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Die Deutschlandsaga

Woher wir kommen - Wovon wir träumen - Wer wir sind

AutorPeter Arens, Stefan Brauburger
VerlagC. Bertelsmann
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl384 Seiten
ISBN9783641147754
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Das opulent ausgestattete Buch zum Thema »Was ist eigentlich deutsch?«
Gartenzwerge und Ampelmännchen, Goethe und Hitler, Pünktlichkeit und wirtschaftlicher Erfolg - das Bild der Deutschen ist von vielen Klischees bestimmt. Doch was hat es heute wirklich mit dem Deutschsein auf sich?

Peter Arens und Stefan Brauburger begeben sich auf Spurensuche. In ihrer Deutschlandsaga fragen sie nicht nur nach den historischen, sozialen und ökonomischen Grundlagen des modernen Deutschlands. Sie beleuchten Faktoren wie Sprache, kulturelle Traditionen und Mythen, die das Lebensgefühl einer Nation über Jahrtausende formten. Dabei wirkt eine Vielfalt von Stämmen mit ihren Bräuchen und Dialekten auch im 21. Jahrhundert nach. Es wird sichtbar, was uns heute verbindet, woher die ebenso oft gerühmten wie geschmähten deutschen Tugenden kommen, welche Symbole, Werte, Denker und Erfinder unser Land prägten und wie wir uns selbst sehen.

Prof. Peter Arens ist seit 2006 Leiter der ZDF-Hauptredaktion Kultur, Geschichte und Wissenschaft. Er ist Autor von »Sturm über Europa - Die Völkerwanderung« (2002), »Wege aus der Finsternis - Europa im Mittelalter« (2004) und »Kampf um Germanien - die Schlacht im Teutoburger Wald« (2009).

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Leseprobe

Vorwort

Was haben die Deutschen gestaunt, als die BBC im Jahr 2013 anhand einer von ihr in Auftrag gegebenen internationalen Umfrage bestätigte, Deutschland sei das beliebteste Land der Welt. Man rieb sich die Augen ob dieses globalen Gunstbeweises und beschloss, es nur still zu genießen. Insgesamt schaut die Welt derzeit mit Wohlgefallen auf uns, was hierzulande bemerkenswerterweise keinen Triumphalismus ausgelöst hat. Auch nicht der vierte Titel bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien, bei der das taktvolle Auftreten der deutschen Mannschaft von den internationalen Medien genauestens registriert wurde. So hatte man die Deutschen früher nicht allzu oft gesehen.

Was ist mit diesem Land nur geschehen, einst ein grüblerisches Volk, eine verspätete Nation, voller Kultur und Innerlichkeit, doch ohne politischen Ehrgeiz? »Wir sind wieder ... wer?« titelte der Spiegel im Sommer 2014 schlau und befeuerte damit auf ein Neues unser lustvolles Fragen nach unserer geheimnisvollen Identität. Wir Deutschen können einfach nicht aufhören, unsere Seele und unsere Kultur immer wieder auszuleuchten, sie auf ihre großen und kleinen Momente hin zu untersuchen, zu schwelgen und zu hadern. Wie die Kinder stehen wir dann vor deutschen Gegensatzpaaren: Schwärmerei und Methodik, Verträumtheit und Realitätssinn, Idealismus und Effizienz ... Entsprechende Zitate unserer Dichter und Denker gibt es gleich reihenweise. Schiller: »Deutschland? Aber wo liegt es? Ich weiß das Land nicht zu finden.« Nietzsche: »Es kennzeichnet die Deutschen, dass bei ihnen die Frage ›Was ist deutsch?‹ niemals ausstirbt.« Tucholsky: »Die Engländer wollen etwas zum Lesen, die Franzosen etwas zum Schmecken, die Deutschen etwas zum Nachdenken.« Unsere Nachbarn haben unsere Innerlichkeit stets mit einer Mischung aus Faszination und Sorge betrachtet, wobei der Humor nicht zu kurz kommt, besonders wenn sich Engländer über den teutonischen Tiefsinn hierzulande lustig machen: »Die Deutschen tauchen vielleicht tiefer ab – kommen dafür aber auch trüber wieder hoch«, so der Journalist und Historiker Henry Wickham Steed.

