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E-Book

Klassiker der Erotik 28: Das Tagebuch einer Kammerzofe

AutorOctave Mirbeau
VerlagMath. Lempertz
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl200 Seiten
ISBN9783944964065
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis1,49 EUR
Octave Mirbeau führt in die Welt der Dienstboten im Frankreich des Fin de siècle zur Zeit der Dreyfus-Affäre. Célestine, die Erzählerin, dient als Kammerzofe im großbürgerlichen Haus der Familie Lanlaire in der Normandie. Was sie dort erlebt, wirft ein grelles Licht auf die Herrschaften. Sie verurteilt die Dienerschaft und Knechtschaft der modernen Zeiten und legt die negativen Seiten des Bürgertums offen. Am Ende gelingt dem Kammermädchen der Aufstieg ins Bürgertum, indem sie eine Ehe mit dem sadistischen und antisemitischen Gärtner Joseph eingeht, obwohl sie ahnt, dass er ein Kind vergewaltigt und getötet hat. In diesem pessimistischen Roman denunziert Mirbeau das verdorbene Großbürgertum und die verlogene Fassade der französischen Gesellschaft.

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Leseprobe

14. September


Heute, an diesem regnerischen Tag, habe ich um drei Uhr nachmittags eine neue Stellung angetreten. Es ist bereits die zwölfte im Verlaufe von nur zwei Jahren. Es ist mir unmöglich, all die Stellungen aufzuzählen, die ich innerhalb der letzten Jahre angetreten und auch bald wieder aufgegeben habe. Eines jedoch steht fest: Ich bin zahlreichen edlen Gesichtern begegnet, hinter denen sich schmutzige Seelen befunden haben. Heutzutage ist es wirklich schwer, es seiner Herrschaft recht zu machen, es ist unglaublich, wissen Sie!

Ohne Madame vorher jemals gesehen zu haben, nahm ich diese Stelle also an, einer Anzeige im Figaro folgend. Ein wenig Korrespondenz mit meiner neuen Herrin ging voraus, mehr war es nicht. Diese Art Glücksspiel bereitet einem oftmals so manche Überraschung. Ihre Briefe waren sehr redegewandt und von gepflegtem Stil, ihre Worte lassen auf einen äußerst pedantischen Charakter schließen. Ihr Briefpapier ist nichts Besonderes, was auf einen gewissen Geiz schließen lässt, jedoch möchte ich hier nicht voreilig sein. Ich bin ja nun wirklich nicht reich, doch in Bezug auf mein Briefpapier achte ich nicht auf das liebe Geld.

Ich überantworte meine Zeilen einem Papier, das nach „Peau d’Espagne“ riecht, feines Papier, welches ich bei meiner letzten Herrschaft mitgehen ließ. Einige der Bögen tragen sogar gravierte Grafenkronen, etwas, das Madame vermutlich ganz schön in Erstaunen versetzt hat.

Ich bin jetzt jedenfalls in der Normandie, in Mesnil-Roy, um genau zu sein. Madames Besitz liegt etwas außerhalb dieses kleinen Ortes und nennt sich Le Prieuré.

Ein wenig besorgt bin ich schon darüber, dass ich mich in die Provinz habe leiten lassen. Was ich davon bisher gesehen habe, beruhigt mich keinesfalls, und ich gäbe einiges darum, zu erfahren, was mich hier noch alles erwartet. Ich nehme mal an, die üblichen Scherereien. Etwas also, das unser Beruf ganz automatisch zu Haufe hervorbringt.

Ich hatte keine Wahl, also, auf ins Abenteuer.

Es ist dies nicht meine erste Anstellung in der Provinz. Vor gut vier Jahren hatte ich eine auf dem Lande. Kurz nur, wie zumeist. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, es ist mir, als wäre es gestern gewesen. Lassen Sie mich berichten ...

Bevor ich nun aber damit beginne, möchte ich dringlichst darauf hinweisen, dass ich mir in meinem Tagebuch kein Blatt vor den Mund nehme und vor keinem auch noch so unmoralischen Detail Halt mache!

Hier nun also die Episode:

Ich war von einer dicken Haushälterin als Kammerzofe zu einem gewissen Monsieur Rabour in die Provinz Touraine engagiert worden und, wie so oft, geschah dies über ein Vermittlungsbüro.

Ich wurde an einem Bahnhof pünktlich von einem schlecht gelaunten Kutscher abgeholt.

„Soso, dann sind Sie wohl die neue Kammerzofe des Monsieur Rabour?“, fragte der.

„Ja, ich bin es.“

„Führen Sie wohl auch Gepäck mit sich?“

„Ja, Gepäck habe ich auch!“

Monsieur Louis, wie ihn die Bahnhofsbeamten nannten, veranlasste das Verladen meiner Gepäckstücke in die Kutsche.

„Steigen Sie jetzt also ein?“

Ich setzte mich neben ihn auf den Kutschbock und wir trabten los.

Ich konnte fühlen, wie er mich während der Fahrt genau musterte. Ich erkannte sofort, dass ich es hier mit einem ungehobelten Bauernlümmel zu tun hatte, der vorher wohl noch nie in einem wohlhabenden Haus gedient hatte. Schade irgendwie, denn ich liebe diese Livreen, mit den eng anliegenden Hosen aus weichem, geschmeidigem, weißem Leder. Louis fehlte es an all dem Schick. Er trug noch nicht einmal Handschuhe, der Anzug war ihm viel zu groß und auf dem Kopf trug er eine seltsame flache Mütze, die mit einer doppelten goldenen Tresse mehr zu sein versuchte, als sie eigentlich war.

