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E-Book

Fidel Castro: Eine Biographie

AutorVolker Skierka
VerlagASPC Capital Media
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl1 Seiten
ISBN9783944780009
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Der kubanische Staatschef Fidel Castro ist eine der interessantesten und umstrittensten Persönlichkeiten des zwanzigsten Jahrhunderts - Mythos und Ikone gleichermaßen. Der Jesuitenschüler und Großgrundbesitzersohn ist ein charismatischer Patron, der sein karg gehaltenes Land seit über 40 Jahren mit strenger Hand regiert wie eine riesige Latifundie. Seine Stärke bezog und bezieht er daraus, dass er der erste kubanische Caudillo war, der sein Land aus der Abhängigkeit von den USA löste und ihm eine nationale Identität gab. Der Lateinamerika-Kenner Volker Skierka rekonstruiert die Lebensgeschichte Fidel Castros und damit zugleich die Geschichte der kubanischen Revolution. Er greift dabei auf wenig bekannte Quellen und Dokumente zurück. Seine Untersuchung ist eine genau recherchierte und spannend geschriebene Darstellung des widerspruchsvollen Lebens und Wirkens von Fidel Castro. Am Ende steht die Frage nach der Zukunft des Karibikstaates: Wird Castro sein Land für Wirtschaftsreformen und Demokratisierung öffnen, oder behält sein alter Leitspruch Gültigkeit: «Socialismo o muerte» - Sozialismus oder Tod?

Volker Skierka, geboren 1952 in Rheinfelden/Baden. Seit 1973 Tätigkeit als Journalist bei den «Nürnberger Nachrichten» und der Nachrichtenagentur Reuters. 1979-1992 Korrespondent der «Süddeutschen Zeitung» für Berlin (West) sowie Norddeutschland und Nordeuropa, von 1989-1992 in Lateinamerika. 1992-1997 Chefredakteur der Zeitschrift «Merian». Seither freier Publizist für Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunksender. Autor mehrerer Bücher. Neben Stephan Lamby Co-Autor des Fernseh-Dokumentarfilms für den WDR und die ARD 'Fidel Castro - Ewiger Revolutionär' (2004). Volker Skierka erhielt 1981 den Egon-Erwin-Kisch-Preis und ist Mitglied im PEN-Deutschland. Homepage und E-Mail: www.skierka.de

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Leseprobe

2 Der junge Fidel


Unter Jesuiten


Das erste Mal, dass im Weißen Haus in Washington der Name des kubanischen Staatsbürgers Fidel Castro zu den Akten genommen wird, ist im Jahre 1940. Mit Datum vom 6. November gratuliert der junge Internatsschüler des Jesuitenkollegs Dolores in Santiago de Cuba dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, Franklin D. Roosevelt, zu dessen Wiederwahl. Bevor er den dreiseitigen Brief mit einem «Good by[e] Your friend» und einer Unterschrift aus schwungvollen Schnörkeln beendet, äußert er noch eine persönliche Bitte: «Wenn Sie mögen, schicken Sie mir eine grüne amerikanische Zehn-Dollar-Note im Brief, denn ich habe noch nie eine grüne amerikanische Zehn-Dollar-Note gesehen und würde gerne eine davon haben wollen.»[7] In dem Brief behauptet Castro, zwölf Jahre alt zu sein. Sollte dies der Wahrheit entsprechen, würde es bedeuten, dass Castro zwei Jahre jünger ist als offiziell angegeben.[8] Eine Antwort des Präsidenten erhält er nicht, immerhin aber ein Dankschreiben des State Department. Ein Geldschein liegt allerdings nicht dabei. Niemand kann zu diesem Zeitpunkt ahnen, dass dieser Junge, wenn er einmal groß sein wird, den Amerikanern alles wegnehmen wird, was sie auf Kuba haben.

Zur gleichen Zeit, als Fidel Castro seine Zeilen an den US-Präsidenten abfasst, tritt auch jener Mann erstmals als kubanischer Präsident in Erscheinung, der zwölf Jahre später das Feindbild des jungen Briefeschreibers als Büttel der Amerikaner verkörpern wird: Fulgencio Batista y Zaldívar, ein mulattischer Arbeitersohn aus Banes, unweit von Castros Geburtsstätte in der kubanischen Ostprovinz Oriente. Batista, Jahrgang 1901, gilt als verschlagen, rücksichtslos und bestechlich. Der ehemalige Armeestenograph hat sich 1933 nach dem Sturz des Diktators General Gerardo Machado auf die von Korruption und Gewalt beherrschte politische Bühne seines Landes geputscht. Er hält sich zunächst im Hintergrund, führt aber als Mann der Amerikaner die politische Regie und bringt es zum Generalstabschef. In dieser Zeit läuft ihm in Havanna der Mafioso Meyer Lansky über den Weg. Ihre Freundschaft sollte später das politische Gesicht der Insel prägen.

