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Bildung als Privileg

Erklärungen und Befunde zu den Ursachen der Bildungsungleichheit

AutorRolf Becker, Wolfgang Lauterbach
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl431 Seiten
ISBN9783531924847
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Im Anschluss an kontroverse Diskussionen über dauerhafte Bildungsungleichheiten stellt das Buch detailliert aus sozialwissenschaftlicher Perspektive zentrale Ursachen für sozial ungleiche Bildungschancen in den Mittelpunkt der Betrachtung. Daher werden der aktuelle Stand empirischer Bildungsforschung diskutiert und neue Analysen vorgelegt. Ziel ist es, in systematischer Weise soziale Mechanismen aufzuzeigen, die zur Entstehung und Reproduktion von Bildungsungleichheiten beitragen.

Prof. Dr. Rolf Becker ist Direktor und Professor für Bildungssoziologie am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Bern. Prof. Dr. Wolfgang Lauterbach ist Professor für Sozialwissenschaftliche Bildungsforschung am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Potsdam.

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Leseprobe
Berufliche Ausbildung und der Übergang in den Arbeitsmarkt (S. 272-273)

Dirk Konietzka

1. Einleitung

Der Zusammenhang von beruflicher Bildung und sozialer Ungleichheit in Deutschland wurde im Lauf der letzten Jahrzehnte aus unterschiedlichen Perspektiven diskutiert. In den 1960er Jahren stand im Zusammenhang mit der fachwissenschaftlichen Konsolidierung der Berufsbildungsforschung die Auseinandersetzung mit dem Erbe der hergebrachten Berufspädagogik im Vordergrund (vgl. Stratmann 1991). Dominante Themen waren das Lehrlingssystem als Hort der Ausbeutung und die unzureichende demokratische Kontrolle der beruflichen Bildung. Mit der Gewichtszunahme der empirischen Arbeits- und Berufsforschung wurden in den 1970er Jahren verstärkt Fragen der Reproduktion sozialer Ungleichheit über das Berufssystem und Muster milieuspezifischer Berufswahl untersucht (Lempert 1971; Müller 1975; Beck et al. 1979).

In den 1980er Jahren rückten Probleme zunehmender Arbeitslosigkeit und verschlechterter Ausbildungs- und Berufszugangschancen von benachteiligten Gruppen immer mehr in das Zentrum der Forschung (vgl. Heinz et al. 1987). Seit den 1990er Jahren haben sich im Zusammenhang mit einem verstärkten Fokus auf Bildungsübergänge die Problemperspektiven u.a. auf geschlechtsspezifische Ungleichheiten, gering qualifizierte Schulabgänger, Migranten(kinder) sowie regionale Ungleichheiten des Ausbildungs- und Arbeitsmarktes (insbesondere zwischen Ost und West) gerichtet.

Nicht zuletzt haben internationale Differenzen von Bildungssystemen und Übergangsmustern von der Schule in den Beruf eine zunehmende Aufmerksamkeit erhalten (u.a. Shavit und Müller 1998; Müller und Gangl 2004). Bei systematischer Betrachtung lassen sich zwei unterschiedliche Ebenen des Zusammenhangs von beruflicher Ausbildung und sozialer Ungleichheit unterscheiden. Auf der makrosoziologischen Ebene stehen Strukturmerkmale und Regulierungsprinzipien des (beruflichen) Bildungssystems mit den damit einhergehenden sozialen Zugangs-, Berechtigungs- und Ausschlussregeln im Zentrum der Aufmerksamkeit.

Die Mikroperspektive richtet sich dagegen vor allem auf die Prozesse und Mechanismen, welche Individuen aufgrund ihrer sozialen Herkunft, ihrer Geschlechtszugehörigkeit und/oder ihrer Ressourcenausstattung in unterschiedliche Berufe und auf diesem Weg in ungleiche soziale Positionen befördern. Handlungstheoretisch betrachtet stehen individuelle Akteure zu bestimmten Zeitpunkten im Lebensverlauf vor Entscheidungen über Bildungsalternativen. Strukturelle Merkmale des Bildungssystems wirken als Rahmenbedingungen auf die Bildungs- und Ausbildungsentscheidungen der Personen ein. Insofern bedürfen Aussagen über die ungleichheitsstrukturierende Wirkung des Bildungssystems einer Spezifizierung individueller Entscheidungen. In diese gehen u. a. Kalkulationen über Bildungsziele und -erfolge ein, die wiederum sozialstrukturell unterschiedlich ausfallen können (vgl. Becker 2000a).

