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Pate stehen

Eine besondere Beziehung gestalten

AutorAnnette Wallentin, Malte Schophaus
VerlagKreuz
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783451801587
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
Der Patenonkel, die Patentante, spielt oft eine ganz besondere Rolle im Leben des Kindes. Als Mensch, der das Kind von Anfang an begleitet, aber dennoch eine andere Perspektive einnimmt als die Eltern und Großelter, kann er oder sie eine wertvolle und wichtige Bezugsperson sein. Nicht nur Christen stellen ihrem Kind deswegen gern einen oder mehrere Paten an die Seite, auch weltliche Patenschaften werden immer häufiger. Doch wie kann es gelingen, diese besondere Beziehung von Anfang an bewusst zu gestalten? Welche Rituale, welche Formen können Stabilität geben? Nicht nur neue Paten, sondern auch langjährige Patentanten und Patenonkel sowie Eltern, die vor der Entscheidung für ein Patenamt stehen, erhalten in diesem Buch wertvolle Anregungen.

Annette Wallentin ist Diplompolitologin mit Forschungsschwerpunkt 'Soziale Netze'. Sie ist zusätzlich ausgebildete Sozialmanagerin und arbeitet seit vielen Jahren in der Jugend- und Erwachsenenbildung.

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Leseprobe

2

Die Geschichte der Patenschaft


Patenschaft verändert sich: Ein historischer Überblick


Die Geschichte der Taufpaten hängt eng zusammen mit der Geschichte der christlichen Taufe. Zu Beginn der Tauftradition in der Kirche wurden vorrangig Erwachsene getauft. Etwa ab dem zweiten Jahrhundert nach Christus werden in kirchengeschichtlichen Aufzeichnungen auch Taufpaten genannt. Wer sich damals taufen lassen wollte, meldete sich im ersten Schritt zur Taufe an. Der Taufpate bezeugte bei der Anmeldung die ernste Absicht des Täuflings, Mitglied der christlichen Glaubensgemeinde zu werden. Meist war es sogar eben dieser Taufpate, durch den der Taufanwärter zum christlichen Glauben gefunden hatte. Im zweiten Schritt durchlief der Täufling dann noch vor der Taufe das sogenannte Katechumenat, eine Art Religionsunterricht zur Vorbereitung auf das Leben als Christ. Auch dabei unterstützte der Taufpate den Täufling, indem er ihn mit seiner eigenen christlichen Gemeinde vertraut machte und ihn noch näher an den Glauben heranführte. Während der eigentlichen Taufe war der Taufpate schließlich als Zeuge anwesend.

Ab dem Jahr 200 n. Chr. erwähnte der frühe Kirchenhistoriker Tertullian Taufpaten bei der Taufe von Kindern. Auch hier war der Taufpate Zeuge der Taufe. Während des Taufaktes beantwortete er die Tauffragen (die zuvor den erwachsenen Täuflingen gestellt wurden) anstelle des Kindes. Wiederum kam dem Paten die wichtige Funktion zu, den Täufling in seiner christlichen Entwicklung zu fördern. Allerdings geschah die Heranführung an den Glauben nun nicht mehr vor der Taufe, wie dies bei der Erwachsenentaufe der Fall war (und heute noch ist). Mit der Kindstaufe wird die religiöse Erziehung durch den Taufpaten zu einer Aufgabe, die Paten und Patenkind viele Jahre lang verbindet.

Das Patenamt erfuhr ab dem sechsten Jahrhundert eine weitere Aufwertung: Taufpaten wurden in eigenen Patenexamina auf ihre Eignung als Taufpaten hin geprüft. Sie galten als enge »geistliche Verwandte« des Patenkindes.

Die Reformation des 16. Jahrhunderts brach mit nicht wenigen Einrichtungen und Bräuchen der katholischen Kirche. Das Patenamt wurde aber von den Gründern der protestantischen Kirche ohne Änderungen übernommen. Bis heute ist das Patenamt eine Einrichtung, die von Katholiken und Protestanten gleichermaßen praktiziert wird.

