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Presse in China und deren Entwicklung seit 1978

AutorJuliane Wiedemeier
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl84 Seiten
ISBN9783638900188
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis20,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Medien / Kommunikation - Journalismus, Publizistik, Note: 1,3, Freie Universität Berlin (Institut fu?r Publizistik- und Kommunikationswissenschaft ), 81 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Seit Deng Xiaoping 1978 sein Programm der Vier Modernisierungen verkündete und aus China eine sozialistische Marktwirtschaft machte, unterlag die Presse des Landes starken Veränderungen. Zwar blieb das Engagement privater Herausgeber verboten, doch nahm die Anzahl der Titel und Gesamtauflagen stark zu. Pluralisierung und der Abbau staatlicher Subventionen waren prägend, gingen aber nicht einher mit dem Rückzug des Staates aus dem Printbereich. Vielmehr verfeinerte er seine Überwachungs- und Kontrollmechanismen, um die sozialistische Staatsform vor dem Einfall westlicher Ideen zu schützen. So entstand ein Konstrukt aus staatlichen Herausgebern, Zensur, kommunistischer Ideologie und ökonomischen Interessen, dass die Presse dominiert und deren freie Entfaltung unmöglich macht.

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Leseprobe

4. Der chinesische Pressemarkt seit den Reformen  1978


 

Das nachfolgende Kapitel erläutert das Reformprogramm Deng Xiaopings und dessen Auswirkungen auf den chinesischen Pressemarkt. Dabei werden sowohl die historische Entwicklung als auch wesentliche Strukturveränderungen aufgezeigt. Ein Schwerpunkt auf den Ereignissen des Jahres 1989 beleuchtet deren Tragweite für den gesamten Reformprozess und insbesondere die sich herausbildenden Demokratisierungstendenzen innerhalb der Presse.

 

4.1. Deng Xiaopings Reformprogramm


 

Die Vier Modernisierungen des Programms Deng Xiaopings zielten auf die Bereiche Landwirtschaft, Industrie, Wissenschaft/Technik und Verteidigung und entsprachen somit einer Wirtschaftsreform. Deren zwei Kernelemente waren die Umgestaltung der chinesischen Plan- zu einer Marktwirtschaft und damit verbunden die Integration des Landes in den weltweiten Warenhandel. One country, two systems lautete das bis heute gültige Motto zur Einführung einer Ordnung, die seit 1992 als sozialistische Marktwirtschaft bezeichnet wird und dem Land kapitalistische Züge verlieh, jedoch ohne ideologische Legitimation durch das politisch weiterhin kommunistische System. Statt in einem Großen Sprung sollte die Reform in kleinen Schritten erfolgen; man sollte beim Überqueren des Flusses die Steine spüren, wie Deng Xiaoping es formulierte.[102]

 

In der konkreten Umsetzung bedeutete das zunächst die Auflösung der Volkskommunen und eine Liberalisierung der Wirtschaft. Im Juli 1979 wurden in Pilotprojekten vier Sonderwirtschaftszonen[103] errichtet, die mit Steuervergünstigungen und geringen administrativen Vorschriften ausländische Investoren anlocken sollten; Joint Ventures wurden erlaubt. 1984 wurde das Konzept auf 14 Küstenstädte[104] ausgeweitet und die Gründung von Privatunternehmen legalisiert.[105]

 

Dieses Engagement darf jedoch nicht als Rückzug der Politik aus wirtschaftlichen Belangen angesehen werden. Schlüsselsektoren sowie die Option, bei Bedarf in das Marktgeschehen einzugreifen, blieben Privilegien des chinesischen Staates. „Es handelt sich also um eine ,staats-korporatistische’ Wirtschaftsordnung, denn der Staat ersetzt Formen direkter Steuerung und Intervention durch seine indirekte, oft dominante Beteiligung in halb autonomen Organisationen der Wirtschaft.“[106]

 

Trotz der Fokussierung der Reformen auf wirtschaftliche Aspekte betraf Dengs Politik des Pragmatismus auch andere Bereiche. So sollten politisch die Kompetenzen von Partei und Staat stärker gegeneinander abgegrenzt und das System entbürokratisiert werden. Bildung sollte nach der Kulturrevolution wieder an Wert gewinnen und Intellektuelle als Unterstützung für das Reformprogramm gewonnen werden; China sollte sich wieder nach außen öffnen.[107] „The Party Central Committee began to correct the ’leftist’ errors of the Cultural Revolution and earlier periods.“[108] Dieses schlug sich auch im Ausbau des Informations- und Kommunikationswesens nieder, das für die Verbreitung und Umsetzung der Modernisierungen notwendig war.[109]

 

Während die kommunistischen Staaten Europas an der defizitären Planwirtschaft festhielten und somit die Unzufriedenheit der Menschen bis zum Umsturz des Gesamtsystems schürten, versuchte die chinesische Führung einen alternativen Weg. „For many Chinese, glasnost in the Soviet Union was an inspiration; for Deng, it was a caution and a vindication of his long-standing reform-strategy: Free the economy, but keep a tight rein on political power.“[110]

 

4.2. Die Rolle der Presse in der Geschichte von 1978  bis 1989


 