Die Rahmenbedingungen von Bildungsentscheidungen werden wesentlich von der Institutionenstruktur des Bildungssystems und deren Zugangsregeln definiert. Die für diesen Beitrag zentrale Frage ist, ob und über welche Prozesse das Ausbildungssystem soziale Ungleichheit produziert und reproduziert, d. h. individuelle Ressourcen- und/oder Herkunftsungleichheiten verstärkt, mildert oder transformiert und welche Folgen dies für den anschließenden Übergang in den Arbeitsmarkt hat.

Im Rahmen dieses Beitrags können allerdings nur ausgewählte Gesichtspunkte des komplexen Wirkungsgefüges von Merkmalen des Bildungssystems und sozial ungleichen Handlungsbedingungen und -folgen diskutiert werden. Ich werde den Schwerpunkt auf Aspekte sozialer Ungleichheit beim Zugang zum beruflichen Bildungssystem und beim Übergang in den Arbeitsmarkt sowie deren Veränderungen in den letzten Jahrzehnten legen. Die Frage der Reproduktion intergenerationaler Ungleichheit durch das berufliche Bildungssystem werde ich nur streifen, da diese nur im Gesamtkontext des ‚trackings’ des Bildungssystems und des Gesamtgefüges institutioneller Übergangs- und Anschlussmöglichkeiten abgeschätzt werden kann.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort zur vierten und aktualisierten Auflage5
Vorwort zur dritten Auflage6
Vorwort zur zweiten und aktualisierten Auflage7
Vorwort zur ersten Auflage8
Inhalt9
Bildung als Privileg – Ursachen, Mechanismen, Prozesse und Wirkungen11
1. Dauerhafte Bildungsungleichheiten als soziale Frage11
2. Theorien und Modelle zur Erklärung von Bildungsungleichheiten15
3. Beiträge des Buches35
Literatur43
Bildung als Privileg und Fluch – zum Zusammenhang zwischen lebensweltlichen und institutionalisierten Bildungsprozessen50
1. Einleitung50
2. Sozialisationstheoretische Grundlagen: Differenzen zwischen institutionalisierter und lebensweltlicher Bildung51
3. Zur ungleichheitstheoretischen Bestimmung von Bildung: Bildung als Privileg und Bildung als Fluch53
4. Lebensweltliche Bildungsrealitäten und institutionelle Bildungsansprüche: drei exemplarische Analysen54
5. Schlussfolgerungen71
Literatur74
Soziale Ungleichheit im Bildungsverlauf: zum Verhältnis von Bildungsinstitutionen und Entscheidungen78
1. Einleitung78
2. Dimensionen empirischer Befunde zur sozialen Differenzierung beim Bildungserwerb79
3. Grundprobleme der Analyse von sozialen Bildungsungleichheiten84
4. Elemente einer entscheidungsorientierten Analyse89
5. Fazit100
Literatur102
Soziale Ungleichheit und Kinderbetreuung – Eine Analyse der sozialen und ökonomischen Determinanten der Nutzung von Kindertagese106
1. Einleitung106
2. Theoretische Vorüberlegungen107
3. Die Kinderbetreuungssituation in Deutschland111
4. Empirische Analysen115
5. Schlussfolgerungen120
Literatur123
Bildungseffekte vorschulischer Erziehung und Elementarbildung – Bessere Bildungschancen für Arbeiterund Migrantenkinder?*128
1. Einleitung128
2. Theoretischer Hintergrund130
3. Messung und Interpretation der Wirksamkeit von vorschulischer Bildung – theoretische, methodische und statistische Schwierigk137
4. Daten und Variablen139
5. Empirische Ergebnisse142
6. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen152
Literatur155
Soziale Ungleichheit von Bildungschancen und Chancengerechtigkeit – eine Reanalyse mit bildungspolitischen Implikationen160
1. Einleitung160
2. Theoretische Grundlagen164
3. Datenbasis171
4. Empirische Befunde173
5. Zusammenfassung und Schlussfolgerung182
