3 Spezielle Themen bei der Tabakentwöhnung
3.1 Schwere Entzugssymptomatik und starkes Craving
Inhalt | Präsentation/Material |
Sammlung aktueller Entzugssymptome der Teilnehmer | Flipchart |
Erklärung ihrer Entstehung | ► Folie 10 »Nikotinentzug –Hungrige Nikotinrezeptoren« ► Folie 25 »Die Rolle der Gedanken« |
Verlauf der Entzugssymptomatik herausarbeiten | Flipchart (Craving-Welle, ► Kap. 3.1.2) |
Bewältigungsstrategien sammeln | Zweiergruppen: ► Arbeitsblatt 1 »Über die (Craving-) Welle surfen« Plenum: ► Arbeitsblatt 2 »Gedanken beeinflussen« ► Folie 26 »Einen inneren Dialog führen« ► Arbeitsblätter 3 und 4 »Umgang mit Entzugssymptomen I und II« |
Craving-Notfallplan entwickeln | Zweiergruppen: ► Arbeitsblatt 5 »Craving-Notfallplan« |
3.1.1 Hintergrund
Entzugssymptome, Craving und Tabakentwöhnung
Das Nikotinentzugssyndrom besteht aus verschiedenen Symptomen unterschiedlicher Intensität und Ausprägung (► Kap. 2.4). Insbesondere bei starken oder häufig auftretenden Entzugserscheinungen besteht ein erhöhtes Rückfallrisiko. Einen großen Anteil daran haben emotionale Symptome wie Depressivität oder Reizbarkeit, aber auch physiologische Symptome wie Schlaflosigkeit und verstärkter Appetit können die Abstinenz erschweren. Craving (Rauchverlangen, »Suchtdruck«) ist als kognitive Komponente im Rahmen der Entzugssymptomatik mit dem Verlangen nach einer Substanz verknüpft. Dieses kann sich in unterschiedlichen Schweregraden äußern – von dem Gedanken an die Substanz (»Jetzt wäre es schön, eine Zigarette zu rauchen«) bis hin zu einem kontinuierlichen und unstillbaren Verlangen (»Das Einzige, was mich jetzt interessiert, ist eine Zigarette, und ich würde alles tun, um sie zu bekommen!«), bei dem die Gedanken nur noch um die Substanz kreisen.
Entzugssymptome treten sehr häufig zu Beginn einer Tabakentwöhnung auf und werden in der Regel schwächer, je länger die Abstinenz andauert. Insbesondere das Craving kann jedoch auch viele Wochen und Monate nach dem Rauchstopp noch fortbestehen. Oft wird es durch bestimmte interne oder externe Schlüsselreize ausgelöst, die mit dem Rauchen verbunden waren. Das Erleben von Craving wird von den Betroffenen meist als sehr unangenehm, frustrierend und außerhalb der eigenen Kontrolle erlebt. Es wird als einer der häufigsten Gründe für den frühzeitigen Abbruch eines Abstinenzversuchs genannt.
Ziele dieses Moduls
Nikotinersatzmittel oder andere Medikamente können das Auftreten von Entzugserscheinungen verhindern oder zumindest deren Intensität reduzieren. Allerdings sind wir in unseren Kursen des Öfteren Teilnehmern begegnet, die eine medikamentöse Mitbehandlung ganz ablehnen und psychologische Strategien zur Bewältigung von Rauchverlangen und Entzugserscheinungen bevorzugen. Craving lässt sich manchmal dadurch bewältigen, dass die Betroffenen es einfach ignorieren oder sich ablenken. Wenn diese Strategien nicht erfolgreich sind oder wenn das Rauchverlangen als unkontrollierbar erlebt wird, kann das im Folgenden vorgestellte Modul eingesetzt werden, um alternative kognitive und verhaltensbezogene Strategien erarbeiten. Zudem ist es wichtig, den Kursteilnehmern eine angemessene Bewertung und Einschätzung insbesondere des Craving zu vermitteln, z. B. derart:
- Das Auftreten von Craving im Verlauf der Entwöhnung ist völlig normal und kein Zeichen persönlichen Versagens.
- In der Regel tritt es nicht zufällig und unkontrolliert auf, sondern in spezifischen Situationen. Die inneren oder äußeren Auslöser können mittels Selbstbeobachtung und etwas Übung identifiziert werden.
- Craving ist zeitlich begrenzt, in den meisten Fällen auf 5–15 Minuten. Es wird auf jeden Fall vorübergehen, auch wenn keine Zigarette geraucht wird.
