eventuelle Zunahme von Beschwerdeäußerungen nach Einführung eines Beschwerdemanagements?
Auf diese beiden Fragen soll im Folgenden näher eingegangen werden:
a) Wie bringt man einen unzufriedenen Kunden zur Äußerung einer Beschwerde?
Zuerst muss man zur Beantwortung dieser Frage klären, warum sich Kunden trotz wahrgenommener Probleme nicht bei ihrer Bank beschweren. Zahlreiche Studien lieferten dabei das Ergebnis, dass sich die meisten Kunden nicht beschweren, weil
sie den damit verbundenen Zeitaufwand und die Kosten scheuen (z.B. Brief schreiben, Porto- oder Telefonkosten);
sie nicht wissen, wohin sie sich mit ihrer Beschwerde wenden sollen und wie sie die Beschwerde anbringen sollen;
sie den mit der Beschwerde verbundenen Ärger scheuen (unangenehme Gespräche, Korrespondenzen);
sie die Erfolgsaussichten der Beschwerde als zu gering betrachten.[70]
Es liegt nun an der Bank, den Kunden die Abgabe einer kritischen Äußerung zu erleichtern. Dies kann z.B. durch folgende Beschwerdemöglichkeiten geschehen:
Einführung von Anregungs- und Meinungskarten[71], auf denen der Kunde sowohl positive als auch negative Erfahrungen mit der Bank niederschreiben kann;
Anbringung von Anregungs- und Meinungskästen für die Anregungs- und Meinungskarten und andere schriftliche Äußerungen;
Im Rahmen einer Kundenbefragung könnte sich die Bank nach einer eventuellen Unzufriedenheit des Kunden erkundigen und ggf. die Gründe dafür erfragen;
Einrichtung eines gebührenfreien Beschwerdetelefons;
Führen von Diskussionsrunden mit ausgewählten Kundengruppen;
Hinweis auf das Ombudsmannverfahren z.B. durch Überreichung einer Kundenbroschüre, wenn für die Bank ersichtlich ist, dass eine Beilegung der Meinungsverschiedenheit mit dem Kunden unwahrscheinlich ist.[72]
b) Wie steuert die Bank eine eventuelle Zunahme von Beschwerdeäußerungen nach Einführung eines Beschwerdemanagements?
Würde die Bank die zuvor beispielhaft aufgezeigten Beschwerdemöglichkeiten sämtlichen Kunden gleichzeitig zur Verfügung stellen, wären die Auswirkungen auf das Beschwerdevolumen kaum kalkulierbar. Aus diesem Grund sollte die Bank schrittweise vorgehen.[73] Bei dieser Verfahrensweise ergibt sich auch der Vorteil, dass die Wirkung der jeweils eingesetzten Beschwerdeinstrumente besser kontrolliert werden kann. Die Bank kann zudem noch Änderungen vornehmen, wenn die einzelnen Beschwerdemöglichkeiten nicht den gewünschten Erfolg bringen.
Für den Anfang sollte sich die Bank darauf konzentrieren, eingehende Beschwerden konsequent zu bearbeiten, ohne Kunden aktiv auf Beschwerdemöglichkeiten hinzuweisen. Hierbei muss die Bank organisatorische und personelle Voraussetzungen schaffen, um die Beschwerden zeitnah und unbürokratisch bearbeiten zu können.[74] Wenn die Bank dieses Ziel erreicht hat, dürfte sich ein gewisser Multiplikatoreffekt einstellen, d.h. dass bisher zurückgehaltene Beschwerden an das Kreditinstitut herangetragen werden könnten, weil sich die ernsthafte Auseinandersetzung der Bank mit Beschwerden unter den Kunden herumgesprochen hat.[75]
In einem zweiten Schritt sollte die Bank die Kunden aktiv auf Beschwerdemöglichkeiten hinweisen. Hierbei sollte sie jedoch nicht sämtliche Kunden gleichermaßen ansprechen, sondern den Kreis potentieller Beschwerdeführer vorerst einschränken.[76] Dazu bieten sich verschiedene Möglichkeiten:
Beschränkung der Maßnahmen auf Pilotstellen: Die Bank setzt die Beschwerdeinstrumente zunächst nur in einer bzw. in mehreren Geschäftsstellen ein, um einen Eindruck von der Kundenresonanz zu bekommen.