Wie wenig die chinesischen Machthaber neben der ökonomischen auch zu grundlegenden politischen Reformen gewillt waren, zeigte sich im Laufe der 1980er Jahre immer wieder, bis zur Eskalation im Frühjahr 1989. Zunächst setzte sich die Aufbruchstimmung seit Beseitigung der Viererbande fort, die als Beijinger Frühling bekannt wurde. Diese vor allem von Intellektuellen getragene Bewegung nutzte die Phase der Liberalisierungen zu Forderungen nach Demokratie und Meinungsfreiheit. „By the fall of 1978 the press was not only attacking the Maoist and the Maoist ideology, it was also beginning to question the Leninist political system and helped mobilize others in the attack. The official press under the jurisdiction of Hu Yaobang discussed democracy as a prerequisite to economic reform.“[111] Dies konfrontierte die Partei mit dem Zwiespalt, einerseits auf die Unterstützung der Intellektuellen und der Presse zur Umsetzung des erheblichen Reformprogramms angewiesen zu sein, andererseits den Medien nur so lange Freiheiten gewähren zu wollen, als sie nicht das System grundsätzlich infrage stellten.[112] So wurde eine gewisse Toleranz geübt, deren Grenzen jedoch eng gesteckt waren.

 

Das Hauptaugenmerk der politischen Führung auf wirtschaftlichen Veränderungen machte sich auch im Pressewesen bemerkbar. Schon 1978 begann man, die Renmin Ribao und weitere staatliche Periodika umzustrukturieren, um die Partei und den defizitären chinesischen Haushalt von der finanziellen Verantwortung zu entlasten. „Obwohl die Zeitungen den Status von Non-Profit-Institutionen behielten und weiterhin Subventionen bekamen, wurden sie doch allmählich als Geschäftsunternehmen geführt.“[113] Eine Voraussetzung dafür war die Zulassung kommerzieller Werbung im Februar 1979. Von nun an mussten die Zeitungen nicht mehr nur den Ansprüchen der KPCh genügen, sondern auch ansprechender für die Leser werden, da nur eine hohe Auflage Anzeigenkunden anlockt und die Finanzierung gewährleistet. Beispielhaft reagierte die Renmin Ribao auf diese neuen Anforderungen im Januar 1980 mit Seitenexpansion, um mehr Platz für Anzeigen zu schaffen, sowie verstärkter Berichterstattung zu wirtschaftlichen Themen. Am 1. Juli 1981 wurde die staatliche englischsprachige Zeitung China Daily gegründet, die als das für Ausländer zugänglichere Äquivalent der Renmin Ribao gilt und den Reformgedanken der Partei widerspiegelt: Die Zeitung soll Ausländer über China und Chinesen über das Ausland informieren, jedoch nach den Direktiven der KPCh.[114]

 

Die neue Marktorientierung machte von Juni bis August 1982 weitere Neuerungen notwendig: „Um die Pressearbeit auf bestimmte Publikumswünsche hin zu verbessern, [fanden] erstmals in der Geschichte der chinesischen Massenkommunikation großangelegte wissenschaftlich fundierte Untersuchungen zum Rezipientenverhalten und zur Einschätzung der Presse durch die Leser statt.“[115] Nachdem über dreißig Jahre lang ausschließlich die Kommunistische Partei Inhalt und Aufmachung der Zeitungen bestimmt hatte, waren nun plötzlich die Ansichten der Leser relevant, die als Hauptkritikpunkte übermäßige Artikellängen und wenig ansprechende Gestaltung formulierten.[116]

 

Die geäußerten Rezipientenwünsche besser zu bedienen in der Lage sahen sich viele neu gegründete Periodika, die in dieser Zeit entstanden. „Der Zuwachs [ging] überwiegend auf das Konto fachspezifischer, unterhaltender oder anderer nicht unmittelbar preisgebundener Publikationen, die eigentlichen Parteiorgane [erlebten] ein rückläufiges Interesse, ihre Auflagenzahlen [gingen] zurück.“[117] Auch diese neuen Blätter waren staatlich, da Privatleuten die Herausgabe von Presseerzeugnissen bis heute verboten ist, wurden jedoch unter dem Dach eher irrelevanter Organisationen im großen Parteiapparat publiziert, was ihnen eine gewisse Staatsferne zusicherte. Neben kritischen, liberalen Zeitungen entstanden die ersten Boulevardblätter, die dem großen Bedarf an massenkompatibler Unterhaltung Rechnung trugen. Die Aufhebung des Monopols der Post für den Pressevertrieb 1985 und die Ausbildung alternativer Distributionssysteme begünstigten die Diversifizierung des Marktes, da mit der Post eine weitere Kontrollinstanz wegfiel.[118] [119]

 

Gegen diese Entwicklungen stellten sich 1982/83 die Kampagne gegen geistige Verschmutzung und 1987 die Kampagne gegen die bourgeoise Liberalisierung, die mit personellen Säuberungsaktionen Kurskorrekturen vornehmen und die Reformen wieder auf die Wirtschaft beschränken sollten. „Indeed, Deng and his even more ideologically conservative cohorts kept jerking the press toward the standards of what they saw as the ’golden age’ of Chinese socialism, the 1950s. Both major spasms of Marxist orthodoxy during the 1980s [...] targeted people in the media.“[120] So wurden Zeitungen geschlossen, Redakteure entlassen und die Zensur verschärft. Im April 1985 redefinierte Generalsekretär Hu Yaobang die Rolle der Medien: "The party's journalism is the party's mouthpiece, and naturally it is the mouthpiece of the people's government, which is led by the party. [...] Our newspapers should give 80 percent of their space to reporting good things and achievements and give the remaining 20 percent of their space to criticizing the seamy side of things and to exposing our shortcomings."[121]...

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