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E-Book

Sadisten

Tödliche Liebe - Geschichten aus dem wahren Leben

AutorLydia Benecke
VerlagVerlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl304 Seiten
ISBN9783838758817
Altersgruppe16 – 
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR

Wie dunkel ist die menschliche Seele? Lydia Benecke beweist mit ihrem Buch 'Sadisten: Tödliche Liebe - Geschichten aus dem wahren Leben', dass so mancher Abgrund darin lauert. Wo fantasievolle Gedankenspielereien in völliger Grausamkeit umgesetzt werden, entsteht eine kriminelle Energie, die sich kaum vergleichen lässt. Die junge Kriminalpsychologin schafft es in ihrem neuesten Werk, den Leser zwar mit einem faktischen Sachbuch zu konfrontieren, dabei aber zeitgleich eine Spannung entstehen zu lassen, die nicht allein durch die grausamen realen Fallbeispiele zustande kommt. Als Kennerin der Szene und Expertin auf dem Gebiet der Verbrechenspsychologie kann Lydia Benecke zudem mit überraschend neuen Einblicken in die verborgenen Seiten des menschlichen Geistes auftrumpfen. Ein Lesevergnügen der anderen Art.

Lydia Benecke wurde 1982 im polnischen Bytom geboren. Sie studierte Psychologie und arbeitete anschließend als Straftätertherapeutin und Beraterin in Kriminalfällen. Heute arbeitet sie selbstständig als Kriminalpsychologin und beschäftigt sich vor allem mit Fällen im Bereich von Sexual- und Gewaltverbrechen und Persönlichkeitsstörungen.



<p><strong>Lydia Benecke</strong><span style="font-family: 'Times New Roman'; font-size: 16px; background-color: #ffffff;">arbeitet als selbstständige Psychologin und als Therapeutin, unter anderem in einer Sozialtherapeutischen Einrichtung des Strafvollzugs mit schweren Straftätern. Sie hält regelmäßig Fortbildungen und Vorträge für ein breites Publikum. Mit</span><strong>AUF DÜNNEM EIS</strong><span style="font-family: 'Times New Roman'; font-size: 16px; background-color: #ffffff;">,</span><strong>SADISTEN</strong><span style="font-family: 'Times New Roman'; font-size: 16px; background-color: #ffffff;">und</span><strong>PSYCHOPATHINNEN</strong><span style="font-family: 'Times New Roman'; font-size: 16px; background-color: #ffffff;">sowie als Co-Autorin von</span><strong>AUS DER DUNKELKAMMER DES BÖSEN</strong><span style="font-family: 'Times New Roman'; font-size: 16px; background-color: #ffffff;"> hat sie bereits mehrere Bestseller geschrieben. Mehr über sie unter www.lydiabenecke.de</span></p>

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Leseprobe

Am Weihnachtsmorgen des Jahres 1884 wird dem Ehepaar Winfield und Florence Nesbit in Pennsylvania ein wunderschönes Töchterchen geboren: Die Haut ist so weiß wie Schnee, das Haar schwarz wie Ebenholz, die Lippen sind rot wie Blut. Das kleine Mädchen ist von so außergewöhnlicher Schönheit, dass Menschen von nah und fern zu Besuch kommen, um seinen Anblick zu bewundern. So oder so ähnlich wird es Florence ihrer Tochter Evelyn viele Jahre später erzählen. Das hübsche Aussehen des Mädchens und ihre bezaubernde Ausstrahlung werden zum Kern einer Geschichte, wie sie kein Märchenerzähler fantastischer und dramatischer erdenken könnte.


Von Cinderella zum ersten Pin-up-Girl

Es ist komisch, wie etwas Distanz alles klein erscheinen lässt.

Und die Ängste, die mich einst kontrollierten,

mir nicht mehr nahe kommen können.

Es ist an der Zeit zu sehen, was ich tun kann,

die Grenzen zu testen und zu durchbrechen.

Kein Richtig, kein Falsch, keine Regeln für mich.

Ich bin frei!

(»Let it go« – Song aus dem Disney-Film »Die Eiskönigin – Völlig unverfroren«)

Evelyn ist der kleine Liebling ihres Vaters, eines freundlichen und nachdenklichen Träumers, der allerdings kein Geschick im Umgang mit Geld besitzt. Obwohl er als Anwalt tätig ist, kann die Familie am Monatsende keine Ersparnisse zur Seite legen, sondern schiebt stets einen Haufen unbezahlter Rechnungen vor sich her. Trotz der insgesamt einfachen Verhältnisse, in denen sie lebt, sind die ersten Lebensjahre in Evelyns Leben glücklich. Winfried Nesbit ist ein für seine Zeit aufgeschlossener, modern denkender Mann. Er kauft seiner wissbegierigen Tochter viele Bücher, darunter auch solche, die Ende des 19. Jahrhunderts als ungeeignet für Mädchen angesehen werden. Im Gegensatz zu ihrer eher konservativen Mutter, die voll in der Rolle als Ehefrau aufgeht, ist Evelyn neugierig, selbstbewusst und fantasievoll.