- Craving ist ein gedankliches Verlangen nach Zigaretten, dem nicht nachgegeben werden muss. Die Situation ist nicht lebensbedrohlich, und es wird nichts Schlimmes geschehen.
- Wenn die Kursteilnehmer es schaffen, das Craving zu bewältigen, ohne zu rauchen, wird es mit der Zeit schwächer und tritt seltener auf. Wenn stattdessen geraucht wird, wird das Verlangen nach Zigaretten wieder stärker und tritt häufiger auf.
- Kein Mensch ist dem Craving hilflos ausgesetzt. Es gibt Strategien, um es erfolgreich zu bewältigen. Das ist keine Frage der (willensstarken oder willensschwachen) Persönlichkeit, sondern eine Frage der Übung.
Ergänzende Literatur
Piasecki, T., Kenford, S., Smith, S., Fiore, M., Baker, T. (1997) Listening to nicotine: Negative affect and the smoking withdrawal conundrum. Psychological Science 8 (3): 184–189.
Tiffany, S.T. (1999) Cognitive concepts of craving. Alcohol Research & Health 23(3): 215–224.
3.1.2 Implementierung des Moduls in die Tabakentwöhnungsbehandlung
Zum Einstieg kann auf dem Flipchart zunächst gesammelt werden, welche Entzugssymptome die Teilnehmer bei sich wahrgenommen haben. Anschließend kann erneut ► Folie 10 »Nikotinentzug – Hungrige Nikotinrezeptoren« aus der ersten Sitzung aufgelegt werden, um das Auftreten von Entzugserscheinungen in einen Kontext zu stellen:
»Wie wir in der ersten Sitzung bereits besprochen haben, führt regelmäßiges Rauchen zur Vermehrung der Rezeptoren, und dies erfolgt in Abhängigkeit von der Rauchmenge. Diese sogenannte Up-Regulation wird heute als Grundlage für das Auftreten von Entzugserscheinungen betrachtet. Entzugserscheinungen sind somit einfach ein Symptom der Tabakabhängigkeit. Indem den Rezeptoren über eine begrenzte Zeit eine definierte Menge an Nikotin in Form von Nikotinersatzprodukten zugeführt und im Verlauf ausgeschlichen wird, kann sich der Körper allmählich daran gewöhnen, kein Nikotin mehr zur Verfügung zu haben. Entzugssymptome treten so nicht mehr oder zumindest deutlich geringer auf. Heute werden wir psychologische Strategien besprechen, mit denen Sie starkes Rauchverlangen bewältigen können. Dazu ist es interessant und wichtig, die eigene Abhängigkeit gut kennenzulernen und Situationen zu identifizieren, die Craving auslösen, um Rückfällen vorzubeugen.«
Folie 10
An dieser Stelle kann es sinnvoll sein, die Rückfallgefahr bei einer Tabakabhängigkeit ins richtige Licht zu rücken. Die Teilnehmer sollten dieses Risiko keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen, denn statistisch gesehen ist ein Rückfall sehr wahrscheinlich. Andererseits kann es sich sehr ungünstig auf die Motivation auswirken, wenn der Eindruck entsteht, man sei für den Rest seines Lebens höchst rückfallgefährdet und müsse ständig auf der Hut vor Versuchungssituationen sein. Es ist meist hilfreich, die Erfahrungen zu unterstreichen, die viele Teilnehmer bisher gemacht und auch häufig während des Erfahrungsaustausches bereits beschrieben haben: Es gibt Situationen, in denen das Nichtrauchen leicht fällt und andere, in denen es noch schwer fällt. Diese Situationen können nun am Flipchart gesammelt und mithilfe der Verhaltensanalyse näher beschrieben werden. So lassen sich schon sehr früh Ansätze zur Bewältigung erkennen.
Für den nächsten Schritt hat es sich unserer Erfahrung nach als hilfreich erwiesen, die Vorhersehbarkeit einer derartigen Situation herauszuarbeiten. Meistens wird es bereits während des Erfahrungsaustausches beschrieben, ansonsten kann es bei den Teilnehmern erfragt werden: »Das Rauchverlangen kommt, wird stärker, dauert ca. 5–15 Minuten an und vergeht wieder. Es verebbt wie eine Welle, auch wenn nicht geraucht wird (malen Sie dies anhand der Teilnehmerberichte auf das Flipchart-Poster). