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Nicht ohne meinen Sohn

Er war ihre große Liebe, doch als alles zerbricht, will er ihr das Einzige nehmen, was sie noch hat: ihren Sohn ...

AutorAlice Huth, Anna Peters
Verlagmvg Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783864156670
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
So unglaublich wie schockierend: Einer fürsorglichen deutschen Mutter wird ohne Schuld das Sorgerecht für ihren Sohn entzogen ... Es ist die große Liebe, als Anna 2005 den Kanadier Paul kennenlernt. Trotz Fernbeziehung schwebt Anna im siebten Himmel. Als im Mai 2009 ihr Sohn Mats geboren wird, ist ihr Glück vollkommen. Doch schon zwei Jahre später liegt ihr Leben in Scherben: Als Anna sich wieder einmal mit Mats in Kanada aufhält, erfährt sie, dass ihr Mann sie betrügt. Sie fliegt mit Mats zurück nach Deutschland - doch Paul lässt den beiden keine Ruhe. Eine nervenaufreibende Schlacht um Mats beginnt, die Anna nicht nur an den Rand des finanziellen Ruins bringt. Nicht ohne meinen Sohn ist der mutige Kampf einer jungen Mutter gegen die Windmühlen der Justiz. Es ist der Kampf einer Frau, die nicht aufgibt, so sehr sich auch alle gegen sie verschworen haben. Ein Manifest grenzenloser Mutterliebe.

Alice huth ist freie lektorin und Autorin und war unter anderem für dtv und den graf Verlag tätig. Anna Peters, geboren 1979, wuchs in Dortmund auf und ist ausgebildete Reiseverkehrskauffrau. Sie arbeitet seit 2005 als Flugbegleiterin außer in ihrer Elternzeit zwischen Mai 2009 und Mai 2012, in der sie sich ausschließlich um Mats kümmerte. Nicht ohne meinen Sohn ist Teil ihres aufreibenden Kampfes um eine Zukunft mit Mats.

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Leseprobe

Teil I


Ready for ­take-off


Holguin, Kuba – Alles auf Anfang


Seit ich denken kann, träume ich vom Fliegen. Eine Startbahn in der Morgendämmerung – da krieg ich Gänsehaut. Die Atmosphäre am Flughafen, das Unterwegssein, fremde Kulturen, unbekannte Orte – dafür lebe ich. Vielleicht verstehst du die Welt anders, wenn du viel fliegst? Auf jeden Fall kommst du nicht mehr davon los, wenn du einmal dabei bist. Ich würde nie mehr am Boden arbeiten wollen. Dieser Job ist meine Leidenschaft.

Der Flug Düsseldorf–Holguin im Mai 2005 war einer meiner ersten Langstreckenflüge.

Beim Bewerbungsgespräch der Fluggesellschaft war es zugegangen wie bei Deutschland sucht den Superstar. Mehr als fünfzig Bewerber und eine Handvoll Jobs. Da hieß es »Du bist raus, du bist raus, nächste Runde.« Suggestivfragen, Verunsicherung, Provokation. Am Ende kamen mir vor lauter Glück und Erschöpfung die Tränen. Mit Mitte zwanzig und einer abgeschlossenen Ausbildung als Reise- und Verkehrskauffrau war ich endlich da, wo ich immer hinwollte.

Ich war das Küken in der Crew, und trotz der Strapazen eines fast zehnstündigen Flugs in einem voll besetzten Airbus fühlte ich mich wie elektrisiert, als meine Kollegin Doris vorschlug: »Wir treffen uns nach dem Einchecken in der Hotelbar.« Das Playa Pesquero ist ein Vier-Sterne-Resort im Osten Kubas mit weitläufiger Anlage, Animationsangeboten und allem Komfort. Ich konnte mich kaum sattsehen, während ich aufgeregt neben meinen Kolleginnen, unserem Purser, Kapitän und Copilot an der Bar lehnte. Die anderen kannten die Destination schon und wurden nach einem Glas Sekt und ein paar Bemerkungen über den unauffälligen Flug, das Wetter und die Sonderwünsche eines älteren Reisenden allmählich müde. Vergeblich versuchte ich, sie zum Bleiben zu bewegen.

