Kapitel 3
Kommunikationsmanagement – ohne Kommunikation ist alles nichts
Die Kommunikation im Vertrieb ist wie der Rumpf bei einem Schiff: Er trägt alles, ohne Rumpf gibt es kein Schiff – so wie es ohne Kommunikation keinen Verkauf und keine Führung gibt. Kommunikation findet immer statt, zum Beispiel wenn Menschen sich im Arbeitskontext begegnen. Im Tagesgeschäft machen sich die meisten Vertriebsleiter verständlicherweise selten Gedanken über die Art, wie sie führen und kommunizieren. Man tut einfach, was gut, richtig, wichtig ist und sich bewährt hat. Und das ist auch in Ordnung so. Allerdings braucht es von Zeit zu Zeit einen Blick auf das »Wie«, um »die Säge zu schärfen«, das heißt die Führungsinstrumente zu überprüfen (siehe Covey 2005, S. 313). Dieses Buch, und besonders dieses Kapitel, laden Sie ein, gedanklich in einen Minihubschrauber zu steigen und Ihre Kommunikation bei der Führung Ihrer Vertriebsmannschaft aus einer distanzierten Perspektive zu betrachten. Sie können damit Ihr wichtigstes Führungsinstrument, die Kommunikation, überprüfen und verbessern, zum Beispiel bei den Regelgesprächen mit den Vertriebsmitarbeitern.
Einen guten Blick auf den Kommunikationsvorgang erhält derjenige, der es schafft, in dem Gespräch die Inhalts- und die Prozessebene zu trennen. Die Inhaltsebene beschreibt, »Was« (Inhalt) wir tun, die Prozessebene blickt darauf, »Wie« wir das tun.
Da Verkaufsleiter meistens auch gute Verkäufer und Kommunikatoren sind, bietet es sich an, das Wissen und die reichhaltige Erfahrung aus der Gesprächsführung im Kundenkontakt auch für die Mitarbeitergespräche zu nutzen.
Dieses Kapitel gibt weiterhin einen Überblick und Hinweise zur zielgerichteten, internen Kommunikation für Führungskräfte im Vertrieb und in der Geschäftsführung. Es geht von einem Menschenbild aus, das Mitarbeiter und Führungskräfte als gleichwertige Partner bei der Kommunikation sieht. Natürlich gibt es unterschiedliche hierarchische Ebenen sowie Entscheidungs- und Machtbefugnisse, die die Kommunikation nicht aufheben soll und kann. Und so normal wie es ist, dass am Ende die Führungskraft die Entscheidung fällt, sollte es genauso normal sein, dass beide, Führungskraft und Mitarbeiter, dieselben Mittel der Kommunikation nutzen. Die Beeinflussung durch eine gute Kommunikation mit wenigen Reibungsverlusten ist für beide Seiten von Nutzen und sollte nicht das Privileg der Führungskraft sein.
3.1 Grundlagen und Grundannahmen der Kommunikation
Mein Ziel ist es, Sie für die Kommunikation zu sensibilisieren, damit Sie bei Bedarf erkennen, was in typischen Situationen passiert, um entsprechend zu führen und zu steuern. Vielleicht entscheiden Sie sich dann, noch tiefer in einen bestimmten Bereich der Kommunikation einzusteigen, etwa mit einem weiteren Buch zum Thema, einem Seminar oder einem Coaching. Lassen Sie uns mit einigen grundlegenden Fakten zur Kommunikation beginnen.
3.1.1 Verbale und nonverbale Kommunikation
Kommunikation stammt aus dem Lateinischen und bedeutet »teilen, mitteilen, teilnehmen lassen«. Dieses Teilen oder Austauschen von Informationen kann schriftlich, mündlich, telefonisch (= verbal) oder durch Mimik, Gesten und Körperbewegungen, also sichtbare körpersprachliche Signale, das heißt nonverbal, stattfinden. In Kapitel 3.2 und 3.3 gehe ich auf beide Kommunikationsformen, verbal und nonverbal, detailliert ein.
3.1.2 Sach- und Beziehungsaspekt
Jede Kommunikation hat einen Sach- und einen Beziehungsaspekt. Die Beziehungsebene dominiert die Sachebene. Diese für viele Menschen provokativ anmutende Aussage ist die Basis von vielen Kommunikationsmodellen. Sagt sie doch aus, dass die Beziehung mit dem emotionalen Wechselspiel zwischen den Kommunikationspartnern wichtiger ist als die Sachebene mit ihren objektiv überprüfbaren Tatsachen, wie zum Beispiel Termine, Anleitungen und Fotos. Die bekannteste Metapher dazu ist das Eisberg-Modell. Das Modell besagt, dass die Beziehungsebene im Verborgenen mit sechs Siebteln einen wesentlich größeren Einfluss auf die Kommunikation ausübt als die Sachebene, die nur ein Siebtel umfasst.
Gesteuert wird der unbewusste Teil der Kommunikation durch die Ausgestaltung der Beziehung zwischen der Vertriebsleitung und den Mitarbeitern. Gestaltbar ist die Beziehung am einfachsten am Anfang, wenn die Führungskraft die Position antritt. Danach ist eine Veränderung möglich, aber ungleich schwieriger. Falls Sie demnächst Vertriebsleiter werden, klären Sie für sich Ihr Rollenverständnis und wie Sie die Beziehung zu den Mitarbeitern gestalten wollen. Das Rollenverständnis von Vertriebsleitern ist ein häufiges Thema im Führungscoaching und wird in Kapitel 7 angesprochen.
