I. Einleitung
Im Rahmen der sich schnell ändernden rechtlichen Rahmenbedingungen für Pflegeeinrichtungen sind steuerrechtliche Überlegungen von großer Bedeutung. Denn gerade das Steuerrecht unterliegt einem rasanten Wandel, wie die Abfolge permanent aufeinander folgender Steuerrechtsänderungen – meist unter dem „Etikett“ der Steuervereinfachung – deutlich macht.
Seit der letzten Auflage dieser Veröffentlichung im Oktober 2006 sind dazu vor allem – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – folgende, für Pflegeeinrichtungen wichtigen Steuergesetzänderungen zu nennen, die vorzugsweise jeweils kurz vor einem Jahresende beschlossen wurden:
- Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) vom 7.12.20061,
- Jahressteuergesetz 2007 vom 13.12.20062,
- Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.20073,
- Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements vom 10.10.20074,
- Jahressteuergesetz 2008 vom 20.12.20075,
- Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.20086,
- Jahressteuergesetz 2009 vom 19.12.20087,
- Steuerbürokratieabbaugesetz vom 20.12.20088,
- Gesetz zur Umsetzung steuerrechtlicher Regelungen des Maßnahmenpakets „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung“ vom 21.12.20089,
- Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24.12.200810,
- Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland vom 2.3.200911,
- Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetz vom 7.3.200912,
- Drittes Mittelstandsentlastungsgesetz vom 17.3.200913,
- Gesetz zur Fortführung der Gesetzeslage 2006 bei der Entfernungspauschale vom 20.4.200914,
- Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BiIMoG) vom 25.5.200915,
- Gesetz zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung) vom 16.7.200916,
- Gesetz zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung (Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz) vom 29.7.200917.
Das Jahressteuergesetz 2009 hat eine umfassende Änderung der Vorschriften zu den Umsatzsteuerbefreiungen für Pflegeeinrichtungen zum 1.1.2009 gebracht18.
Zu diesen – für Pflegeeinrichtungen essentiellen – Gesetzesänderungen hat das Bundesfinanzministerium am 20.7.2009 ein umfangreiches Einführungsschreiben veröffentlicht19, welches in dieser Dokumentation als Anlage III im Wortlaut wiedergegeben wird20 und welches die (langjährigen) Regelungen in Abschn. 99 („Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime“), Abschn. 99a („Pflegeeinrichtungen nach § 4 Nr. 16 Buchstabe e UStG“) und Abschn. 100 („Eng verbundene Umsätze“) der Umsatzsteuer-Richtlinien 2008 ablöst21.
Die neuen Umsatzsteuerbefreiungsvorschriften gelten grundsätzlich ab 1.1.2009; für bis zum 31.12.2009 ausgeführte Umsätze wird es jedoch von den Finanzbehörden nicht beanstandet, wenn ein betroffener Träger sich für die Steuerbefreiung seiner Leistungen auf § 4 Nr. 16 Buchst. d und e UStG in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung beruft22. Insoweit ist zumindest für 2009 die bisherige Rechtslage weiter von Relevanz; daneben ist sie insbesondere im Rahmen von steuerlichen Außenprüfungen für Veranlagungszeiträume vor 2009 unverändert von großer Bedeutung.
Neben den teilweise kaum noch zu überblickenden Aktivitäten des Gesetzgebers spielen vielfältige Entscheidungen der Gerichte für die Steuerfragen von Pflegeeinrichtungen eine große Rolle, und zwar nicht nur Entscheidungen der deutschen Finanzgerichte, sondern – insbesondere bei der Umsatzsteuer – z. B. auch solche des Europäischen Gerichtshofes, ferner ggf. des Bundesverfassungsgerichtes oder anderer oberster deutscher Gerichte.
Außerdem wird von den Finanzverwaltungen des Bundes und der Länder in einer Vielzahl von Erlassen, Verlautbarungen und Schreiben zu einzelnen Steuerrechtsproblemen von Pflegeeinrichtungen Stellung genommen.
Daneben schließlich werden im steuerrechtlichen Schrifttum weitere Einzelfragen von Vertretern der Gerichte, der Finanzverwaltung, der steuerlichen Berater sowie von Repräsentanten der Pflegeeinrichtungen diskutiert.
Die leitenden Mitarbeiter von Pflegeeinrichtungen sind verpflichtet, die jeweils maßgebenden steuerrechtlichen Rahmenbedingungen insgesamt zu beachten. Dieses Unterfangen ist mit erheblichen praktischen Umsetzungsproblemen verbunden. Denn sie müssen nicht nur die „allgemeinen“ steuerrechtlichen Vorschriften, soweit sie beispielsweise für Dienstleistungsunternehmen von Bedeutung sind, beachten, sondern auch die besonderen „Spielregeln“ der Pflegebranche. Hierbei dürfte in den weitaus meisten Fällen die Einbindung eines mit der besonderen Materie betrauten steuerlichen Beraters unverzichtbar sein.