»Vielleicht morgen wieder«, winkte meine Kollegin Karin ab. Unschlüssig sah ich ihr hinterher – auf sie warteten ein bequemes Bett und ein Routinegespräch mit Mann und Kindern. Sollte ich meinen ersten Abend in Kuba etwa alleine auf meinem Zimmer verbringen und auf der Suche nach einem deutschen Sender durch die Programme zappen? Ich beschloss, dass ich noch einen Drink vertragen konnte. Allerdings wurde es mir allein, mit meinem Sektglas in der Hand, ungemütlich an der Bar. Inzwischen hatte sich die Tanzfläche gefüllt: Urlaubsgäste in Feierlaune, Kinder, die zu Chartmusik im Kreis sprangen, Animateurinnen, die unter der Schminke müde aussahen. Auch die runden Zweier- und Vierertische an der Längsseite des Raumes waren besetzt.

»Darf ich?«, steuerte ich einen der wenigen freien Plätze an einem Vierertisch an. Der junge Mann nickte und ich setzte mich, von ihm abgewandt, mit Blick auf die Tanzfläche. Ich hatte schon beinahe vergessen, dass ich nicht allein am Tisch saß, als er mich antippte.

»Feuer?«, fragte er mit dem breiten Akzent der Kanadier. Ich reichte ihm schweigend mein Feuerzeug. Damals wurde noch überall geraucht, blaue und rote Dunstkringel stiegen von den Tischen auf und wanden sich im Discolicht träge zur Decke empor.

Als mein Tischnachbar sich wieder zu mir wandte, hatte ich ihm noch immer nicht in die Augen geschaut. Er beugte sich vor und ich sah, wie sich sein Mund beim Reden öffnete und schloss, verstand aber kein Wort. Mit einem Achselzucken signalisierte ich ihm, dass es hier zu laut war. Er wies zur Tür und bedeutete mir, ob ich ihn nicht in die Lobby begleiten wolle, dort sei es ruhiger. Nun sah ich ihn mir genauer an. Etwa mein Alter, Brille, dunkles Haar. Der Jeans-und-T-Shirt-Typ. Als ich ihm endlich in die Augen sah, fiel mir das sonderbare Grün-Braun seiner Iris auf. Moos und Haselnuss. Ja, warum eigentlich nicht? Wir standen auf und ich bemerkte, wie groß er war.

Die nächsten Stunden verbrachten wir in der hell erleuchteten Hotellobby, wir tranken, redeten und beobachteten das nächtliche Treiben, das Kommen und Gehen der Reisenden, die routinierten Gesten des Personals. Mein neuer Bekannter hieß Paul, kam aus Cobourg und war ein guter Zuhörer. Er stellte Fragen zu meinem neuen Job und verzichtete auf die üblichen Komplimente. Selbst nach zwei Stunden Unterhaltung hatte er noch immer nicht den Spruch mit den blauen Augen gebracht. Gefällt mir, machte ich mir in Gedanken eine Notiz. Beiläufig erwähnte Paul seine Arbeit bei Tim Hortons, einer kanadischen Coffee-Shop-Kette, und ich stellte mir vor, wie er hinter einer Theke stand, mit ruhigen Bewegungen Milch aufschäumte und Kuchenstücke ausgab. Er war auf angenehme Art unaufgeregt, und er sah gut aus. Als er mich schließlich auf mein Zimmer begleitete, erschien mir das irgendwie folgerichtig.

»Wo sehen wir uns wieder?«, fragte er am nächsten Morgen.

»Am Strand?«, schlug ich vor.

»Der Strand ist groß«, gab er zurück.

Ich grinste. Offenbar lag ihm wirklich an einem zweiten Treffen. Und warum auch nicht? Mir fiel nichts ein, was dagegen gesprochen hätte.

Wir trafen uns in der Abenddämmerung bei einer kleinen Eisdiele an der Strandpromenade und nahmen unser Gespräch mühelos da wieder auf, wo wir es in der Nacht unterbrochen hatten. Unsere Crew blieb fünf Tage im Playa, und ich verbrachte fünf lange Abende und fünf kurze Nächte mit dem hübschen kanadischen Jungen. Am Tag unserer Abreise reichte er mir einen eng beschriebenen Zettel mit seiner Handynummer, seiner Festnetznummer, seiner Nummer im Tim Hortons, seiner privaten und seiner beruflichen E-Mail-Adresse. Die Liste, die Paul pedantisch und in säuberlicher Handschrift angelegt hatte, wollte nicht so recht zu der Unverbindlichkeit und Leichtigkeit der letzten Tage passen.

Ich warf ihm einen skeptischen Blick zu. »Mit dir ist man auf der sicheren Seite, was?« Er grinste. Mit einem Anflug von Unwillen notierte ich meine eigene E-Mail-Adresse.