Im 18. und 19. Jahrhundert gewann das christliche Amt der Taufpaten zum ersten Mal weltliche Züge: Neben seiner religiösen Bedeutung wählten nun vor allem das Bürgertum und der Adel die Taufpaten seiner Kinder immer häufiger auch nach strategischen Gesichtspunkten aus. Der ideale Taufpate war jetzt nicht mehr nur gottesfürchtig und von untadeligem Lebenswandel, sondern auch möglichst wohlhabend und bedeutend. Über die Verleihung von Taufpatenämtern wurden so gesellschaftliche Netzwerke geknüpft, die dem Patenkind (in Form von Geschenken, Verbindungen und einem eventuellen Erbe), aber auch seinen Eltern von Nutzen sein sollten. Während bislang meist nahe Verwandte zu Taufpaten berufen wurden, waren nun vermehrt auch Bekannte oder Geschäftsfreunde dafür von Interesse. Dem Adel war es dabei alleine vorbehalten, mehr als zwei Taufpaten für ein Kind zu bestimmen. Allen anderen waren kirchenrechtlich maximal zwei Taufpaten gestattet. Die ländliche Bevölkerung griff in der Wahl der Taufpaten weiterhin meist auf die Großeltern, Tanten oder Onkel der Kinder zurück. Auch hier spielten neben der christlichen Bedeutung des Patenamtes zunehmend weltlichere Motive eine Rolle: Der eigenen Familie wurde am ehesten zugetraut, im Notfall die Fürsorgepflicht für das Kind zu übernehmen. Heute wählen Eltern mehr und mehr auch ihre eigenen Freunde und Freundinnen zur Patentante oder zum Patenonkel und bekräftigen so ihren Wunsch, mit diesen Freunden in besonders enger Verbindung zu bleiben.

Der Trend zur Verweltlichung des Patenamtes verstärkt sich in der Gegenwart auf zweierlei Weise: Zum einen ist den Menschen heute zwar durchaus bewusst, dass die Einsetzung der Patentante oder des Patenonkels in Verbindung mit der christlichen Taufe steht und das Patenamt daher ein kirchliches Amt darstellt. In der alltäglichen Praxis gerät die vormals zentrale Aufgabe der Paten, nämlich bei der christlichen Erziehung des Patenkindes mitzuwirken, jedoch immer mehr in den Hintergrund. An ihre Stelle traten im Lauf der letzten Jahrzehnte populäre Verständnisse über die Aufgaben eines Patenonkels oder einer Patentante: Die Paten sorgen für das Patenkind, wenn den Eltern etwas zustoßen sollte. Und: Die Paten sind auf dem Geburtstagstisch und unter dem Weihnachtsbaum ihres Patenkindes mit aufwendigen Geschenken vertreten.

Eine zweite Form der Verweltlichung des Patenamtes ist zu beobachten: Vermehrt werden Paten auch für Kinder benannt, die nicht christlich getauft werden. Diese weltlichen Paten übernehmen folglich von vornherein nicht die Aufgabe der christlichen Erziehung des Kindes. Die Eltern schätzen sie als allgemeine Begleiter des Patenkindes, als weitere verbindliche Bezugsperson jenseits der unmittelbaren Kleinfamilie.

In seiner Geschichte erfuhr das Patentamt also einige Bedeutungswandel. Die Motive zur Bestimmung von Paten sowie die Auffassung von den Aufgaben, die Paten mit ihrem Amt übernehmen sollen, wurden immer wieder ersetzt und ergänzt.

Welche Aufgaben und Inhalte machen das Patenamt heute lebendig? Im Folgenden erzählen zwei Patentanten, wie sie ihr Amt heute verstehen und was ihnen daran wichtig ist.

Patenschaft heute: Zwei Patentanten erzählen


Es gibt viele verschiedene Vorstellungen, was das Patenamt bedeutet und wie es mit Leben gefüllt werden kann. Wir haben zwei Patentanten gebeten, uns an ihren persönlichen Gedanken darüber teilhaben zu lassen.