Unabhängig davon sollte jeder leitende Mitarbeiter einer Pflegeeinrichtung die Grundzüge der steuerrechtlichen Rahmenbedingungen für Pflegeeinrichtungen kennen, schon im Hinblick auf mögliche eigene persönliche Haftungstatbestände23.
Mit dieser Veröffentlichung sollen die für Pflegeeinrichtungen derzeit maßgebenden Regelungen des Steuerrechts in möglichst allgemein verständlicher Form zusammenhängend dargestellt werden. Deshalb wird (wie in den Vorauflagen) versucht, die Anschaulichkeit und Praxisnähe der Erläuterungen zu erhöhen.
Im Rahmen dieser Publikation soll keine akademische Auseinandersetzung mit steuerrechtlichen Fragen von Pflegeeinrichtungen erfolgen.
Vielmehr sollen in möglichst knapper Form praxisnah die bei Pflegeeinrichtungen zu beachtenden derzeitigen steuerrechtlichen Rahmenbedingungen dargestellt und – soweit möglich – Gestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt werden.
In der Anlage C. dieser Broschüre sind – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – aktuelle Veröffentlichungen zu den Besteuerungsfragen von Pflegeeinrichtungen aufgeführt. Die Nichtberücksichtigung von Meinungsäußerungen aus dem Fachschrifttum stellt selbstverständlich keine Wertung dar.
Soweit es um gemeinnützigkeitsrechtliche Fragestellungen geht, werden dieser Veröffentlichung (unverändert) schwerpunktmäßig der sog. Anwendungserlass des Bundesfinanzministers zum Gemeinnützigkeitsrecht (in der derzeit gültigen Fassung vom 2.1.200924) sowie die – zwischenzeitlich in 9. Auflage erschienene – Veröffentlichung von Buchna25 zugrunde gelegt.
Eine weitere Beschränkung der darzustellenden Materie ergibt sich im Hinblick die zu berücksichtigenden Gesetzesfassungen. Im Rahmen dieser Broschüre wird prinzipiell auf den Rechtsstand zum 1. September 2009 abgestellt. Es ist davon auszugehen, dass wegen der Neuwahl des Bundestages am 27.9.2009 jedenfalls bis zum 31.12.2009 keine (nennenswerten) steuergesetzlichen Änderungen mehr zu erwarten sind26.
Als Anlage sind die maßgebenden gesetzlichen Vorschriften abgedruckt, weiterhin der bereits angesprochene Anwendungserlass zur Abgabenordnung, soweit er die gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorschriften kommentiert, sowie schließlich das bereits angesprochene Einführungsschreiben des Bundesfinanzministeriums zu § 4 Nr. 16 UStG n. F. vom 20.7.2009.
Für Anregungen und Kritikpunkte aus dem Leserkreis sind die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft und der Verfasser jederzeit dankbar.
Das Manuskript wurde am 15. August 2009 abgeschlossen.
1 BStBl 2007 I S. 4.
2 BStBl 2007 I S. 28.
3 BStBl 2007 I S. 630.
4 BStBl 2007 I S. 815; vgl. hierzu im Überblick z. B. Doppstadt, Das Stiftungswesen in Deutschland – eine Erfolgsgeschichte in: Wachter (Hrsg.), Festschrift für Sebastian Spiegelberger – Vertragsgestaltung im Zivil- und Steuerrecht, 2009, S. 1264 – unter VI.
5 BStBl 2008 I S. 218.
6 BGBl 2008 I S. 2026.
7 BStBl 2009 I S. 74.
8 BStBl 2009 I S. 124.
9 BStBl 2009 I S. 133; sog. „Konjunkturpaket I“.
10 BStBl 2009 I S. 140.
11 BStBl 2009 I S. 434; sog. „Konjunkturpaket II“.
12 BStBl 2009 I S. 436.
13 BStBl 2009 I S. 470.
14 BStBl 2009 I S. 536.
15 BGBl 2009 I S. 1102.
16 BGBl 2009 I S. 1959.
17 BGBl 2009 I S. 2302; hierzu liegt ergänzend seit dem 5.8.2009 ein Regierungsentwurf für eine Steuerhinterziehungsbekämpfungsverordnung (SteuerHBekV) vor.
18 Vgl. z. B. Klaßmann, Zeitenwende im Steuerrecht, Wohlfahrt Intern 2/2009, S. 23; und Tybussek, Steuerbefreiungen für Betreuungs- und Pflegeleistungen auf neuer Grundlage, Altenheim 4/2009, S. 8.
19 BMF v. 20.7.2009 – IV B 9 – S 7172/09/10002, BStBl 2009 I S....