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E-Book

Grimm, Disney und die Wandlung der Geschlechterrollen

Eine Gender-Studie zwischen Märchenbuch und Zeichentrickfilm

AutorCarolin Kotthaus
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl52 Seiten
ISBN9783656618720
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2013 im Fachbereich Germanistik - Sonstiges, Note: 1,3, Bergische Universität Wuppertal, Sprache: Deutsch, Abstract: Ob nun die Kinofilme Snow White and the Huntsman, Rapunzel - Neu verföhnt und Hänsel und Gretel oder die amerikanischen TV-Serien Grimm und Once Upon a Time, gerade zum 200sten Jubiläum der Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm sind Filmadaptionen der Grimmschen Märchen so beliebt wie nie zuvor. Einer der Ersten, der sich die Märchen vornahm und zu einem Film umschrieb, war der amerikanische Visionär Walt Disney. 1939 kam seine erste Märchenadaption in die Kinos - der Zeichentrickfilm Schneewittchen und die sieben Zwerge. Seitdem steht der Name Disney für spannende Familienunterhaltung, spricht damit sowohl Kinder als auch Erwachsene an und erzählt die Geschichten von Helden und Heldinnen in ganz verschiedenen Lebensumständen. Fünf der über 50 Zeichentrickfilme Disneys sind Adaptionen Grimmscher Märchen, deren Protagonistinnen und Protagonisten meistens eine Prinzessin oder ein Prinz sind und ein glückliches Ende beinhalten. Auffallend ist dabei die Wandlung der Charaktere. Ist es in vielen bekannten Märchen wie z.B. Dornröschen doch meist der Prinz, der als mutiger Held auftritt und die Prinzessin rettet, so fällt in den neuesten Disney-Filmen auf, dass die Protagonistinnen nun immer öfter selbst für sich einstehen oder sogar ihrerseits den Protagonisten retten. Sicher hat diese Entwicklung etwas mit dem Geist unserer Zeit zu tun, einer Zeit, die besonders durch den Aufschwung der Frauenbewegung in den 1970er Jahren geprägt ist und in der das Thema 'weibliche Emanzipation' immer noch Diskussionen hervorruft. Auch in Hollywood, dem Geburtsort der Disney-Adaptionen und vieler anderer großer Kinofilme, wird vermehrt für ein starkes Frauenbild in Filmen plädiert. Immer öfter kann man in Filmen entdecken, dass das an die Märchen angelehnte Bild der schwachen, wartenden Prinzessin abgelehnt wird und dass Frauen stattdessen für sich selbst einstehen, anstatt auf den heldenhaften 'Märchenprinzen' zu warten. Diese Neigung hin zum emanzipierten Frauenbild reicht von TV-Serien über Fernseh- zu Kinofilmen und betrifft alle möglichen Genres für alle Altersgruppen. Obwohl manche Szenen, die solch ein Frauenbild präsentieren, komödiantisch gehalten sind, zeigen sie doch etwas davon, was in dieser Bachelorthesis erforscht werden soll: die Wandlung des Helden und der Heldin über die Jahrhunderte.

Bachlor of Arts: Germanistik und Anglistik, Master of Arts: Buchwissenschaften: Verlagspraxis, Lektoratsvolontärin bei Droemer Knaur, Hobby-Autorin.

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Leseprobe

3. Die Entwicklung vom konservativen Grimm-Märchen zum emanzipatorisch geprägten Disney- Film


 

3.1 Ausgangssituation, Handlungsverlauf und Ende der Geschichten im Überblick


 

