1 Naturwissenschaftliche Grundlagen
Viele wichtige Kompetenzen im Berufsbild der Heilerziehungspflege basieren auf einem Grundverständnis vom Aufbau und von den Funktionen des menschlichen Körpers. Eine Grundüberlegung ist deshalb die Frage: „Was ist der Mensch?“ Ein Mensch ist viel mehr als die Summe seiner Einzelteile, wie es in der naturwissenschaftlichen Betrachtung oft beschrieben wird. Deshalb ist die naturwissenschaftliche Betrachtung nur ein Teil der Überlegungen. Für die Auseinandersetzung mit Aufbau, Funktion, Erkrankungen, Veränderungen und Beeinträchtigungen kann sie uns aber eine wichtige Hilfe sein.
Und letztendlich hat dies auch eine Bedeutung für die Pflege. Wie sollen wir Veränderungen und ihre Bedeutung erkennen, fachlich korrekt dokumentieren und ggf. weitergeben, therapeutisch unterstützen, grundlegende Bedürfnisse erkennen und bei der Befriedigung dieser Bedürfnisse unterstützend mitwirken, wenn nicht ein Grundverständnis für diese Einzelteile vorhanden ist?
Daten – Mensch (Mittelwerte):
Körpergröße (Europa) | Mann: | 176 cm |
Körpervolumen | | 75 l bzw. 0,075 m³ |
Lebenserwartung bei Neugeborenen | Junge: | 76 Jahre |
bei 60-jährigen Menschen | Mann: | 80 Jahre |
1.1 Der Aufbau des menschlichen Körpers aus naturwissenschaftlicher Sicht
Man kann die Zusammensetzung des menschlichen Körpers in verschiedene Ebenen einteilen (s. Kap. 1.1.1 bis 1.1.7): in chemische Elemente (Atome), chemische Verbindungen (Moleküle), Zellen und Zellorganellen, Gewebe, Organe, Organsysteme, Ganzheit Mensch. Weitere Grundlagen für das Verständnis von Abläufen im menschlichen Körper sind spezielle chemische Vorgänge (s. Kap. 1.1.8).
1.1.1 Chemische Elemente (Atome)
Zwar kennt die Wissenschaft noch kleinere Strukturen als die Atome, für das Verständnis für den menschlichen Körper und die abzuleitende Pflege reicht es, sich mit der Ebene der Atome ein wenig auseinanderzusetzen.
Der Mensch besteht aus ungefähr 5 x 1027 (das ist eine 5 mit 27 Nullen) Atomen. Man unterscheidet dabei Elemente, die einen hohen Gewichtsanteil haben (Makro- oder Mengenelemente), und Elemente, die nur in sehr geringen Mengen (Mikro- oder Spurenelemente) im menschlichen Körper vorkommen. Beispiele über Vorkommen und Bedeutung einiger Elemente (s. a. Kap. 1.1.2):
- Sauerstoff: ein Element des Wassers, notwendig für die Verbrennung von Kohlenhydraten zur Energiegewinnung
- Kohlenstoff: Grundelement von organischen Verbindungen (Eiweiße, Fette, Kohlenhydrate)
- Wasserstoff: ein Element des Wassers
- Stickstoff: wesentliches Element der Eiweiße, Eiweißstoffe und DNA
- Kalzium: Knochenstabilisierung, Muskelerregung
- Kalium: Leitfähigkeit von Nervenzellen
- Natrium: Regulation des Wasserhaushaltes, Leitfähigkeit von Nervenzellen
- Magnesium: Bestandteil von Knochen, Enzymen; stabilisiert die Erregbarkeit von Zellen
- Phosphor: Bestandteil von Knochen (als Phosphat)
- Schwefel: Bestandteil von Aminosäuren und Vitaminen
- Chlor: Bestandteil der Magensäure, zusammen mit Natrium (NaCl – Kochsalz), Regulation des Wasserhaushaltes
- Eisen: Bestandteil vieler Enzyme, z. B. roter Blutfarbstoff (Hämoglobin)
- Fluor: Härtung des Zahnschmelzes
- Iod: Bestandteil der Schilddrüsenhormone
- Zink: Beteiligung an vielen Enzym- und Hormonvorgängen
- Kupfer: Bestandteil zahlreicher Enzyme
1.1.2 Chemische Verbindungen (Moleküle)
Die chemischen Elemente bilden im menschlichen Organismus viele verschiedene Verbindungen, die sich folgendermaßen einteilen lassen (s. Tab. 1.1; die Prozentzahlen stellen den ungefähren Gehalt im menschlichen Körper dar):
Tab. 1.1: Chemische Verbindungen
anorganische Verbindungen | organische Verbindungen |
Wasser (60–70 %) | Eiweiß (15 %) |
Mineralstoffe (5 %) | Fett (10 %) |
Laugen und Säuren (1 %) | Kohlenhydrate (1,2 %) |
Beispiele für die Bedeutung der einzelnen Verbindungen:
- Wasser: Wasser ist die Grundlage des Lebens, alle chemischen Prozesse und somit Lebensvorgänge spielen sich im Medium Wasser ab. Wasser ist Lösungs- und Transportmittel.
