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E-Book

Spielen macht schlau!

AutorProf. Dr. André Frank Zimpel
VerlagGRÄFE UND UNZER
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783833843891
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Ob PEKiP, Englischkurs oder Ballettunterricht: Viele Eltern sind verunsichert, was sie ihrem Kind bieten müssen, um es fit für die Zukunft zu machen. Denn bekannt ist: Nie wieder lernt ein Mensch so viel wie in seinen ersten Lebensjahren. Die Befürchtung: Bleibt das kindliche Supergehirn ungenutzt, verstreicht wertvolle Zeit für die geistige Entwicklung. Doch die moderne Gehirnforschung zeigt: Frühförderprogramme werden maßlos überschätzt. Das Kind spielen zu lassen ist die beste Förderung überhaupt. Der Ratgeber SPIELEN MACHT SCHLAU! zeigt, wie man sein Kind mit einfachen Mitteln in seiner Spiel- und damit seiner geistigen Entwicklung unterstützen kann. Welches Spielzeug ist das richtige? Noch mehr Spielzeug fürs Kinderzimmer? Muss man mitspielen und Spielideen vorgeben? Spielen mit Lebensmitteln? Ist Langeweile schlimm? Nützen Fernsehen und Computer? Antworten auf alltägliche Fragen wie diese helfen Eltern, das Spielen besser zu verstehen und in der Erziehung gelassener zu bleiben.

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Leseprobe

Das Als-ob-Spiel der Zwei- bis Dreijährigen


Kleine Kinder übertragen ihre eigenen Gefühle und Gedanken noch eins zu eins auf andere. Als-ob-Spiele trainieren die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, und regen die Fantasie an. Damit legen schon Zweijährige den Grundstein für ihre emotionale und soziale Intelligenz.

Wie Zweijährige
abstraktes Denken
üben


Als-ob-Spiele fördern die Fantasie

Woran erkennt man Als-ob-Spiele? Daran dass die Fantasie zum wichtigsten Spielelement wird. Jetzt tauchen die Kinder, wenn sie spielen, in eine andere Welt ein. Äußerlich betrachtet kann diese Spielwelt aus so einfachen Dingen wie Knöpfen und Holzbausteinen bestehen. Doch diese stehen nun für alles Mögliche: Geldstücke, Autos, Handys, Blumen, Flugzeuge und vieles mehr. Die Unterscheidung zwischen Spielwelt und Alltag ist ein Schlüssel für die gesamte Sprachentwicklung: Das, worüber man gerade redet, muss nicht hör-, sicht- oder greifbar sein. Nun darf es eine abstrakte Vorstellung sein, die zur Sprache kommt.

Das ist das Neue, wenn Kinder sich in Als-ob-Spiele vertiefen: Sie betreten allein oder gemeinsam mit anderen eine fiktive Welt und trainieren so ihre Abstraktionsfähigkeit. Außer Zeit und Fantasie brauchen Kinder dazu nicht viel. Denn Spielzeug ist weniger ein Impulsgeber für ein Spiel als vielmehr eine Gedächtnisstütze, um im Spiel den roten Faden nicht zu verlieren.

TIPP
SPIELZEUGFREIE TAGE

An spielzeugfreien Tagen lernen Kinder, sich aktiv nach potenziellem Spielzeug umzusehen: Umgedrehte Tische werden zu Schiffen, Besenstiele zu Laserschwertern, Tischdecken zum Umhang einer Zauberin, in Linien geordnete Steine zu Häuserwänden. Selbstvergessen bewegen sich die Kinder in einem Kokon aus Hirngespinsten: Mit Kreide gezeichnete Linien gelten ihnen als unüberwindbare Mauern, Äste dienen ihnen als Zauberstäbe, Sand kredenzen sie als leckere Speise, Blumenkränze tragen sie wie die Krone einer verwunschenen Feenprinzessin und Steine steuern sie über den Boden im Sandkasten, als handele es sich um Unterseeboote, die sich ihren Weg durch bizarre Korallenriffe bahnen.

Kinderzimmer ohne Spielzeug?


Dennoch: Kinderzimmer ohne Spielzeug sind trostlos. Sicher, man kann den Verlust der Spielromantik vergangener Zeiten beklagen, als es Spielzeug nur an Feiertagen gab. Aber aus einem romantisch unverstellten Blick treten Konturen schärfer hervor.