Die insgesamt glücklichen Tage ihrer Kindheit enden abrupt, als Winfried Nesbit völlig unerwartet mit vierzig Jahren verstirbt. Die 11-jährige Evelyn, ihr zwei Jahre jüngerer Bruder Howard und ihre Mutter stehen mittellos dar, da sie zum Begleichen der ausstehenden Rechnungen all ihre Habseligkeiten verkaufen müssen. Florence Nesbit ist völlig überfordert und hat nur wenig Glück bei ihren Versuchen, als Schneiderin für sich und die Kinder zu sorgen. Zeitweise wohnen sie bei Freunden, dann wieder in billigen Pensionen. Schließlich kann Florence sich genug Geld leihen, um eine eigene kleine Pension zu eröffnen. Florence, die bis zum Tod ihres Mannes nie einer anderen Tätigkeit als ihrer Ehefrauen- und Mutterrolle nachgegangen war, weiß sich nicht zu helfen, wenn säumige Kunden mit der Miete im Verzug sind. So schickt sie ihre bildhübsche Tochter los, um das Geld einzufordern. Dem bezaubernden Mädchen etwas abzuschlagen, fällt Mietern der Pension schwer, und so bleibt es dabei: Florence lässt ihr Geld auf diese Weise eintreiben. Dass Evelyn sich unwohl dabei fühlt, die vor allem männlichen Durchreisenden mit betont charmantem Auftreten zur Zahlung zu bewegen, spielt für Florence keine Rolle.

Trotz Evelyns Einsatz muss die Familie Woche für Woche um ihre Existenz bangen. Als die Tochter vierzehn Jahre alt ist, versucht ihre Mutter einen Neuanfang in Philadelphia. Sie hofft, dort als Schneiderin mehr Glück zu haben. Auch dieser Versuch scheitert, und Florence beginnt als Verkäuferin in einem Kaufhaus zu arbeiten. Die Arbeitsbedingungen sind schlecht, sie arbeitet an sechs Tagen die Woche, zwölf Stunden am Tag. Was sie verdient, reicht nicht aus, um die Familie zu ernähren. So müssen ihre beiden Kinder die gleiche Arbeit im Kaufhaus verrichten wie sie selbst, damit die kleine Familie über die Runden kommt. Eines Tages fällt Evelyn einer Malerin auf, die ihr anbietet, für sie Modell zu stehen. Für vier Stunden wird ihr ein Dollar angeboten – eine im Vergleich zum Lohn im Kaufhaus gute Bezahlung. Da eine Frau Evelyn als Modell möchte, willigt Florence ein. Der Malerin fällt die außergewöhnliche Schönheit und Ausstrahlung des Mädchens so sehr auf, dass sie es mit anderen Künstlern aus der Gegend bekannt macht. Der Beginn eines aufregenden, aber auch tragischen Lebensweges.

Als 14-Jährige beginnt Evelyn, zahlreichen Künstlern in Philadelphia Modell zu stehen. Sie verdient dabei mehr als durch die harte Arbeit im Kaufhaus. So kann sie ihre Mutter überzeugen, immer neue Aufträge als Modell annehmen zu dürfen. Es vergehen fast zwei Jahre, bis Florence Nesbit einen weiteren Versuch unternimmt, die Lebenssituation ihrer Familie zu verbessern. Ein weiterer Umzug, diesmal nach New York, soll ihr bessere Chancen als Schneiderin ermöglichen. Erneut wird die Hoffnung enttäuscht. Im November 1900, einen Monat vor Evelyns sechzehntem Geburtstag, wohnt die dreiköpfige Familie in einem kleinen Hinterzimmer an der 38. Straße, nahe der Fifth Avenue in Manhattan. Doch diesmal hat die Familie eine neue Möglichkeit, um über die Runden zu kommen: Empfehlungsschreiben angesehener Künstler aus Philadelphia, die Evelyn in die New Yorker Künstlerszene einführen. Auch in New York wird die junge Schönheit begeistert als Modell aufgenommen. Ihre Mutter wird später sagen, dass sie Evelyn nie erlaubte, sich als Modell auszuziehen. Doch ob mit oder ohne das Wissen von Florence Nesbit, Evelyn posiert spätestens in New York unter anderem als Nacktmodell.

Maler und zunehmend auch Fotografen zahlen gute Preise, um Evelyn als Modell zu gewinnen. Ihr Gesicht ziert bald die Titelbilder von Zeitschriften, es lächelt in Werbeanzeigen und von so unterschiedlichen Produkten wie Kartenspielen oder Schminkspiegeln. Bald ist Evelyn auf so vielen Abbildungen zu sehen, dass sie durch einen Zufall sogar zum Motiv auf der ersten Ausgabe des erfolgreichen Jugendbuches »Anne auf Green Gables« wird. Der Autorin Lucy Maud Montgomery gefällt eins ihrer Bilder aus dem Metropolitan Magazine so gut, dass sie es als Vorlage für ihr Buchcover nutzt. Durch ihre Fotos in Kalendern bekannter Firmen wird Evelyn zum ersten »Pin-up-Girl«. Inzwischen verdient sie mit Leichtigkeit mehr, als die kleine Familie vorher gemeinschaftlich durch harte Arbeit erwirtschaften konnte. Zum ersten Mal seit Jahren leidet die Familie keinen Hunger und muss auch die drohende Obdachlosigkeit nicht fürchten. Florence Nesbit kann angesichts dieses finanziellen Segens längst keinen ernsthaften Einfluss mehr auf das zunehmend selbstbestimmte Leben ihrer Tochter nehmen.

Die fünfzehnjährige Evelyn Nesbit im Jahr 1900.

Evelyn ist bewusst, dass die Arbeit als Modell nur über einen begrenzten Zeitraum ein gutes Einkommen verspricht. Der Erfolg ist so vergänglich wie ihre Jugend, das ist ihr klar. Womöglich wird es dem aufgeweckten Mädchen auch zu langweilig, immer nur stillzustehen. Der Einstieg in die Unterhaltungsbranche erscheint ihr als vielversprechende Alternative. Im Mai 1901 gelingt es ihr, eine Rolle im Broadway-Erfolgsmusical »Florodora« zu ergattern und eines der sechs »Florodora Girls« zu werden. Diese stellen den Chor des Musicals dar. Immer wieder heiraten ehemalige »Florodora Girls« vermögende Männer, manchmal sogar Millionäre. Nur eine solche Ehe bietet einem Mädchen aus der Unterschicht zur damaligen Zeit eine dauerhafte wirtschaftliche Absicherung, verbunden mit dem entsprechenden gesellschaftlichen Aufstieg. Angesichts solch rosiger Zukunftsaussichten unterstützt Florence Nesbit die gerade 16-jährige Tochter bei ihrem Start als Showgirl.

Die achtzehnjährige Evelyn Nesbit als exotische Schönheit, Postkartenmotiv, 1903.

Ein Architekt, der Millionen Mädchen liebte

Ich habe sie so oft sagen hören,

sie könnten allein ihre Ehefrauen lieben.

Doch ich denke, das ist töricht,

solche Männer müssen Herzen aus Stein haben.

Nun, mein Herz ist aus weicherem Material gemacht,

es schmilzt bei jedem warmen Blick.

Ein hübsches Mädchen kann nicht in meine Richtung schauen,

ohne eine neue Romanze.

(»I could love a million girls« – Song aus dem Musical »Mam’zelle Champagne«)

Als »Florodora Girl« wird Evelyn Abend für Abend vor allem von den männlichen Besuchern mit bewundernden, teils sogar lüsternen Blicken betrachtet. In der durch gesellschaftliche Prüderie geprägten Zeit sind die aufreizend gekleideten, bildhübschen jungen Showgirls Sexsymbole. Einer der Stammgäste des Broadway-Musicals »Florodora« ist Stanford White, genannt Stanny, ein siebenundvierzigjähriger Stararchitekt. White ist es gelungen, ohne jemals ein Architekturstudium absolviert zu haben, gemeinsam mit zwei Partnern das seinerzeit bedeutendste Architekturbüro der Vereinigten Staaten aufzubauen. »McKim, Mead, and White«, gegründet 1879, steht für erhabene Bauwerke im Stile der Beaux-Arts-Architektur: betont dekadent im Stil, üppig vergoldet, ein Hauch Pariser Schick. Es ist der passende Baustil für die Reichen und Superreichen des ausgehenden 19. Jahrhunderts, den White und seine Partner pflegen – der Baustil für das »Gilded Age«, das »Vergoldete Zeitalter«. Nach dem Motto »Nicht kleckern, klotzen!« erschaffen die Architekten des Büros zahlreiche großzügig ausgestaltete, extrem kostspielige Bauwerke. Stanford White fungiert dabei häufig auch als Innenarchitekt, der die ausgefallensten Wünsche seiner verwöhnten Kunden umzusetzen bereit ist. So ist er bald selbst ein reiches, gern gesehenes Mitglied der New Yorker...

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