Er sah irgendwie grimmig und Furcht einflößend aus. Naja, am ersten Tag spielen sie sich vor den Neuen immer auf, etwas, das sich dann oftmals bald in Wohlgefallen auflöst. Manchmal sogar mehr, als einem lieb ist.

Die Landschaft bot nichts Besonderes. Ländliche Idylle halt, durch die uns unsere zunächst wortlose Fahrt führte.

Plötzlich wurde der grimmige Kutscher gesprächig:

„Haben Sie wenigstens eine Auswahl an prächtigen Stiefelchen mitgebracht?“, fragte er mit hämischem Grinsen.

Ich war ziemlich erstaunt über diese Frage.

„Selbstverständlich“, entgegnete ich. „Komische Art, Fragen zu stellen ...“

Er stieß mich in die Seite und schickte mir einen zweideutigen Blick:

„Gut so! Schaut dabei drein, als könnte sie kein Wässerchen trüben! Ha! Wenn das nicht ein gutes Zeichen ist!“

Er verfiel in ein meckerndes Lachen, schnalzte mit der Zunge und damit fiel das Pferd wieder in eine schnelleren Gangart.

Ein wenig konsterniert war ich schon. Was mochte dies bedeuten? Vermutlich wohl gar nichts, der Kerl war eben einfach nur etwas beschränkt und ihm ist wohl kein besserer Gesprächsstoff eingefallen, für eine Frau aus der Stadt.

So ging es dann also schweigend weiter, durch diese idyllische, wenig überraschende Landschaft.

Monsieur Rabours Besitz war recht beeindruckend, stellte ich bald darauf fest. Weniger erfreut war ich über das erneute Wiedersehen mit dieser fetten Haushälterin, die von mir schon beim Vorgespräch im Vermittlungsbüro intimste Details aus meinem Leben und Tun erfahren wollte. Sie erschien mir eher wie eine Zuhälterin als wie eine nöbliche Hausangestellte. Sie brachte mich gleich nach meiner Ankunft in einen kleinen Salon.

„Ich bin ja gespannt, was Monsieur zu Ihnen sagen wird, ich habe Sie zwar engagiert, doch gefallen müssen Sie allein ihm!“, sagte sie mit schnarrender Stimme.

Ich sah mich ein wenig um. Alles war blitzblank und bieder arrangiert. Der Raum strömte provinziellen Schick aus. Es konnte nur langweilig werden, hier an diesem Ort. Endlich kam Monsieur. Du liebe Güte, was für ein putziges Kerlchen er doch war. Ich konnte ein Lachen kaum unterdrücken. Er hoppelte durchs Zimmer wie ein kleines Häschen, begrüßte mich und fragte in einem sehr höflichen Ton:

„Wie heißen Sie?“

„Mein Name ist Celestine, Monsieur“, antwortete ich artig.

„Celestine? Sapperlot, ein hübscher Name. Jedoch viel zu lang. Ich werde Sie Marie nennen, wenn’s recht ist?“

Alle hohen Herren haben diese seltsame Manie, einen nie beim richtigen Namen zu nennen. Ich habe bei meinen verschiedenen Dienststellen bereits die Namen von sämtlichen Kalenderheiligen erhalten.

So erklärte ich mich auch diesmal einverstanden. Marie sollte ich also heißen.

„Ein hübsches Mädchen“, fuhr er sodann fort, „mit guten Charakterzügen ... fein, fein!“

Er verhielt sich sehr respektvoll und zog mich nicht mit den Augen aus, wie es sehr oft zuvor bei anderen Dienstherren geschehen war. Vielmehr starrte er unentwegt auf meine Stiefel.

Etwas befremdlich kam mir dies vor, jedoch beunruhigte mich dies nicht weiter.

„Haben Sie noch mehr davon?“, fragte er dann.

„Wie? Noch mehr Namen, Monsieur?“

„Nein, ich meinte Stiefel!“ und dabei leckte er sich die Lippen mit seiner kleinen Hasenzunge. Seine Frage erinnerte mich plötzlich an die seltsamen Andeutungen des Kutschers.

Schließlich antwortete ich ihm:

„Ja, ich habe noch mehr davon!“

„Auch welche aus Lack, glänzendem Lack?“

„Aber ja doch, sicherlich.“

„Besitzen Sie auch solche aus gelbem Leder?“ „Habe ich nicht, der Herr.“

„Sollten Sie aber haben, Marie, sollten Sie! Ich werde Ihnen welche zum Geschenk machen!“

„Vielen Dank, Monsieur“, ich war sehr erstaunt über diesen Einstand.

Seine Augen hatten plötzlich seltsame Schleier und seine Mundwinkel glänzten vor Feuchtigkeit. Wo war ich da nur hingeraten? Seine Stirn zierten Schweißtropfen, seine Bewegungen wurden zittrig und fahrig, als wir dieses Gespräch führten.

„Ich habe halt so meine Eigenheiten“, sagte er dann, schon wieder etwas ruhiger, „Ich finde es beispielsweise völlig ungehörig, dass eine Frau ihre Stiefelchen selber putzt. Sie sollte auch meine Schuhe nicht reinigen müssen! Verstehen Sie, meine Liebe. So werden Sie jeden Abend ihre Stiefel in meine Kammer bringen, Sie stellen sie einfach auf das Tischchen neben meinem Bett und nehmen sie jeden Morgen, wenn Sie die Fenster meines Zimmers öffnen, wieder mit!“

Ich starrte ihn völlig...

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