Dass wir unsere gefühlte Mitte nicht genau orten können, hängt auch mit unserer regionalen Vielseitigkeit zusammen, dem vielleicht zentralsten Aspekt unserer politischen, gut 1000 Jahre währenden Geschichte. Hanseaten, Rheinländer, Sachsen, Berliner und Bayern sind in ihren Bräuchen ziemlich verschieden, ihre Dialekte für die anderen oft nicht zu verstehen. Aber geben wir doch zu, dass wir den Regionalismus liebgewonnen haben! Unsere selbstbewussten, attraktiven Landesmetropolen sorgen für großen Schwung auch in den Regionen und überlassen eben nicht einer übermächtigen Kapitale das Feld, wie es Franzosen mit Paris und Engländer mit London halten. Gern wurden von Historikern eitler Partikularismus und provinzielle Kleinstaaterei der Deutschen insbesondere im 19. Jahrhundert beklagt und damit Enge und Provinzialität verbunden, doch brachten dadurch all die Kleinstaaten und Städte auch eigene Hofkulturen mit Orchestern, Opernhäusern und Universitäten hervor, die in produktiver Konkurrenz zueinander standen und Bildung und Kultur auch in der Provinz ermöglichten. Um 1800 hatte Deutschland mehr als 50 Universitäten (zugegeben eher kleinere), England hingegen nur zwei (dafür aber Oxford und Cambridge). Und auch die Teilung in einen protestantischen Norden und katholischen Süden hat der intellektuellen Streitkultur in Deutschland nicht geschadet.

Viele interessante Facetten der deutschen Geschichte sind uns heute kaum mehr bewusst, und natürlich hängt dies zusammen mit jenem so mächtigen »Geschichtsfelsen Nationalsozialismus« (Hagen Schulze), der sich vor unsere ältere Geschichte gelegt und für einen Bruch gesorgt hat zwischen einem Deutschland vor und einem Deutschland nach der Hitler-Diktatur. Umfragen belegen, dass viele Deutsche ihre Geschichte mit dem Dritten Reich beginnen lassen, andere mit Bismarck, und dass die Zeit davor seltsam fern ist. Das ist bei Franzosen und Engländern anders. Die Franzosen definieren sich über ihre Revolution von 1789 und die Engländer gar über die germanische Eroberung ihrer Insel durch Angeln und Sachsen.

Erinnern wir also an die Zeit vor der Zeitgeschichte. Der englische Kulturwissenschaftler Peter Watson hat darauf hingewiesen, dass Deutschland im 19. Jahrhundert auf vielen Gebieten eine dominante Rolle spielte: in der Musik, dem Theater, der Philosophie, den Naturwissenschaften, der Architektur, der Archäologie, bei Telegrafie, Telefon oder Automobil. Bis zur »Machtergreifung« Hitlers gingen fast so viele Nobelpreise an Deutschland wie an Frankreich, Großbritannien und die USA zusammen. Grundstein dafür war das Bildungswesen, das Wilhelm von Humboldt, dem ein freier und mündiger Staatsbürger vorschwebte, konzipiert hatte.

Sicher steht der Umgang mit der immer noch schweren Bürde des Dritten Reiches heute vor anderen Herausforderungen als in früheren Jahrzehnten. Die notwendige Arbeit gegen das Vergessen und Verdrängen richtet sich inzwischen an Generationen, die das Unheil kaum mehr selbst erlebten, geschweige denn darin verstrickt waren, die Jüngeren bekamen nicht einmal mehr die gravierenden Folgen jener Katastrophen unmittelbar zu spüren: Die Spaltung Deutschlands, die Erfahrung des Gegensatzes von Demokratie und Diktatur – all das ist weithin überwunden. Eine ganze Generation kennt das Land nur geeint und umringt von Partnern und Freunden, das ist ein Glücksfall. Die natio­nalsozialistischen Gräuel werden nie vergessen werden können und dürfen, aber wir haben wieder mehr Bewegungsfreiheit erlangt, nach vorne wie nach hinten.

