Mit dem Qualitätsmanagement (QM) hat sich ein generisches[2] Managementkonzept international durchgesetzt, das jedoch nicht als Anwenderkochbuch zur Verfügung steht. Der Komplexität des Gegenstandes Qualität entsprechend gibt es nicht nur ein Konzept, sondern eine Vielzahl an Konzeptionen, die im Zeitverlauf (in der kurzen Geschichte des Qualitätsmanagements, die sich vor allem auf die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts konzentriert) immer wieder aus einer anderen Perspektive heraus entwickelt wurden. (Zollondz, 2002)
Um ein besseres Verständnis seiner Ansätze zu gewinnen, werden im Folgenden Qualitätsrelevante Begriffe erläutert.
Dreh- und Angelpunkt des Qualitätsmanagements ist der Begriff Qualität. Bei der theoretischen Auseinandersetzung mit der Bedeutung des Begriffs zeigt sich sehr schnell, dass es sich um ein komplexes und nicht eindeutiges Phänomen handelt. Der Ursprung des Wortes Qualität liegt im lateinischen 'qualitas', das sich aus 'quali' (wie beschaffen) ableitet und in seiner Übersetzung für Beschaffenheit, Vortrefflichkeit, Verhältnis oder Eigenschaft steht (Haubrock und Schär, 2002). In der Literatur findet sich eine Vielzahl von Beschreibungen und Definitionen des Begriffes Qualität, die zunächst einmal kritisch zu betrachten sind. Eine ungefilterte Übernahme von Bezeichnungen aus der technisierten und mechanistisch funktionierenden Industrie aufgrund der Spezifika des Gesundheitsbereiches ist nur bedingt möglich. Zur Reduzierung der Komplexität beschränkt sich dieses Kapitel auf die bekanntesten, in den Gesundheitsbereich übertragbaren, unterschiedlichen Definitionen von Qualität nach DIN EN ISO (Merkmalsdefinition), Deutsche Gesellschaft für Qualität (DGQ) (Nationaler Repräsentant der EFQM), Donabedian (Evaluationsdefinition) und Garvin (Partialanalytische Qualitätsunterscheidung). Diese Definitionen können am ehesten auf die Spezifika von sozialen, pflegerischen und sozialpflegerischen Dienstleistungen übertragen werden.
Qualitätsdefinition nach DIN EN ISO
In der Vergangenheit hat es viele Versuche gegeben, das Wesen von Qualität festzulegen. Diese alternativen Ansätze drücken sich in den verschiedenen Definitionen von Qualität aus. Die Grundlage des heute gültigen Qualitätsverständnisses (in der internationalen Fachsprache) findet sich in der weit gefassten Definition der internationalen Normung. (Haubrock und Schär, 2002)
Nach der DIN EN ISO 8402 ist Qualität die „Gesamtheit von Merkmalen (und Merkmalswerten) einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen“ (Deutsches Institut für Normung, 1992, S. 30, zitiert in Haubrock und Schär, 2002, S. 133).
Unter dem Terminus 'Einheit' kann eine Tätigkeit, ein Produkt, eine Organisation, ein System, eine Person oder irgendeine Kombination der genannten Objekte verstanden werden. Merkmale sind Eigenschaften von Einheiten, die sowohl qualitativer (z.B. Farbe) als auch quantitativer Art sein können (z.B. Länge). Merkmalswerte beschreiben deren Ausprägungen (z.B. Farbe: rot). Erst hierdurch werden Merkmale überprüfbar. Die Gesamtheit der Merkmale und Merkmalswerte einer Einheit macht deren Beschaffenheit aus. (Haubrock und Schär, 2002)
Aus diesem Definitionsansatz lassen sich folgende Erkenntnisse ableiten:
Qualität ist nichts absolutes, sondern bezieht sich immer auf vorab festgesetzte Anforderungen[3].
Qualität lässt sich in der Regel nicht durch eine einzige messbare Größe bestimmen. Zur Bestimmung müssen mehrere Eigenschaften herangezogen werden. (Haubrock und Schär, 2002)
Auf den Krankenpflegebereich transportiert heißt dies:
Pflegequalität ist die Übereinstimmung zwischen der tatsächlichen Pflege und den dafür vorher formulierten Kriterien. (Guddat, 2001)
Deutsche Gesellschaft für Qualität
Die Deutsche Gesellschaft für Qualität (DGQ) hat das Wesen des Qualitätsbegriffs (aus der internationalen Norm) mit der folgenden Aussage vereinfacht zusammengefasst: Qualität ist die „realisierte Beschaffenheit einer Einheit bezüglich Qualitätsforderungen“ (Deutsche Gesellschaft für Qualität, 1992, S. 30, zitiert in Haubrock und Schär, 2002, S. 134).
