In der Antike waren Ethik und Ökonomik in der Philosophie vereinte Disziplinen. Durch die Separierung der Disziplinen konnten beide zu einem tieferen Kenntnisstand gelangen als zuvor. In der heutigen Zeit scheinen Ethik und Ökonomik nicht mehr miteinander vereinbar zu sein. Dieser Auffassung liegt die Vorstellung zugrunde, Moral gehe stets mit altruistischem Handeln, die Wirtschaft dagegen mit Egoismus einher. Die moderne Gesellschaft lebt aber von der Zusammenarbeit der Menschen und diese muss durch eine geeignete Moral gestützt werden: „Die Gesellschaft [ist] ein Unternehmen der Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil“.[33] Beide Disziplinen sind also aufeinander angewiesen. Zunächst sollen beide Disziplinen getrennt voneinander betrachtet werden, dann kann folgend untersucht werden, wo Verbindungsmöglichkeiten beider zu sehen sind.
Ethik ist die Lehre über das Sittliche.[34] Ethik kann entweder deskriptiv (beschreibend), normativ (wertend) oder analytisch (als Theorie über die ethische Theorie) sein.[35] Allgemein lassen sich ethische Theorien danach unterscheiden, ob sie deontologisch oder teleologisch sind: Bei der deontologischen Ethik werden die Handlungen als solche bewertet, bei der teleologischen hingegen ihre Folgen.[36] Die eine Ethik gibt es nicht, es gibt viele verschiedene Theorien der Ethik. Allerdings beziehen sie sich alle auf das „Sittliche“ und das „Gute“.[37] Über die verschiedenen Gesellschaftsstrukturen hinweg haben sich verschiedene Theorien der Ethik entwickelt, daher kann gesagt werden, dass Ethik ein Prozess ist, der mit der Gesellschaft wachsen muss. Die klassische Ethik, unter die man besonders die Werke Aristoteles fasst, ist die Lehre vom moralisch richtigen Handeln, was sich vor allem durch die Tugendethik auszeichnete.[38] Jeremias Buchanan dagegen befasste sich in seiner Theorie des Utilitarismus mit dem größten Glück der größtmöglichen Anzahl von Personen.[39] Immanuel Kant wiederum bestimmte die Pflichterfüllung zum höchsten Gut, denn „moralisches Handeln setzt voraus, dass es „aus Pflicht“ geschieht(…), ohne jede Beachtung von Neigung“.[40] In der Moderne kommen viele Formen von Ethik auf, wie die Gesinnungsethik, Verantwortungsethik, Situationsethik oder Normenethik, deren Darstellung jedoch den Rahmen dieser Arbeit überschreiten würde.[41] Daher soll hier eine Konzentration auf die Unterteilung zwischen Individualethik und Institutionenethik erfolgen. Individualethische Ansätze stellen die Handlungen des Individuums in den Vordergrund, moralisches Verhalten soll durch die Präferenzen der Individuen motiviert sein.[42] Man spricht auch von Motivmoral oder intrinsischen Gefühlen, nach denen sich gerichtet werden soll. Bei institutionenethischen Ansätzen dagegen ist das Individuum nicht mehr alleiniger Adressat der Moral, auch Unternehmen sind fähig zu moralischem Handeln. Dies erweitert die moralische Verantwortung auf Institutionen,[43] wie die gesetzliche Rahmenordnung oder das Regelsystem eines Unternehmens und somit auf Rahmenordnungen, innerhalb derer sich die Wirtschaftssubjekte frei verhalten dürfen. Durch Restriktionen werden Anreize so gesetzt, dass die Individuen einen größeren Vorteil haben sich an die Regeln zu halten, anstatt zu defektieren. Daher spricht man auch von einer Anreizmoral oder extrinsischen Motiven.
Ethik ist die wissenschaftliche Theorie der Moral. „Unter Moral versteht man einen Komplex an Regeln und Normen die das Handeln leiten sollen (…). Diese Regeln helfen zu beurteilen, ob das Handeln von Menschen (…) moralisch richtig oder moralisch falsch ist“.[44] Moralische Rahmenbedingungen sollen den Menschen durch bestimmte Kriterien Handlungsspielraum verschaffen,[45] so dass sie Verhaltensicherheiten für das Gegenüber generieren, aber immer noch genügend Freiraum für eigene Aktivitäten bieten.