Gezielte Kundenansprache: Einer begrenzten Anzahl von Kunden wird durch eine persönliche oder schriftliche Kundenansprache die Gelegenheit gegeben, sich über positive und negative Erfahrungen mit der Bank zu äußern. Da der Bank jeder Kunde namentlich bekannt ist, kann ganz gezielt über die verschiedenen Beschwerdemöglichkeiten informiert werden.
In einem dritten Schritt sollte die Bank eine Umsetzung der gewünschten Maßnahmen im gesamten Haus bzw. bei sämtlichen Kundengruppen anstreben.[77] Generell sollte die Bank jedoch darauf achten, dass das Angebot an Beschwerdemöglichkeiten nicht zu groß ist, da dem Kunden sonst suggeriert werden könnte, dass es eine Vielzahl von Beschwerdeanlässen geben muss und er konsequent danach suchen solle.
„Unter dem Begriff Beschwerdereaktion werden alle Aktivitäten des Beschwerdemanagements zusammengefasst, die der Kunde während der Beschwerdeabwicklung wahrnimmt und die sich deshalb unmittelbar auf seine Beschwerdezufriedenheit auswirken.“[78] Um das Ziel zu erreichen, einen positiven Effekt zu erzielen und den Kunden zufrieden zu stellen, muss die Beschwerdebearbeitung äußert genau geplant und abgestimmt werden.[79] Oftmals findet eine unkoordinierte Bearbeitung der Beschwerden durch die unterschiedlichsten Bereiche der Bank statt, wobei zudem ein einheitlicher Bearbeitungsstandard fehlt.[80] Daraus resultiert in vielen Fällen eine niedrige Zufriedenheit der Kunden mit der Bearbeitung der Beschwerde.[81]
3.1.2.1. Analyse der Ausgangssituation
Die Bank muss für eine erfolgreiche Beschwerdereaktion klare Zuständigkeiten und Richtlinien für die Bearbeitung schaffen.[82] Dazu muss sie jedoch zunächst erst einmal die aktuelle Ist-Situation im Unternehmen analysieren und feststellen, wie und in welchem Umfang bisher die Kundenbeschwerden abgewickelt werden. Nach einer solchen Analyse können dann organisatorische Zuständigkeiten und eine kundenorientierte Bearbeitung festgelegt werden.
3.1.2.2. Regelung der organisatorischen Zuständigkeit für die Beschwerdebearbeitung
Für die Bank ergeben sich drei Möglichkeiten, die organisatorische Zuständigkeit für die Beschwerdebearbeitung zu regeln.[83] Dabei lässt sich keine allgemeingültige Aussage treffen, welche Gestaltungsform zu wählen ist. Diese Entscheidung sollte auf Basis der Ausgangssituation erfolgen und die vorhandene Aufbau- und Ablauforganisation der Bank berücksichtigen. Wichtig ist, dass die Zuständigkeiten klar festgelegt und schriftlich fixiert werden (z.B. im Organisationshandbuch).[84] Folgende Gestaltungsformen der Beschwerdebearbeitung sind denkbar:
a) Zentrale Beschwerdebearbeitung
Bei der zentralen Beschwerdebearbeitung zeigt sich eine Stelle innerhalb der Bank für die Bearbeitung und Beantwortung sämtlicher Kundenbeschwerden verantwortlich. Es kann dabei eine separate Beschwerdeabteilung eingerichtet werden oder eine Funktionszuordnung zu einer bereits vorhandenen Stelle innerhalb des Unternehmens erfolgen. Entscheidungsfaktoren hierfür sollten die Größe des Kreditinstitutes und die Höhe des Beschwerdeaufkommens sein. Das vorrangige Ziel der für die Beschwerdebearbeitung verantwortlichen Stelle sollte es sein, eine einvernehmliche Klärung der Beschwerden mit dem Kunden herbeizuführen. Außerdem sollte...