Qualitätsdimensionen nach Donabedian
Für das Gesundheitswesen veröffentlichte der amerikanische Qualitätsforscher Avedis Donabedian 1966 schon eine bemerkenswerte Begriffsbestimmung: „Qualität der Gesundheitsversorgung ist das Ausmaß, in dem die tatsächliche Versorgung mit vorausgesetzten Kriterien für gute Versorgung übereinstimmt“ (Donabedian, 1966, zitiert in Geisen und Mühlbauer, 2003, S. 29).
Donabedian teilte Qualität in sog. Qualitätsdimensionen ein: Struktur-(auch Potenzial-)qualität, Prozessqualität und Ergebnisqualität. Unter Strukturqualität verstand er die zur Produkterstellung notwendigen Fähigkeiten der Institution und deren Mitarbeiter, die technische Ausrüstung, die physischen und organisatorischen Arbeitsbedingungen sowie die Zugangs- und Nutzungsmöglichkeit des Produkts durch den nachfragenden Kunden. Prozessqualität ist die Gesamtheit aller Aktivitäten, die im Verlauf der tatsächlichen Erstellung des Produktes vollzogen werden. Die Ergebnisqualität ist die Differenz zwischen dem Eingangszustand und dem Ausgangszustand. Am Beispiel des Patienten handelt es sich um den zukünftigen Gesundheitszustand, sofern dieser auf die erbrachte Dienstleistung zurückzuführen ist. (Zollondz, 2002)
Die nachfolgende Abbildung bebildert die Qualitätsdimensionen nach Donabedian:
(Quelle: Zollondz, 2002, S. 147)
Abbildung 1 Die drei Qualitätsdimensionen nach Avedis Donabedian
Partialanalytisches Qualitätsverständnis von Garvin
Ein pragmatisch ausgerichteter Ansatz zur Operationalisierung (Präzisierung des Begriffes durch Angabe der Indikatorenàmessbare Ereignisse) von Qualität wurde von dem Amerikaner D. Garvin vorgestellt. Seiner Ansicht nach sind die folgenden fünf Sichtweisen von Qualität zu unterscheiden:
Transzendente Sichtweise (Absolute Qualität): Qualität ist etwas Absolutes. Sie kann nicht
analysiert werden, sondern wird nur durch individuelle Erfahrungen empfunden.
Produktorientierte Sichtweise (Qualität des Produktes): Qualität ist anhand definierbarer Eigenschaften eines Produktes genau messbar. Qualität ist Objektive zu erfassen.
Anwenderbezogene Sichtweise (Qualität für den Kunden): Qualität wird vom Kunden durch seine Wünsche und Bedürfnisse festgelegt. Sie ist subjektiv; eine allgemein gültige Definition ist daher nicht möglich.
Prozessbezogene Sichtweise (Qualität der Herstellung): Qualität ist das Ergebnis von Arbeitsabläufen, die nach zuvor definierten Regeln und Standards ausgelegt werden.
Werteorientierte Sichtweisen (Qualität als Wert): Qualität lässt sich durch das Verhältnis von Preis und Nutzen definieren. (Haubrock und Schär, 2002)
Anknüpfend illustriert die Abbildung 2 die fünf Teilqualitäten der Garvinschen Patialanalyse von Qualität.
Abbildung 2 Die fünf Teilqualitäten der Garvinschen Partialanalyse von Qualität
Die Explikation von Garvin zeigt differenziert partielle Eigenschaften für verschiedene relevante Bezugsreferenzen. Sie sind allerdings nicht weiter ausgearbeitet worden und dienen oft zur Illustration des Qualitätsbegriffs. Besonders im Dienstleistungsbereich wird Garvins Modell gern zur Veranschaulichung hinzugezogen. Die fünf Teilqualitäten sind in unterschiedlichen Maße in andere Ansätze eingeflossen. So sind die produkt-, hersteller- bzw. kundenorientierten Sichtweisen heute Standardorientierungen im Qualitätsmanagement. Aus heutiger Sicht wären die fünf Teilqualitäten um eine sechste Sicht zu ergänzen, nämlich die Qualität der Mitarbeiter, die wiederum in Zusammenhang zu bringen ist mit der Situation, der Arbeitssituation allgemein (Arbeits- und Gesundheitsschutz, Einflussmöglichkeiten am Arbeitsplatz usw.). Die Mitarbeiterperspektive ist inzwischen erkannt worden und in den modernen Modellen zum...