Zu allen Zeiten haben Eltern ihren Kindern Dinge geschenkt, mit denen sie sich die Zeit vertreiben und sich vergnügen konnten: Wurf- und Kreiselspiele, Puppenwagen und Tiere mit Rädern sowie Würfel- und Ballspiele gehören immer wieder zu den Funden in archäologischen Ausgrabungen. Neben diesen universellen Spielzeugen gibt es auch Spielzeug, das den jeweiligen Zeitgeist seiner Epoche widerspiegelt. So wie sich die Informationsgesellschaft als Spielzeugcomputer und -telefon im Kinderzimmer wiederfindet, so spiegeln mechanische Tiere zum Aufziehen das 18. Jahrhundert als Zeitalter der Uhrwerke und die Spielzeuglok das 19. Jahrhundert als Zeitalter der Dampfmaschinen wider.

Das Spielzeug an sich ist Nebensache, die fantasievolle Beschäftigung damit ist alles.

Peter Rosegger (1843 – 1918)

Spielzeug lässt Kinderaugen leuchten


Detailgetreue Miniaturwelten mit kleinen Bäumen, Häusern, Fahrzeugen, Puppen und Tieren ziehen regelmäßig vor Weihnachten kleine Kinder in ihren Bann. Sie drücken sich an Schaufenstern ihre Nasen platt und träumen davon, nach Herzenslust mit diesen entzückenden Figuren zu spielen.

Doch sind viele Spielsachen schon ein Garant für gelingendes Spiel? Keinesfalls. Es gilt: Weniger ist mehr! Denn alle Spielzeuge haben einen direkten Aufforderungscharakter. Sie rufen – bildlich gesprochen – dem Kind zu: »Spiel mit mir!«

Weil heute aber viele Kinderzimmer mit Spielsachen vollgestopft sind, fällt es Kindern immer schwerer, sich in ein einziges Spiel zu vertiefen. Kaum nehmen sie ein Spielzeug in die Hand, lenkt sie das nächste schon wieder ab. Die vielen Spielsachen in Kinderzimmern haben einen beständigen Aufforderungscharakter, der einer kontinuierlichen Reizüberflutung und damit einer permanenten Überforderung gleichkommt.

Denn eigentlich sind Spielsachen nichts anderes als nett anzuschauende Gedächtnisstützen für die Fantasie. Im Idealfall entlasten sie das Gedächtnis und vermeiden dadurch Überforderung. Ist jedoch zu viel Spielzeug da, entsteht ein gegenteiliger Effekt.

Stellen Sie sich eine Pinnwand voller Merkzettel vor, die Sie daran erinnern, was Sie noch alles erledigen müssen. Auch hier gibt es eine Schmerzgrenze. Sind es zu viele Zettel, kann das lähmend auf die eigene Aktivität wirken. Da Sie nur eins nach dem anderen abarbeiten können, müssen Sie Dringendes von weniger Dringendem selektieren. Sonst könnte es passieren, dass Sie sich zu gar nichts aufraffen können. Dieses Selektieren fällt Kindern noch viel schwerer als Erwachsenen.

INFO
WENIGER IST MEHR

Wir haben in unserem Aufmerksamkeits-Computer-Labor an der Uni Hamburg experimentell belegt: Der Aufmerksamkeitsumfang von Menschen ist in jedem Alter für den gleichzeitigen Umgang mit drei bis vier Gegenständen optimiert. Wenn mehr als vier Spielzeuge nach Aufmerksamkeit schreien, kann das unter Umständen für Kinder zum Problem werden: Bevor sich der Spielfluss (Flow) einstellen kann, lenkt sie ein anderes Spielzeug ab.

Spielzeug für Als-ob-Spiele

Woran erkennt man, dass ein Kind für sein Als-ob-Spiel genügend Spielzeug besitzt? Zum Beispiel: Fünf Autos in der Schlange sind für Dreijährige schon unüberschaubar viel. Wären es zehn oder zwanzig, würde das für das Kind keinen großen Unterschied bedeuten. Von ihm werden fünf Autos noch als diffuse Menge gesehen, in der das einzelne Auto nur eine geringe Rolle spielt.