Bei der Besetzung des höchsten Staatsamts verschleißt Batista in sieben Jahren sieben Marionettenpräsidenten, ehe keine rechte Alternative mehr zur Wahl steht außer ihm selbst. So wird Batista von 1940 an als gewählter Präsident für die nächsten vier Jahre Roosevelts Gewährsmann auf der Zuckerinsel, die wirtschaftlich völlig am Tropf der USA hängt. An seiner Regierung ist nicht nur die moskauhörige PSP (Partido Socialista Popular) mit zwei Ministern beteiligt, was vor dem Hintergrund des alliierten Bündnisses im Zweiten Weltkrieg von den USA hingenommen wird. In dieser Zeit erhält Kuba die fortschrittlichste Verfassung Lateinamerikas, selbst wenn sie in wesentlichen Teilen wie der Umverteilung des von US-Konzernen beherrschten Grund und Bodens nicht umgesetzt wird. Nach einer achtjährigen Auszeit während der Präsidentschaft der nicht minder korrupten Präsidenten Ramón Grau San Martín (1944–1948) und Carlos Prío Socarrás (1948–1952) putscht Batista sich am 10. März 1952 unmittelbar vor den regulären Präsidentschaftswahlen wieder an die Macht und begründet eine Diktatur, welche der Regierung in Washington und seinen Freunden um Meyer Lansky gleichermaßen in die Hände arbeitet. Am 1. Januar 1959 wird er schließlich von einem jungen Revolutionär namens Fidel Castro gestürzt und davongejagt werden.

Dabei lässt Castros Herkunft auf alles andere als auf eine Karriere als Revolutionär schließen. «Ich wurde in eine im Wohlstand lebende Landbesitzerfamilie hineingeboren. Wir galten als reich und wurden entsprechend behandelt. Ich wurde mit all den Privilegien, die dem Sohn einer solchen Familie angemessen waren, großgezogen. Jedermann schenkte mir Beachtung, schmeichelte mir und behandelte mich anders als jene Jungens, mit denen wir spielten, als wir Kinder waren. Diese anderen Kinder gingen barfuß, während wir Schuhe anhatten, sie waren oft hungrig, während es bei uns am Tisch immer Gezänk gab, damit wir etwas aßen.»[9]

Geburtsort Fidel Castros: Die «Finca Mañacas» bei Birán am Fuße der Sierra del Cristal im Osten Kubas zwischen Santiago de Cuba und Holguin. Foto: Volker Skierka

Der spätere Revolutionär und kubanische Staats- und Regierungschef wird, folgt man den offiziellen Angaben des kubanischen Staatsrates, am 13. August des Jahres 1926 geboren. Er kommt morgens gegen zwei Uhr, knapp zehn Pfund schwer, auf die Welt.[10] Nach seinen Geschwistern Ángela und Ramón ist er bereits das dritte uneheliche Kind des fünfzigjährigen Gutsbesitzers Ángel Castro y Argiz und dessen nur etwa halb so alter Haushälterin und Köchin Lina Ruz González. Wie seine Geschwister bekommt auch er den Namen eines Heiligen: Fidel. Sein zweiter Vorname wird Alejandro. Der Name Fidel ist abgeleitet von dem spanischen Wort «fidelidad», das für Treue und Glauben, Loyalität und Zuverlässigkeit steht. «In diesem Sinn bin ich völlig mit meinem Namen einverstanden, sowohl mit der Treue als auch mit dem Glauben, denn einige haben einen religiösen Glauben, andere glauben eben anders. Ich bin ein Mann des Glaubens, des Vertrauens, des Optimismus.»[11] Dabei sei «der Ursprung dieses Namens gar nicht so idyllisch» gewesen. «Sie gaben mir den Namen, weil irgendjemand mein Pate sein sollte.» Es handelt sich um Fidel Pino Santos, einen Freund des Vaters, «eine Art Bankier der Familie. Dieser Mann war sehr reich, viel reicher als mein Vater. Man sagte, er sei Millionär, […] Millionär zu sein, das war etwas ganz Kolossales; […] zu einer Zeit, als andere pro Tag einen Dollar oder Peso verdienten.»