Dem Ausland ist die deutsche Zerknirschung und Zurückhaltung auf internationaler Bühne schon längst zu viel geworden, es ermahnt uns zu mehr globaler Verantwortung. Bundeskanzler Schröder hatte 1999 mit deutschen Streitkräften im Kosovo-Krieg und später in Afghanistan schon einen Anfang gemacht. Nach Meinung vieler Politiker und Ökonomen aus dem Ausland könne nur das wirtschaftlich starke und strategisch operierende Deutschland dieses Europa auf Kurs halten und müsse entsprechend handeln (obwohl wir dann vielleicht nicht mehr die BBC-Wahl zum sympathischsten Land gewinnen können). Internationale Beachtung fand der Aufmacher des englischen Economist mit dem Titel »Germany – the reluctant hegemon« (»die widerwillige Vormacht«) im Juni 2013. Man zeigte sich irritiert darüber, dass das stabile und robuste Deutschland sich immer noch nicht zu seiner Stärke bekennt und forderte nun von den vormaligen huns oder krauts eine Führungsrolle im neuen Europa, mehr politische Ideen und vor allem mehr Taten – das einzulösen fällt indes nicht leicht, löst Debatten aus.

Der internationale Blick auf Deutschland wird also analytischer und moderner. Gut so. Also nehmen wir den Ball auf, erkunden uns näher und holen dafür weiter aus. Wir versuchen in diesem Buch, freimütig und offen, nach bestem Wissen und Gewissen, die Grundierung unserer Kultur und Geschichte zum Thema zu machen. Es gibt eine Menge zu erzählen, bevor wir es womöglich vergessen. Was ist denn nun deutsch, typisch deutsch? Das haben wir zusammengetragen, soweit es zu schaffen war – nicht ganz so einfach, denn was und wie unser Land sein soll, haben ja bereits die oben erwähnten Gewährsleute wie Schiller, Nietzsche und Tucholsky gefragt. In sechs Kapiteln werden prägende Symptome sortiert anhand von Fragen, die sich immer wieder stellen:

Ursprünge: Woher wir kommen

Wer waren die ersten Menschen auf später einmal deutschem Boden? Das verrät ein Blick auf die frühe Ahnenreihe, auf Homo heidelbergensis, Neandertaler, »Ötzi« und andere. Erste wirklich fassbare »Deutsche« waren die Kelten, die ursprünglich nicht in Britannien zu Hause waren, sondern im heute süddeutschen Raum. Dann die Germanen, die erst in fernen Wäldern vor sich hin lebten, dann die eindringenden Römer vernichtend schlugen und später auf große europäische Völkerwanderung gingen. Sind wir Deutschen nun eigentlich Germanen oder eher nicht? Warum Deutschland letztlich ein Land der Stämme blieb, was schließlich die Franken, Baiern, Schwaben und Sachsen miteinander verband und welche Rolle dabei die deutsche Sprache und Dialekte spielten, ist eine Frage, die bis in die Gegenwart hineinreicht.

Unsere Nation: Was uns eint

Mit der Ausdehnung des Frankenreichs nach Osten, der Durchsetzung des christlichen Glaubens in der Mitte Europas und der Schaffung einer imperialen Ordnung legte Karl der Große auch ein Fundament für politische und kulturelle Entwicklungen im späteren Deutschland. Doch die deutsche Geschichte weist mehr Brüche auf als Kontinuitäten. Gegensätze von partikularer und zentraler Gewalt, territorialer Zersplitterung und Einheitsstreben, von universalen und nationalen Gedanken prägten die staatliche Genese. Erst nach und nach vollzog sich die Entwicklung der Stämme zu einer ihrer selbst bewussten Gemeinschaft der Deutschen. Gegensätze von Kaisern und Päpsten, Fürsten und Königen, Konflikte um Macht und Glaube, um Freiheit und Einheit prägten den Weg zur Nation, deren Vielfalt sich in föderalen Traditionen spiegelt. Auf die totale Übersteigerung des Nationalismus folgten die Weltkriege, der Zivilisationsbruch der NS-Zeit, die Teilung – und erst nach Jahrzehnten die Wiedervereinigung in der Erkenntnis, dass Deutschland und Europa nur in enger Bindung zueinander bestehen können.

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Blick ins Buch

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