Inzwischen wusste ich, dass Paul etwas jünger war als ich und mit seiner Familie reiste. Seine Mutter, eine adrette Fünfzigjährige mit gesträhntem Bob und blauen Augen, hatte mich am Strand mit einem kurzen, klaren Blick bedacht, als wollte sie Maß nehmen. Sie und ihr Mann hatten einen netten Eindruck gemacht, auf jene unangestrengte und unverbindliche Art, die ich an Nordamerikanern manchmal beneide. Ich hatte mich jedoch rasch wieder abgewandt – was sollte ich bei den Eltern eines Jungen, den ich selbst kaum kannte, lieb Kind machen.

Holguin war das typische Urlaubsziel: heiße, lange Strandtage, eisgekühlte Drinks, Sand in den Sandalen, spärlicher Schatten unter Palmen – und der Satz, mit dem unser Kapitän das Heftpflaster in meiner Halsbeuge und mein Erröten quittierte: »Ich wusste ja, dass man dich nicht eine Sekunde aus den Augen lassen darf, Anna!« Viel mehr fällt mir heute nicht mehr zu Holguin ein. In meiner Erinnerung ist diese Zeit wie ein weißes Blatt, durchscheinend, fünf Tage voller ungewisser Ahnungen. Hätte man mir gesagt, dass Holguin der Anfang einer Geschichte sei, die mein Leben verändern würde, ich hätte mich nicht gewundert. Aber ich hätte nie geahnt, was für eine Rolle Paul darin spielen würde.

Wieder in Dortmund, erzählte ich meiner besten Freundin von meiner kanadischen Eroberung. »Ruf doch mal an«, riet Lena in ihrer zupackenden Art. »Oder würdest du dich etwa nicht freuen, wenn dich nach deinem nächsten Langstreckenflug ein charmanter Typ am Gate abholt und dir Toronto zeigt?«

Zwei Wochen später griff ich aus einer Laune heraus tatsächlich nach dem Telefon. Pauls Stimme auf dem Anrufbeantworter bestätigte meinen Verdacht: Die Nummer stimmte. Ich hinterließ keine Nachricht.

Drei Tage darauf erreichte er mich. Es war Freitagabend und meine Freundin Lena und ich waren in Ausgehstimmung. Wir teilten uns gerade den Platz vor meinem Waschbecken, als mein Handy klingelte. Den Lippenstift auf halber Höhe, traf mich der erstaunte Blick meiner Freundin im Spiegel. Es war schon nach 23 Uhr. Als Paul sich meldete, verschlug es mir im ersten Moment die Sprache. Woher hatte er meine Nummer? Ich erklärte ihm, ich sei gerade auf dem Sprung, und wir beendeten unser Gespräch nach wenigen Sätzen. Ja, ich würde zurückrufen, versprach ich und legte auf.

Ein paar Tage später wählte ich erneut seine Nummer. »Weißt du noch, wie ich mir am Strand Fotos auf deinem Handy ansehen wollte?«, löste Paul das Rätsel. »Da hab ich eine SMS an meine Nummer geschickt. So einfach war das.«

Seine Zielstrebigkeit verblüffte mich. Woher nahm er diese Sicherheit? Was lag ihm an einer Frau, die durch Tausende Kilometer und ein Weltmeer von ihm getrennt war und die nichts von den Besonderheiten seiner Sprache oder den Sitten seines Landes verstand? Paul warb so selbstverständlich um mich wie jemand, der weiß, was er will.

Einerseits fühlte ich mich geschmeichelt, andererseits war mir seine Beharrlichkeit unheimlich. Mit der Zeit jedoch gewöhnte ich mich an seine Anrufe. Unsere Gespräche wurden Teil meines Alltags. Pauls Stimme klang immer vertrauter in meinen Ohren. Bald fehlten mir sein trockener Humor und seine Art, mir etwas Liebes zu sagen, ohne viel Aufhebens darum zu machen, schon wenn wir wenige Tage nicht miteinander gesprochen hatten.

Als nächstes Wunschziel gab ich Toronto an.

Montreal – Familientreffen


Mit Kanada verband mich mehr als der Gedanke an Paul. Das Land war die Wahlheimat meiner Tante Luisa, die mit ihren beiden Töchtern in Montreal lebte. Luisa ist die jüngste Schwester meiner Mutter, und seit jeher ist sie mir die liebste. Sie...

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