Wenn zu viele Spielzeuge im Kinderzimmer dem Kind zurufen: »Mach irgendwas mit mir!«, wird das Kind sein Spiel immer wieder unterbrechen, um sich der nächsten Sache zuzuwenden. Auf diese Weise ist es unmöglich, sich länger auf ein einziges Spiel zu konzentrieren.

Der Sinn der Spielsachen und die gute Absicht der Eltern, die es gekauft und geschenkt haben, ist damit völlig verfehlt. Denn eigentlich soll ein Spielzeug ja Freude verbreiten und Lust machen, sich mit ihm auseinanderzusetzen. Und doch kann man damit so viel verkehrt machen. Damit etwas weniger schiefläuft, sollten sich Erwachsene in die Situation der Kinder hineinversetzen.

Fantasie ist ein Balanceakt auf einem Regenbogen.

Harald Schmid (*1946)

Der eigentliche Sinn des Spiels

Bevor Eltern sich die Frage stellen, welches Spielzeug altersangemessen und sinnvoll ist, sollten sie sich zuerst fragen: Worin besteht der eigentliche, unverfälschte Sinn des Spiels? Die Antwort ist einfach, aber folgenreich: Der Sinn aller Kinderspiele besteht darin, die Fantasie zu entwickeln. Diesem Zweck sollte sich jede Spielsache unterordnen.

Im Alter von zwei bis drei Jahren sinnvoll sind daher zum Beispiel für drinnen verschiedenfarbige Bauklötze, eine Puppe und Kuscheltiere sowie Bilderbücher mit wenigen, eindeutigen Bildern und für draußen ein Ball, ein Sandkasten mit Eimer und Förmchen sowie im Sommer ein kleines Planschbecken.

TIPP
SPIELMATERIAL FÜR DIE KREATIVITÄT

Schauen Sie mal, ob Ihr Kind genügend Stifte, Farben, Papier, Kreide und Knete besitzt. Hängen Sie leere Blätter Papier an die Wände. Bringen Sie eine Tafel im Kinderzimmer an. Schaffen Sie Platz für das Aufhängen von Zeichnungen und Fotografien. Und verstauen Sie alles so, dass Ihr Kind jederzeit allein an die Malsachen kann.

Und wer räumt auf?


Die Eltern natürlich, wer sonst? Kinder in der Als-ob-Spielphase fühlen sich im Chaos meistens recht wohl. Wozu also aufräumen? Aber selbst wenn sie aufräumen wollten, wüssten Kinder im Als-ob-Spielalter gar nicht, wie sie das anstellen sollten. Sie sind acht Stunden am Tag damit beschäftigt, Muster, Strukturen und Zusammenhänge in einer für sie verwirrenden sozialen Umwelt ausfindig zu machen – in diesem Entwicklungsstadium Ordnung in ein so ausgefeiltes System wie ein Kinderzimmer zu bringen, übersteigt schlicht ihre Fähigkeiten. Selbst Zehnjährigen fällt es oft genug noch schwer, Ordnung in ihrem Zimmer zu halten. »Wie halten sie es nur in ihrem »Saustall« aus? Als ob da eine Bombe eingeschlagen hätte«, rufen Eltern oft verzweifelt, wenn sie die Zimmertür öffnen und vom Schlag getroffen werden.

Aber selbst die schlampigsten Kinder verfügen über irgendein Ordnungssystem. Das erkennt man dann, wenn sie plötzlich unter das Bett oder hinter einen Schrank kriechen und triumphierend eine lang vermisste Tasse präsentieren. Manche Eltern sind sogar stolz auf die geniale Unordnung, in der ihre Kinder leben. Sie bezeichnen sie zärtlich als »Krümelmonster« und freuen sich, wenn die Kinder nach einer erfolgreichen Wühlattacke stolz das Gesuchte hervorziehen: Das Genie beherrscht das Chaos!

Das Chaos gebiert die Ordnung.

Friedrich Nietzsche (1844 – 1900)

Aber gerade weil Zwei- bis Dreijährigen die ganze Welt noch sehr chaotisch erscheint, lieben sie das Sortieren. Zeigt man ihnen, wie man unterschiedliche Figuren in passend vorgefertigte Fächer versenkt, ahmen sie das mit Begeisterung nach. Man staunt, wie fix sie Sortiervorschläge verstehen und wie eifrig sie diese nachahmen. Ist alles einsortiert, bringen Kinder im Als-ob-Spielalter alles wieder mit großer Freude durcheinander, um mit...

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