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Föderalismusreform in Deutschland

Bilanz und Perspektiven im internationalen Vergleich

AutorJulia Blumenthal, Stephan Bröchler
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl234 Seiten
ISBN9783531925189
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis33,26 EUR
Vier Jahre nach Verabschiedung der ersten Stufe der Föderalismusreform ist es Zeit für eine erste Bilanz: Sind die angestrebten Ziele der Entflechtung von Kompetenzen und der Verringerung des Blockadepotenzials des Bundesrates erreicht worden? Lässt sich eine Abkehr des deutschen Föderalismus von dem über lange Zeit gewachsenen Unitarisierungspfad beobachten oder behalten die Skeptiker recht, die die Verfassungsreform als zu halbherzig und im Ergebnis wirkungslos kritisieren? Die Autoren dieses Bandes geben empirisch fundierte Antworten auf diese Fragen. Darüber hinaus werden Ergebnisse der vergleichenden Forschung über Verfassungsreformen vorgestellt, aus der deutlich wird, welche institutionellen und akteursspezifischen Rahmenbedingungen erfolgreiche Reformen begünstigen.

Prof. Dr. Julia von Blumenthal ist Hochschullehrerin für Politikwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin.
PD Dr. Stephan Bröchler ist Politik- und Verwaltungswissenschaftler und Vertreter der Professur für das politisch-soziale System Deutschlands/Vergleich politischer Systeme an der Justus-Liebig-Universität Gießen.

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Leseprobe
Der deutsche Bildungsföderalismus zwischen Aufbruch und Verflechtungsfalle – macht sich die „Griechische Landschildkröte“ auf den Weg? (S. 191-192)

Stefan Immerfall

1997 wurde der „Reformstau“ zum Wort des Jahres gewählt. Gut zehn Jahre später ist die Anzahl der Arbeitslosen von über vier auf drei Millionen gesunken, wurden Lohnnebenkosten verringert, haben mehrere Steuerreformen insbesondere die Unternehmen entlastet und hat das Wirtschaftswachstum zeitweise das der USA übertroffen. Auch wenn die Finanz- und Wirtschaftskrise diese Erfolge wieder zunichte gemacht haben, zeigen sie doch eine eindrucksvolle, von vielen nicht für möglich gehaltene Dynamik des angeblich „kranken Mann Europas“ (Sinn 2004).

Im gleichen Jahr landete „Bildungsmisere“ auf Platz drei des sprachlichen Jahresrückblicks der Gesellschaft für deutsche Sprache. Während die Reformschwäche des deutschen „Konföderalismus“ zumindest für die Finanz- und Wirtschaftspolitik modifiziert werden muss, scheint sie für die Bildungspolitik fortzubestehen. Seit der Bildungsgesamtplan aus dem Jahre 1973 mehr oder weniger stillschweigend zu den Akten gelegt wurde, hat sich auf Bundesebene bei der gemeinsamen Fortentwicklung des Bildungswesens wenig getan.

Dabei haben international vergleichende Bildungsstudien – für die Fachwelt keineswegs überraschend – auf die Schwächen des deutschen Bildungssystems immer wieder hingewiesen. Gleichzeitig belegte die nationale Ergänzungsstudie zu PISA erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern. Doch die aktuelle Ausgabe der OECD „Bildung auf einen Blick“ vermittelt wieder nur ein Déjàvu- Erlebnis: „Bundesrepublik wird bei Ausbildung von Hochqualifizierten abgehängt“ (Die Welt, 10. September 2008).

Natürlich ist der Vergleich nicht ganz fair. Steuern kann man mit einigermaßen voraussagbaren Wirkungen senken oder erhöhen; ob aber eine Schulreform erwünschte Wirkungen hat, zeigt sich – wenn überhaupt – erst viele Jahre später. Dennoch wird der Befund, das deutsche Bildungssystem sei allenfalls mittelmäßig, schon so lange vorgetragen und ist außerdem im Großen und Ganzen auch von politischer Seite kaum mehr bestritten, dass die Schwerfälligkeit bildungspolitischer Reformen doch erklärungsbedürftig ist.

Von den vielen möglichen Erklärungsversuchen soll hier eine verfolgt werden: Der Bildungsföderalismus ist schuld. Da Bildung (bis auf frühkindliche Fürsorge und berufliche Bildung) Ländersache ist, richtet sich die Aufmerksamkeit naturgemäß auf die Reformbestrebungen in den Bundesländern und die Frage, inwiefern die koordinierenden Gremien Bildungsinnovationen zulassen, fördern oder verhindern.

Zunächst wird kurz das zentrale Scharnier und Nadelöhr für jede Bildungspolitik – die Kultusministerkonferenz (KMK) – beschrieben (1), dann die zähe Selbstbehauptung dieser Institution (2), aber auch ihre jüngsten Reformen dargestellt (3). Sodann wird analysiert, warum der föderale Wettbewerb um bessere Bildung nicht die in ihn gesetzten Hoffnungen erfüllen kann (4). Am Ende stehen einige Überlegungen zur Zukunft des deutschen Bildungsföderalismus (5).
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Einleitung8
1 Verfassungsreformen: Theoretische Perspektiven und internationaler Vergleich12
Verfassungsänderungen in föderalen und unitarischen Demokratien im Vergleich. Befunde einer empirischen Analyse für den Zeitraum von 1945 bis 200413
1 Einleitung13
2 Theoretischer Ansatz und Hypothesen14
3 Empirie18
3.1 Unterschiedliche Verfassungsänderungsraten in föderalen und unitarischen Staaten20
3.2 Kein systematischer Effekt der Verfassungsänderungshürde in föderalen und unitarischen Staaten21
3.3 Unterschiedliche Effekte der politischen Fragmentierung im Parlament in föderalen und unitarischen Staaten22
3.4 Gesamtmodell23
4 Deutung der Befunde25
4.1 Variierende Entscheidungskosten26
4.2 Variierende Gewinnoptimierungsstrategien von Verfassungsänderungsinitiatoren27
4.3 Variierende Gewinnoptimierungsstrategien von Entscheidungsbeteiligten28
4.4 Gesamtargumentation30
5 Resümee und Ausblick31
Literatur33
Föderalismusreform in Deutschland, der Schweiz und Österreich36
1 Einleitung36
2 Reformprozesse38
2.1 Schweiz38
2.2 Deutschland39
2.3 Österreich41
3 Vergleich42
3.1 Reformthemen und Arbeitsorganisation42
3.2 Interne Akteure46
3.3 Der Faktor 'Zeit'48
3.4 Die Regeln zur Verfassungsänderung49
3.5 Das politische Umfeld51
4 Schlussfolgerungen52
Literatur55
„Picking up the slack“: Bundesstaatsreform durch judizielle Modifikation von Leitideen?58
1 Kompensatorische Bundesstaatsreformen durch Verfassungsgerichte?58
2 Bundesstaatsreformen, Gewaltenteilung und der Wandel von Leit- und Ordnungsideen59
3 Ideen, Recht und Gerichte: Die Etablierung von „new legal doctrine“ als richterliche Reformpolitik62
4 Bundesverfassungsgericht und Ideenmanagement im „regulativen Konstitutionalismus“66
5 Verfassungsgerichtliches Ideenmanagement im Kontext der Föderalismusreform I71
6 Radikaler Ideenwechsel im regulativen Konstitutionalismus? Vom Wollen und Können verfassungsrichterlicher Bundesstaatsreform81
7 Fazit85
Literatur87
Verfassungsraum Europa? – Die Europäisierung von Bundesstaatsreformen im Vergleich94
1 Die Konstitutionalisierung des europäischen Integrationsraumes94
2 „Europäisierung“ als Konzept für die Analyse von Verfassungswandel auf mitgliedstaatlicher Ebene96
3 Die Europäisierung von Bundesstaatsreformen im Vergleich100
3.1 Europäische Integration als Leitbild von Bundesstaatsreformen101
3.2 Europäische Integration als Dynamik der verfassungsrechtlichen Verankerung der Intensivierung der Mehrebenenkoordination102
3.3 Europäische Integration als Motor der Neuverteilung von Ressourcen und Kompetenzen im Bundesstaat104
4 Ergebnisse und Schlussfolgerungen108
Literatur110
2 Erfolgreiche Entflechtung? Der Bundesrat nach der Föderalismusreform113
Die Föderalismusreform in der Bewährungsprobe unter Schwarz-Gelb: Warum der Blick zurück die Prognose des Scheiterns erlaubt114
1 Einleitung1114
2 Die Angaben der schwarz-roten Bundesregierung zur Entwicklung der Zustimmungsquote nach der Föderalismusreform115
3 Zur Interpretation der Angaben der Bundesregierung119
3.1 Erläuterungen120
3.2 Auswertung125
4 Warum die Entwicklung der Zustimmungsquote wenig aussagt129
5 Fazit131
Literatur133
Endlich Durchregieren? Die Effekte der Föderalismusreform I auf die Wirtschafts- und Sozialpolitik136
1 Einleitung136
2 Föderalismusreform und die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Großen Koalition137
3 Was wäre gewesen, wenn ...? Eine kontrafaktische Analyse der wirtschafts- und sozialpolitischen Schlüsselentscheidungen der rotgrünen Koalition142
4 Hindernisse kohärenter wirtschaftsund sozialpolitischer Reformen in der Bundesrepublik145
5 Fazit148
Literatur149
3 Erfolgreiche Neuverteilung von Kompetenzen? Landespolitik nach der Föderalismusreform152
Landespolitik nach der Föderalismusreform I153
1 Die Vorgeschichte der Reform153
2 Die Neuverteilung der Gesetzgebungskompetenzen in der Föderalismusreform I156
3 Nutzung der neuen Kompetenzen durch die Länder158
4 Diversität im Jugendstrafvollzug?164
5 Fazit: Neue Länderdiversität oder alte Selbstunitarisierung?167
Literatur169
Im Zweifel für die Einheit(lichkeit)? Determinanten landespolitischer Entscheidungen172
1 Determinanten landespolitischer Entscheidungen174
1.1 Problemrelevanz176
1.2 Finanzielle Leistungsfähigkeit179
1.3 Institutionelle Faktoren180
1.4 Parteienwettbewerb182
2 Hypothesen und Analyseraster185
3 Anwendungen und Schlussfolgerungen186
Literatur189
Der deutsche Bildungsföderalismus zwischen Aufbruch und Verflechtungsfalle – macht sich die „Griechische Landschildkröte“ auf den Weg?192
1 Die Kultusministerkonferenz als bildungspolitisches Relais193
2 Warum gibt es die Kultusministerkonferenz immer noch?195
3 Was bleibt von der neuen Reformbewegung?11200
4 Warum kann der Bildungsföderalismus die in ihn gesetzten Hoffnungen nicht erfüllen?202
5 Schlussüberlegungen205
Literatur206
Die Föderalismusreform I im Politikfeld Umweltpolitik als Europäisierungsschritt211
1 Europäisierung als theoretisches Konzept211
2 Inkompatibilitäten zwischen europäischer und deutscher Umweltpolitik214
3 Neuordnung durch die Föderalismusreform I217
4 Fazit und Ausblick221
Literaturverzeichnis222
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren226

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