Ökonomik befasst sich sowohl mit der Erklärung als auch Gestaltung „der Bedingungen und Folgen von Interaktionen auf der Grundlage individueller Vorteils/-Nachteils-Kalkulationen“.[46] Ökonomik ist Wirtschaftswissenschaft und beinhaltet den Umgang mit den von Natur aus knappen Gütern und praktisch unbegrenzten Bedürfnissen der Menschen.[47] Die Kombination von bestimmten Mitteln zur Erstellung eines (materiellen oder immateriellen) Gutes erfordert ein Rationalitätsprinzip, das heißt, man wägt die verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten der knappen Ressourcen gegeneinander ab.[48] Die begrenzten Mittel können somit als Restriktionen angesehen werden. Restriktionen sind von außen vorgegebene Einschränkungen.[49] Demgegenüber stehen die möglichen Verwendungen der Mittel, welche nach den individuellen Präferenzen abgeschätzt werden. Präferenzen sind die Vorlieben einer Person.[50] Die Präferenzen folgen Anreizen. Um das Verhalten der Akteure unter Knappheitssituationen zu untersuchen, dient in der Ökonomik die Theorie des Homo oeconomicus. Der Homo oeconomicus handelt strikt nach seinen eigennützigen Interessen, seine Handlungsspielräume werden lediglich von Restriktionen eingegrenzt,[51] so kann untersucht werden, unter welchen Bedingungen ein bestimmtes Ergebnis eintritt. Daher sind Anreize ein wichtiges Thema für die Ökonomik, denn „Rationalität heißt im ökonomischen Handlungsmodell, dass Menschen den Anreizen folgen, die von der jeweiligen Situation ausgehen“.[52] Also werden in der Ökonomik Verhaltenskorrekturen immer über äußere Anreize gesteuert.
In der Ökonomik gibt es wie in der Ethik verschiedene Sichtweisen zur Steuerung der Wirtschaft. Beispielsweise ging Smith im 18. Jahrhundert in seiner klassischen Theorie der „unsichtbaren Hand des Marktes“ davon aus, dass sich ein allgemeines Wohl einstellt, wenn jeder seinem Interesse nachgeht.[53] Das auch moralisch erwünschte Ergebnis hängt nicht mit den Motiven des Individuums zusammen.[54] Keynes dagegen befasste sich, aufgrund der Instabilität der Wirtschaft, mit wirtschaftspolitischen Beeinflussungsmöglichkeiten, bei denen vor allem staatliche Eingriffe im Vordergrund stehen.[55]
Wird die wissenschaftliche Theorie der Ökonomik angewandt, spricht man von Ökonomie. Wie kann nun das ökonomische Rationalitätsprinzip mit den individuellen Vorteilskalkulationen mit der ethischen Idee vom guten Leben aller in Verbindung gebracht werden?
Ethik und Ökonomik befassen sich beide mit Theorien über menschliches Handeln und folgen doch ihren eigenständigen Logiken. Von dem wirtschaftlichen Akteur wird aber immer mehr wertorientiertes Handeln verlangt.[56] Daher versuchen Wirtschaftsethiker schon seit Jahren diese scheinbar unterschiedlichen Disziplinen zusammenzubringen. Wirtschaftsethik muss sich mit ökonomischen Theorien befassen, hinterfragen und Sollensansprüche an ökonomisches Handeln stellen und begründen.[57] Aber genauso wie es nicht die Ethik und die Ökonomik gibt, so gibt es auch nicht die Wirtschaftsethik, sondern viele verschiedene Positionen. Die unterschiedlichen Theorien ergeben sich unter anderem aus folgenden Kriterien: Wie ist die moralische Verantwortung zu betrachten, steht also das Individuum oder die Institution im Vordergrund? Bedarf es mehr Ethik oder mehr Ökonomik? Auf welchen Ebenen (Mikro, Meso, Makro) muss die Wirtschaftsethik ansetzen?[58]
Auf der Mikroebene wird das Verhalten von Individuen als ökonomischer Akteur untersucht. Die Verantwortung des Einzelnen ist der Schwerpunkt, daher greift hier besonders die Führungsethik.[59] Die Mesoebene befasst sich mit moralischen Aspekten und der moralischen Verantwortung der Unternehmen, Organisationen, Verbänden, etc. Es wird insbesondere auf die Legitimation wirtschaftlichen Handelns geachtet, im Fokus steht die Unternehmensethik.[60] Die Makroebene stellt Beziehung zwischen Staat, Gesellschaft, Marktwirtschaft und ethischen Konzepten her.[61] Hier wird eine gerechte Wirtschaftsordnung thematisiert, daher greift hier die Wirtschaftsethik.
Daraus ergeben sich überaus viele Ansätze, deren Darstellung an dieser Stelle jedoch zu weit führen würde. Es sollen im Folgenden nur einige extreme Positionen kurz vorgestellt werden.
Die Dominanz der Ökonomik wurde vor allem im 18. und 19. Jahrhundert propagiert. Milton Friedman sah beispielsweise nur eine Aufgabe von Unternehmen, die der Gewinnerzielung: “[T]here is one and only one social responsibility of business – (…) to increase its profit”[62]. Die Wirtschaft wurde als ethikfrei und opportunistisch angesehen und allein dem Wettbewerb wurden Allokationsfunktionen nachgesagt. Auch in...