Die Familienverhältnisse sind ziemlich zerrüttet. Angeblich verlässt die Ehefrau María Luisa Argote, mit der Fidels Vater zwei weitere Kinder hat – Pedro Emilio und Lidia –, nach Fidels Geburt die Familie. Die Ehe soll später geschieden worden sein. Ángel Castro heiratet schließlich seine Bedienstete, die ihm noch vier weitere Kinder schenkt: Juana, Raúl, Emma und Augustina. In welchem Jahr die Hochzeit stattgefunden hat, ist allerdings unklar. Die Trauung vollzieht Enrique Pérez Serantes aus Santiago de Cuba, ein befreundeter Priester, der wie Ángel Castro und die Eltern von Lina Ruz aus dem spanischen Galicien kommt. Er tauft auch Fidel. Allerdings erst, als dieser mit «fünf oder sechs Jahren» bei Pflegeeltern in Santiago de Cuba einquartiert ist, wo er privaten Schulunterricht erhält. Offenbar sind die zeitweilig unklaren familiären Beziehungen in Verbindung mit Fidel Castros unehelicher Geburt der wahre Grund dafür, dass der Taufpate nicht zur Verfügung steht und der kleine Junge den Segen der Kirche zunächst nicht erhält. «Die Folge des Wartens […] war, dass ich ungetauft blieb und daraufhin ‹Jude› genannt wurde. Sie sagten: ‹Da ist der Jude!› Ich war erst vier oder fünf Jahre alt […]. Ich wusste nicht, was das bedeutete, aber unbezweifelbar wurde das mit einer abschätzigen Betonung gesagt, als hätte die Tatsache, dass ich nicht getauft war, etwas Beschämendes an sich.»[12] Nachdem «mein reicher Pate niemals auftauchte, […] musste ich selbst eine Lösung für dieses Problem finden, denn ich war schon fünf Jahre alt und immer noch ‹Jude›, wie sie sagten. […] Eines Nachmittags brachten sie mich zur Kathedrale von Santiago de Cuba, […] wo sie mich mit Weihwasser besprengten und mich tauften. Dadurch wurde ich also zum normalen Bürger, den anderen gleich […].»[13] Das religiöse Vorurteil, durch das er eine offenbar sein Leben lang nachempfundene Diskriminierung erfährt, ohne zunächst die Umstände recht einordnen zu können, führt dazu, dass er selbst es ist, der seinen Pflegevater dazu bringt, die Patenschaft für ihn zu übernehmen: Er ist der Mann der Schwester seiner Lehrerin und immerhin Konsul von Haiti in Santiago. Es ist nicht klar, ob Fidels leibliche Eltern bei der Taufe überhaupt zugegen waren. Der Taufpater, der Geistliche Pérez Serantes, wird für Fidel Castro noch eine wichtige Rolle spielen: Viele Jahre später – inzwischen zum Erzbischof aufgestiegen – sollte er Fidel Castro nicht nur das Leben retten, als ihn Batistas Soldaten nach seinem gescheiterten Sturm auf die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba gefangen nehmen und kurzen Prozess mit ihm machen wollen.[14] Der Mann in der Soutane wird für Castros revolutionäre Bewegung auch zu einem wichtigen Verbindungsmann werden. Aber er sollte sich eines Tages dann enttäuscht von dessen Revolution abwenden und dafür sogar kurze Zeit unter Arrest gestellt werden.

Castros Zuhause, die «Finca Mañacas» (Palmenhof), liegt eingebettet in einer idyllischen, sanften Hügellandschaft an den Ausläufern des Altiplano de Nipe der Sierra del Cristal zwischen Santiago de Cuba, der zweitgrößten und -wichtigsten Stadt des Landes, und dem Munizip Mayarí, gut 20 Kilometer südlich der Bucht von Nipe. Nahebei verläuft der alte «Königsweg» ins 1000 Kilometer entfernte Havanna. Die Gegend zählt zu den schönsten Landschaften Kubas; sie ist zu jener Zeit berüchtigt als der «Wilde Osten», der beherrscht wird von Banditen, dem Faustrecht und der nordamerikanischen United Fruit Company mit ihren bewaffneten «Sheriffs». Es ist jener Landstrich, welcher von den alten Männern des «Buena Vista Social Club» in ihrem «Chan Chan» besungen und Ende der neunziger Jahre durch millionenfache Verbreitung...

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