- Mineralstoffe: Als chemische Verbindungen dienen sie dem Körper als Bau- und Regelstoff (z. B. in Hormonen).
- Laugen und Säuren: Magensäure dient der Verdauung und sie regulieren den pH-Wert des Blutes.
- Eiweiße: Eiweiße (Proteine) setzen sich aus verschiedenen Aminosäuren zusammen. Jede Körperzelle im Menschen besteht aus Eiweißen, sie bestimmen in großem Maße die Funktion und die Struktur des menschlichen Körpers und sie sind in allen Organen zu finden (z. B. Hauptbestandteil der Muskulatur). Weitere Aufgaben: Sie sind Bestandteil von Enzymen und Hormonen, sind Stütz- und Gerüstbaustoff (z. B. Kollagen), bilden Keratin für Haut, Haare und Nägel, man findet sie im Blut und in den roten Blutkörperchen als Transporteiweiße (z. B. Hämoglobin) sowie als Antikörper für die Immunabwehr und sie sind Faktoren der Blutgerinnung.
- Nukleinsäuren: Nukleinsäuren sind Bestandteil der Chromosomen als DNA (Desoxyribonukleinsäure), Träger der genetischen Information und Bestandteil der RNA (Ribonukleinsäure) sowie Überträger der genetischen Information in der Zelle.
- Fette: Fette sind Energieträger und Energiespeicher. Durch die Speicherung von Fetten unter der Haut wird ein Wärmeschutz gewährleistet, Fettgewebe schützt die Organe vor äußeren Einflüssen und Fett spielt für den Aufbau der Zellwände (Membranen) eine wichtige Rolle.
- Kohlenhydrate: Kohlenhydrate dienen dem Körper v. a. als Energiequelle, Energiereserve sowie als Gerüstsubstanz.
1.1.3 Zellen und Zellorganellen
Der gesamte menschliche Organismus ist aus Zellen aufgebaut. Jeder Mensch hat ca. 100 Billionen Zellen (das ist eine Eins mit 14 Nullen). Größe und Aufbau der Zellen ist je nach Funktion sehr unterschiedlich. Jede dieser Zellen, mit Ausnahme der roten Blutkörperchen, enthält in ihrem Zellkern den vollständigen genetischen Bauplan, der jedem Menschen zugrundeliegt.
Zellen haben in der Regel die Endung „-zyten“, z. B.:
- Melanozyten: Hautzellen, die das Pigment Melanin bilden
- Leukozyten: weiße Blutkörperchen
- Astrozyten: eine bestimmte Zellart im Nervensystem
Die Zelle, die auch als kleinste Funktionseinheit des menschlichen Körpers bezeichnet wird, hat folgende Lebenseigenschaften:
- Wachstum: Die Zelle kann durch Bildung von Eiweißen wachsen.
- Stoffwechsel: Damit...