Um Ihnen die große Vielfalt der persönlichen Konzepte von Patenschaft zu verdeutlichen, haben wir uns dabei um zwei möglichst unterschiedliche Gesprächspartnerinnen bemüht. Die beiden Frauen sind mit Ende fünfzig und Anfang dreißig Mitglieder verschiedener Generationen; für die eine ist der christliche Bezug ihres Patenamtes von zentraler Bedeutung, die andere versteht sich als weltliche Patentante. Unsere erste Gesprächspartnerin ist eine leibliche Verwandte ihrer Patenkinder, während die zweite Patentante eine gute Freundin der Eltern ihrer Patenkinder ist. Die ältere Frau hat eigene Kinder großgezogen, die jüngere ist bislang kinderlos.

Man kann immer Menschen brauchen, die für einen beten


Barbara, 59 Jahre, ist Patentante mit christlichem Hintergrund und die leibliche Tante ihrer drei Patenkinder. Ihre Patenkinder sind mit 28, 32 und 39 Jahren alle bereits erwachsen.

Du bist Patentante?

Wie man’s nimmt. Ist das nicht so, dass man offiziell dieses Amt schon mit der Konfirmation der Kleinen wieder los ist? Oder spätestens mit deren Volljährigwerden? In manchen Gegenden wird das jedenfalls so gehalten. Demnach wäre ich schon seit einigen Jahren abgesetzt, denn meine Patenkinder sind inzwischen ja allesamt längst erwachsen. Die Patentante bin ich aber zweifellos immer noch. Das bleibe ich wohl jetzt lebenslang.

Ich würde schon sagen, dass das auch etwas ganz Besonderes ist, so eine familiäre Beziehung zwischen Patentante und Patenkindern. Meine drei Patenkinder sind allesamt Kinder meiner Geschwister, das heißt, ich bin auch deren leibliche Tante. Dass ich zusätzlich noch als Patentante eingesetzt wurde, hat die Bindung schon noch mal vertieft: Tanten gibt es so einige, aber Patentanten nur eine oder höchstens zwei pro Kind.

Das scheint mir auch etwas ganz Wichtiges zu sein: diese Exklusivität. Du und niemand sonst – außer dem anderen Paten natürlich – sollst diese Rolle für das Kind übernehmen. Wie auserwählt! Wie wunderbar!

Und ich habe festgestellt, dass das meine Patenkinder auch so wahrgenommen haben: Da war schon eine besondere Zutraulichkeit, als sie noch kleiner waren. Und eine etwas geringere Distanz als zu anderen Verwandten, als sie dann größer wurden und eigentlich nicht mehr viel mit Familienfesten zu tun haben wollten. Das hängt wohl damit zusammen, dass beide Seiten auch höhere Erwartungen aneinander haben.

Natürlich habe ich sie meinerseits auch mit einem besonderen Interesse begleitet auf ihrem Lebensweg durch Kindheit und Jugend; ich habe sie vielleicht öfter hören wollen als andere Verwandte, mich gezielt in sie hineinzuversetzen versucht. Dazu hat man als Patentante, die nicht immer da ist, sondern nur hin und wieder hineinschneit in die Familie, ja auch viel mehr Geduld als die Eltern, die im täglichen ›Nahkampf‹ oft schon etwas verbraucht sind …

Was sind für dich die wichtigsten Aufgaben eines Taufpaten?

Zum einen zweifellos dieses Begleiten und Interessiertsein am Kind. Genau hinsehen, was für ein Mensch da groß wird, um dann an manchen Stellen unterstützend oder fördernd oder auch beratend zur Seite zu stehen. Das muss gar nichts Großartiges sein. Manchmal reicht es aus, dem Kind etwas Bestärkendes zu sagen, so nebenbei, beim Tischdecken.

Wichtig finde ich auch, gemeinsam zu feiern. Gerade die Geburtstage der Patenkinder sind wunderbare Anlässe, um zu signalisieren: Prima, dass es dich gibt! Zumindest in einer herzlichen Glückwunschkarte, die dem Geschenkpäckchen immer beilag.

Sicher hätte ich auch bei Schwierigkeiten meiner Patenkinder zur Verfügung gestanden, um Rat zu geben. Aber dazu kam es gar nicht, weil alle drei eigentlich recht schadlos durch die Pubertät gekommen sind, wenn...

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