Literatur185
Die Zurückgelassenen – die soziale Verarmung der Lernumwelt von Hauptschülerinnen und Hauptschülern189
1. Einleitung: Weniger Hauptschülerinnen und Hauptschüler – ein Erfolg oder Problem für das deutsche Schulsystem?189
2. Wer bleibt ‚unten’? – Eine verlorengegangene Frage der Bildungssoziologie193
3. Die Schule als Sozialisationskontext194
4. Datengrundlage und Operationalisierungen196
5. Empirische Analysen201
6. Die soziale Verarmung der Hauptschule und ihre bildungspolitischen Konsequenzen210
Anhang213
Literatur214
Bildungschancen und Bildungs(miss)erfolg von ausländischen Schülern oder Schülern aus Migrantenfamilien im System schulischer Bi218
1. Einleitung218
2. Art und Ausmaß der Nachteile von Schülern aus Migrantenfamilien bzw. ausländischen Schülern gegenüber deutschen Schülern an a220
3. Erklärungen für die Nachteile von ausländischen Schülern und ihre empirische Überprüfung224
4. Implikationen für die Bildungspolitik236
Literatur238
Der Beitrag von Schule und Lehrern zur Reproduktion von Bildungsungleichheit243
1. Einleitung243
2. Grundlagen246
3. Sozialisationsprozess und (rationale) Bildungsentscheidung248
4. Forschungsstand und Forschungslücken254
5. Perspektiven264
Literatur268
Berufliche Ausbildung und der Übergang in den Arbeitsmarkt272
1. Einleitung272
2. Strukturmerkmale von Beruf und Berufsbildung in Deutschland274
3. Ausbildung, Beruf und soziale Ungleichheit276
4. Wandel des Bildungsverhaltens und der sozialen Strukturen des Ausbildungszugangs283
5. Soziale Strukturen des Berufszugangs – Verschlechterte Berufseinstiegschancen für Absolventen des dualen Systems?287
6. Schlussfolgerungen und Ausblick291
Literatur294
Weshalb gibt es so wenige Arbeiterkinder in Deutschlands Universitäten?300
1. Einleitung300
2. Die deutsche Situation: niedrige Hochschulquote und hohe soziale Ungleichheit302
3. Institutionelle Optionen und Bildungswahl nach dem Abitur306
4. Zur Entwicklung der sozialen Selektivität in der höheren Bildung308
5. Soziale Ungleichheit bei Abiturienten und Hochschulabsolventen und ihre Entwicklung312
6. Das Bildungsgeschehen nach dem Abitur322
7. Fazit332
Literatur337
Soziale Ungleichheit im Zugang zu beruflicher Weiterbildung340
1. Einleitung340
2. Entwicklung der allgemeinen Weiterbildungsbeteiligung341
3. Ausgestaltung, Zielsetzung und subjektiver Nutzen berufsbezogener Weiterbildungsmaßnahmen348
4. Determinanten der Weiterbildungsteilnahme und Implikationen für die soziale Ungleichheit beim Zugang zu Weiterbildung359
5. Zusammenfassung und Ausblick367
Literatur369
Intendierte und nicht intendierte Folgen von Bildungspolitik – eine Simulationsstudie über die sozialstrukturellen Grenzen polit371
1. Einleitung371
2. Ein Modell der kollektiven Schullaufbahnen373
3. Ziele und Ausgangsbedingungen des Modells379
4. Simulationsresultate382
Satz 1:392
Satz 2:396
5. Zusammenfassung: Zielverwirklichung in der Bildungspolitik – ein ungewisses Geschäft397
Mathematischer Anhang399
Literatur404
Verringerung sozialer Ungleichheiten von Bildungschancen durch Chancenausgleich? Ergebnisse einer Simulation bildungspolitischer406
1. Was könnte man gegen Bildungsarmut und Bildungsungleichheit tun?406
2. Theoretische Überlegungen407
3. Datengrundlage411
4. Empirische Befunde412
5. Fazit und Schlussfolgerung421
Literatur426
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren430

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