Disneys Schneewittchen zeigt eine ähnliche Ausgangssituation wie das Märchen. Die Protagonistin lebt zu Hause bei ihrer Stiefmutter, der bösen Königin. Diese sieht Schneewittchen als Rivalin, die ihr den ersten Platz als landesweite Schönheit stiehlt. Die Vorgeschichte rund um Schneewittchens Geburt, ihr erwünschtes Aussehen, der Tod der Mutter und die Wiederheirat des Vaters wird nicht erwähnt. Stattdessen gibt es filmische Elemente, die im Märchen nicht zu finden sind. Schneewittchens erster Auftritt findet statt, als sie in geflickter, unscheinbarer Kleidung am Brunnen im Hofe des Palastes singend Wasser holt. Ihr Lied handelt von ihrem Wunsch, dass der Prinz ihrer Träume sie endlich finden möge. Tatsächlich reitet in diesem Moment ein Prinz am Schloss vorbei und klettert, von ihrem Gesang angezogen, über die Mauer. Schneewittchen ist so erschreckt über die plötzliche Erfüllung ihres Wunsches, dass sie vor dem Prinzen fortläuft und sich versteckt - auch als ihr dieser im Lied seine Liebe gesteht. Der weitere Handlungsverlauf ist ähnlich wie im Märchen. Die Stiefmutter gibt dem Jäger aus Neid den Auftrag, Schneewittchen zu töten. Sie kann jedoch entkommen und findet bei den Zwergen ein Zuhause. Im Gegensatz zum Märchen ist die böse Königin bereits als Hexe bekannt und tritt auch als solche auf. Die drei Versuche, Schneewittchen zu töten, werden auf einen reduziert. Der tödliche Apfel ist nicht nur halbseitig vergiftet, sondern komplett verhext. Der Biss in den angebotenen Apfel geschieht nicht aus dem Motiv heraus, dass der Apfel so wohlschmeckend aussieht, sondern weil die verkleidete Königin verspricht, dass ein Biss in den Apfel Schneewittchen jeden Wunsch garantieren werde. Schneewittchens sehnlichster Wunsch ist, den Prinzen ihrer Träume zu heiraten und deshalb beißt sie in den Apfel. Die Königin erklärt, dass nur „der wahren Liebe Kuss“ Schneewittchen wieder zum Leben erwecken kann. Die folgenden Szenen mit Schneewittchen und der bösen Königin wechseln sich ab mit Szenen, in denen die Tiere des Waldes versuchen die Zwerge zu Schneewittchens Rettung heimzuholen. Die böse Königin bekommt ihre gerechte Strafe nicht wie im Märchen auf Schneewittchens Hochzeit mit dem Prinzen, sondern stürzt auf ihrer Flucht aufgrund einer Verkettung von verschiedenen Naturgewalten in einen tiefen Abgrund. Als die Zwerge endlich bei Schneewittchen eintreffen, ist diese durch den Biss in den Apfel bereits gestorben. Wie im Märchen trauern die Zwerge am Sarg Schneewittchens. Der Prinz kommt im Film allerdings nicht zufällig am Haus der Zwerge vorbei, sondern hört von ihrem Tod. Anstatt dass seine Diener den Sarg forttragen, küsst der Prinz Schneewittchen, wodurch sie wieder zum Leben erwacht. Er hebt sie aus dem Sarg, setzt sie auf sein Pferd und führt sie zu seinem Schloss.

 

Die Ausgangssituationen und das Ende des Disney-Films Cinderella sind der Märchenvorlage Aschenputtel sehr ähnlich. Beide Geschichten beginnen jeweils damit, dass die Protagonistin ihre Mutter verliert, ihr Vater erneut heiratet und die neue Stiefmutter und die Stiefschwestern ihr das Leben schwer machen und sie in Abwesenheit des Vaters zu harter Arbeit zwingen. Die Geschichten schließen weiterhin jeweils damit, dass die Protagonistin sich als Besitzerin des verlorenen Schuhs herausstellt und den Prinzen heiraten darf. Sehr verändert hat sich dagegen der Handlungsverlauf. Cinderella schläft nicht neben dem Kamin, sondern in einer Kammer im Turmzimmer. Sie pflegt eine enge Freundschaft zu ein paar Mäusen und Vögeln, die sie morgens wecken und ihr teilweise bei ihrer Arbeit helfen. Im Gegensatz zum Märchen wird viel detaillierter gezeigt, welche Arbeit Cinderella verrichten muss. Viele Szenen dagegen berichten nicht über die eigentlichen Hauptcharaktere, sondern zeigen komödiantische Begebenheiten zwischen den Tieren des Hauses, die teilweise in Rivalität zueinander stehen. Deutlich unterscheidet sich auch die Art, wie Cinderella im Gegensatz zu Aschenputtel ihre Kleider und eine Kutsche für den Ball bekommt. Steckt im Märchen die Magie im Grab der verstorbenen Mutter, so hat Cinderella im Film eine gute Fee, die sie für eine geraume Zeit äußerlich in eine Prinzessin verwandelt. Auch beim Besuch des Balls gibt es im Vergleich zur Märchenhandlung einen Unterschied. Wie schon im Fall Schneewittchens, bei dem die drei Besuche der Stiefmutter im Film auf einen reduziert werden, findet sich in Cinderella ebenfalls nicht mehr die für ein Kunstmärchen typische Dreizahl.[134] Nur an einem Abend findet ein Ball im Schloss des Prinzen statt. Diese Reduktion steigert die Dramatik im Film, da Cinderella nun eben nicht mehr drei Chancen, sondern nur noch eine hat, dem Prinzen zu begegnen. Ihre Verzweiflung über die Gemeinheiten ihrer Stieffamilie zeigt sich dadurch umso deutlicher. Vor diesem Hintergrund ist es enttäuschend, dass die Figur des Prinzen nicht wie im Märchen besser herausgearbeitet ist. Zwar tanzt er auf dem Ball ausschließlich mit ihr, doch ist dies die einzige Szene, in der auftritt. Er eilt im späteren Verlauf nicht persönlich zu Cinderellas Rettung und bleibt auch bei der erwähnten Tanz-Szene eine eher „farblose Figur“.[135] Die Retter und Helden des Films bleiben die Tiere, die die eingesperrte Cinderella am Ende aus ihrem Zimmer befreien und ihr somit noch gerade rechtzeitig zur Schuhanprobe verhelfen.