Wenn Sie das Gefühl haben, als Vertriebsleiter Ihre Rolle nicht angemessen wahrnehmen zu können oder ausreichend akzeptiert zu werden, liegt das häufig daran, dass der Umgang mit ehemaligen Arbeitskollegen zu kollegial ist – ein typisches Problem bei Aufstiegen im eigenen Arbeitsbereich.
Wenn es in einem Mitarbeitergespräch nicht so rund gelaufen ist, wie Sie sich das erhofft haben, und die Gegensätze unüberbrückbar erscheinen, sollten Sie das Gespräch unter Berücksichtigung des Eisberg-Modells Revue passieren lassen, also den Gesprächsprozess betrachten.
Versetzen Sie sich dabei in den Mitarbeiter und stellen Sie sich vor, von welchen Werten, Einstellungen, Erfahrungen, Vorurteilen oder Unsicherheiten der Mitarbeiter geleitet werden mag:
- Wie stark war und ist das gegenseitige Vertrauen – oder gab und gibt es auch Misstrauen?
- Mit welchen Erwartungen sind der Mitarbeiter und Sie in das Gespräch gegangen?
Wenn Sie sich einige Minuten Zeit nehmen, um diese Fragen zu reflektieren, werden Sie eher verstehen, warum es auf der inhaltlichen Ebene keinen Konsens zu geben scheint.
3.1.3 Kommunikation und Führung findet immer statt
Es ist immer wieder hilfreich, sich klarzumachen, welche Tragweite der simple und viel zitierte Satz »Man kann nicht nicht kommunizieren« von Paul Watzlawick hat. Auch wenn in der Begegnung zwischen zwei Personen nichts gesagt wird, findet Kommunikation statt, nur eben ohne Worte, mithin nonverbal. Auch Führung findet immer und bei jeder Begegnung statt, nämlich durch die Art und Weise, wie die Führungskraft und die Mitarbeiter miteinander reden und agieren. Deshalb kann die Führungskraft nach jedem Kontakt mit dem Mitarbeiter reflektieren:
- Wie verlief der Kontakt gerade?
- Welches Rollenverständnis/ welche hierarchische Ordnung drückt sich durch die Art der Kommunikation aus?
Diese Reflexion kann im Prinzip nach jeder flüchtigen Begegnung auf dem Flur geschehen, praktisch werden Sie es eher in einem der vier Regelgespräche (mehr dazu am Ende dieses Kapitels) tun. Dabei verrät die Art und Weise, wie gesprochen wird, auch etwas über die Qualität der Beziehung zu dem Mitarbeiter. Immer wenn es in dem Dialog inhaltlich um etwas sehr Wichtiges ging oder Relevanz für die Zusammenarbeit hat, ist eine Reflexion sinnvoll.
3.2 Kommunikation und Wahrnehmung
Menschen können über die fünf Sinne Umgebungssignale aufnehmen. Dabei wirken unsere Wahrnehmungsorgane wie Sensoren mit unterschiedlichen Übertragungsraten. Was bedeutet dies für die Kommunikation zwischen Führungskraft und Mitarbeiter?
3.2.1 Wahrnehmung und Analyse als Voraussetzung zur Gesprächsführung
Bezüglich der Aufnahme der Umgebungssignale findet man in Veröffentlichungen unterschiedliche Übertragungswerte. Im Schnitt werden folgende Werte genannt, ohne dass wir Gewähr dafür übernehmen können:
- 1.000.000 bit/s für die Augen (sehen)
- 1.000.000 bit/s für die Haut (fühlen)
- 100.000 bit/s für die Ohren (hören)
- 100.000 bit/s für die Nase (riechen)
- 1000 bit/s für die Zunge (schmecken)
Die spannende Frage ist nun, wie unser Gehirn es schafft, diese 2,201 Mio. bit/s zu verarbeiten. Gar nicht, denn die Verarbeitungsleistung unseres Gehirns liegt nur bei 30 bis 40 bit/s. Der Rest geht verloren, bzw. unser Gehirn wählt aus, was wichtig und verarbeitungswürdig ist. Es wählt dabei nach gemachten Erfahrungen selektiv aus und beschränkt sich auf die Verarbeitung dieses selektierten Restes. Und häufig ist Mitarbeitern etwas anderes wichtig als dem Chef; deshalb nehmen Führungskräfte und Mitarbeiter bei derselben Angelegenheit andere Fakten wahr und bewerten folglich auch unterschiedlich, was geschehen ist. Je nachdem, um was es dabei geht, entstehen dann unterschiedliche Wünsche, Absichten und Emotionen. Und wenn diese Unterschiede in einem Gespräch nicht klar sind, treten spätestens bei den nachfolgenden Handlungen Unterschiede auf.
Ein Tipp: Wenn es im Mitarbeitergespräch hakt oder der Konsens nicht so richtig ausformuliert ist oder Ihre Ideen bei den Mitarbeitern nicht zünden, dann steigen Sie gedanklich in einen Hubschrauber und analysieren das Gespräch mithilfe von fünf Aspekten.
Betrachten Sie ein zurückliegendes Mitarbeitergespräch durch diesen Filter bzw. aus dieser Sicht und Wahrnehmung. Stellen Sie sich vor, welche Wahrnehmung, Interpretation und Absichten wohl beim Mitarbeiter vorhanden sind, und greifen Sie dies bei Ihrer Bewertung des Mitarbeiterkontakts auf. Sprechen Sie Ihre Vorstellungen aus und nehmen Sie einen Abgleich zwischen der Mitarbeiterwahrnehmung und Ihrer Wahrnehmung vor, um zum Beispiel Differenzen zu klären.
Diese Art der Bewusstmachung setze ich oft bei Konflikten und Missverständnissen...