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Rawls Recht der Völker

Menschenrechtsminimalismus statt globaler Gerechtigkeit? (Beiträge zur Politikwissenschaft, Band 7)

AutorAndreas Bock
VerlagHerbert Utz Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl171 Seiten
ISBN9783831607464
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR

Das »Recht der Völker« formuliert eine anspruchsvolle Theorie globaler Gerechtigkeit. Was von der Rezeption praktisch nicht wahrgenommen wird. Die zentralen Punkte von Rawls' Werk - die Konzeption der Völker (die anstelle von Individuen als die entscheidenden Akteure angesprochen werden), der Menschenrechte (die ausdrücklich ohne liberale Rechte auskommt), der Pflicht zur Unterstützung (die gerade kein Prinzip distributiver Gerechtigkeit ist) und der Forderung nach Tolerierung nichtliberaler, aber achtbarer Völker (die an die Konzeption der Völker und Menschenrechte gekoppelt ist) - sind Gegenstand von falscher und ungenauer Interpretation. 

So ist es wenig verwunderlich, dass das »Recht der Völker« als bloßes Zugeständnis an den status quo missverstanden wird, das im Interesse einer Anerkennung durch liberale und nichtliberale Völker bereit ist, die Idee einer umfassenden Menschenrechtskonzeption aufzugeben, und damit auch den Anspruch auf globale Gerechtigkeit. Das Gegenteil ist richtig.

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Leseprobe
"Politischer Liberalismus (S. 17-18)

Rawls’ politischer Liberalismus reagiert auf ein grundlegendes Problem der Theorie der Gerechtigkeit: dass die darin verwendete Idee der wohlgeordneten Gesellschaft unrealistisch ist. In der Theorie der Gerechtigkeit geht Rawls durchweg von einer Kantischen Interpretation der Gerechtigkeit als Fairness aus, die Gerechtigkeit selbst zum intrinsischen und höchsten Gut macht und jedem Einzelnen das Streben nach moralischer Autonomie als eigentliche Motivation und Verwirklichung seiner Natur zuschreibt: „By acting from these principles [Rawls’s two principles of justice, A.B.] persons express their nature as free and equal rational beings subject to the general conditions of human life."" Und weiter: „The desire to act justly and the desire to express our nature as free and equal moral persons turn out to specify what is practically speaking the same desire.""

3) Stabilität und Legitimität

Nur dass die Annahme einer umfassenden moralisch-philosophischen Lehre, die von allen Bürgern bejaht wird, mit den Grundannahmen einer liberalen Demokratie nicht vereinbar ist, geht diese doch – zumindest als Möglichkeit – von einander widersprechenden religiösen, philosophischen und moralischen Lehren, Überzeugungen und Ansichten aus. Aufgrund der „Bürden des Urteilens"" ist es vernünftigerweise nicht zu erwarten, dass sich die Mitglieder einer liberalen Gesellschaft auf ein und dieselbe philosophische Begründung einer Gerechtigkeitskonzeption eini gen, so dass, will man diese Zustimmung nicht durch den repressiven Gebrauch der Staatsgewalt erzwingen, der Pluralismus zu den Kennzeichen liberaler Demokratie gehört.

Allerdings, und das ist nicht unwichtig zu erwähnen, geht es Rawls nicht um den Pluralismus als solchen, sondern um eine qualifizierte Form, den vernünftigen Pluralismus. „Dieser Pluralismus wird nicht als eine Katastrophe betrachtet, sondern vielmehr als das natürliche Ergebnis der Betätigung der menschlichen Vernunft unter dauerhaft freien Institutionen. Wer einen vernünftigen Pluralismus als eine Katastrophe betrachtet, betrachtet den Gebrauch der Vernunft unter den Bedingungen der Freiheit selbst als eine Katastrophe."" Womit sich auch die Stoßrichtung von Rawls’ politischem Liberalismus erklärt.

Wenn der vernünftige Pluralismus das Ergebnis liberaler politischer Institutionen ist, dann muss es umgekehrt auch Aufgabe dieser Institutionen sein, diesen vernünftigen Pluralismus zu bewahren. Folglich muss die Gerechtigkeitskonzeption einer liberalen Gesellschaft dem Faktum eines vernünftigen Pluralismus’ gerecht werden. Diese Problematik wird nun dadurch verschärft, dass nicht alle in einer liberalen Demokratie vertretenen Lehren liberale Lehren sind. Gerade für gläubige Bürger ist die moralische Autonomie kein Gut, das sie zur Unterstützung einer Gerechtigkeitskonzeption motivieren könnte.

Im Gegenteil, wie auch Samuel Freeman anmerkt: „According to their [the liberal Catholics and other believers, A.B.] comprehensive religious and moral views, God alone, not human reason, is the ultimate source of moralitiy, justice, and value. Justice, natural law, and the human good are requirements of our created essence, not of unaided human reason."" Warum Rawls im Vorwort zur amerikanischen Taschenbuchausgabe von Politischer Liberalismus die philosophische Frage des politischen Liberalismus auch schärfer reformuliert: „Wie können auch diejenigen, die eine auf einer religiösen Autorität, wie zum Beispiel der Kirche oder der Bibel, beruhende religiöse Lehre bejahen, eine vernünftige politische Konzeption haben, die eine gerechte demokratische Ordnung stützt?"" Das Problem, auf das Rawls’ politischer Liberalismus eine Antwort geben will, ist demnach ein zweifaches: Welche Gerechtigkeitskonzeption kann auf die freiwillige Unterstützung liberaler und nichtliberaler vernünftiger Lehren hoffen und somit erstens zur Grundlage einer stabilen demokratischen Ordnung werden und zweitens den Gebrauch politischer (Zwangs-) Gewalt legitimieren."

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