 

Auch der Disney-Film Dornröschen unterscheidet sich in seiner Handlung und in seinen Charakteren sehr stark vom Märchen. Dornröschen heißt im Film Aurora. Der Prinz, der im Märchen erst ab der zweiten Hälfte der Geschichte eine wichtige Rolle spielt, wird im Film schon zu Beginn eingeführt und trägt den Namen Philipp. Aurora und Philipp sind noch Kinder, als ihre Väter bereits ihre spätere Heirat arrangieren. Ähnlich wie im Märchen sind zur Geburt der kleinen Prinzessin Feen geladen, die ihre Segenswünsche über das Kind aussprechen wollen. Statt zwölf Feen gibt es aber nur drei - Flora, Fauna und Sonnenschein. Die erste Gabe, die Aurora durch die Feen erhält, ist - wie im Märchen - Schönheit. Der zweite Wunsch ist jedoch nicht Tugend, sondern eine schöne Stimme. Im Anschluss an diese Szene taucht Malefiz auf, die böse vierte Fee, die wie die 13. Fee im Märchen erbost darüber ist, dass sie nicht eingeladen wurde, und als Rache einen Fluch über das Kind ausspricht. Die dritte gute Fee kann diesen Fluch wie im Original abmildern: Aurora soll nicht sterben, sondern in einen tiefen Schlaf fallen. Der Schlaf ist im Film jedoch nicht auf 100 Jahre begrenzt, sondern wird dann beendet sein, wenn die Prinzessin durch „der wahren Liebe Kuss“ aufgeweckt wird. Hat sich diese Ausgangssituation noch teilweise an das originale Märchen gehalten, so weicht der restliche Handlungsverlauf sehr davon ab. Um Aurora vor dem Fluch Malefiz' zu schützen, ziehen die drei guten Feen die Prinzessin versteckt im Wald auf. Als Aurora kurz vor ihrem 16. Geburtstag steht, trifft sie einmal während eines Spaziergangs zufällig auf Prinz Philipp. Die beiden erkennen sich nicht, verlieben sich aber augenblicklich ineinander. Ihre beiden Väter planen währenddessen immer noch die Hochzeit zwischen ihnen, doch Aurora und Philipp wissen beide nicht, dass ihre zukünftigen Partner sie selbst sind, und sind bestürzt, dass sie scheinbar jemand Fremdes heiraten sollen. Auch der Stich an der Spindel geschieht nicht dadurch, dass die Prinzessin neugierig den Turm erforscht, sondern weil Malefiz Aurora mithilfe von magischer Hypnose zur Spindel führt. Aurora schläft ein. Der Schlaf, der gleichzeitig über das Schloss fällt, gehört allerdings nicht zu Malefiz' Fluch, sondern wird zum Schutz von den guten Feen ausgesprochen. Die Rettung Auro- ras geschieht durch den Prinzen und die drei Feen, die zuerst noch gegen die Dornenhecke und gegen Malefiz in Drachengestalt kämpfen müssen. Nach dem Sieg über die böse Fee findet Prinz Philipp endlich die schlafende Aurora, weckt sie mit einem Kuss auf und führt sie zur Freude der königlichen Väter als seine zukünftige Braut in den Ballsaal des Schlosses.

 

Wie bei Dornröschen kann man auch zwischen dem Film Küss den Frosch und seiner Märchenvorlage Der Froschkönig keine großen Übereinstimmungen feststellen. Wenn man sich jedoch einige zentrale Motive anschaut, fallen sehr wohl ein paar Gemeinsamkeiten auf. So findet sich in der Ausgangssituation bei beiden Geschichten eine junge, alleinstehende Frau, die aus einer Notsituation heraus einen Handel mit einem verzauberten Frosch eingeht. Im Handlungsverlauf zeigt sich, dass die junge Frau durch den Handel in eine für sie höchst unerwünschte und missliche Lage kommt. Das Ende verrät, wie diese missliche Lage überwunden wird, sodass die beiden Protagonisten als menschliches Prinzenpaar eine Ehe beginnen. Eine starke Veränderung liegt jedoch darin, dass Tiana in Küss den Frosch keine Königstochter ist, sondern zur schwarzen Arbeiterklasse New Orleans gehört. Bei dem Handel zwischen Tiana und dem verzauberten Frosch geht es um Geld für Tianas geplantes Restaurant und nicht wie im Märchen um eine goldene Kugel. Die missliche Lage resultiert daraus, dass Tiana aufgrund eines Irrtums selbst zum Frosch wird, anstatt sich nur um den unerwünschten Frosch kümmern zu müssen. Auch die Rückverwandlung in ihre menschliche Gestalten geschieht nicht einfach nur durch märchenhafte Magie, indem der Frosch an die Wand geschmissen wird, sondern ist in typischer Disney-Manier durch „der wahren Liebe Kuss“...

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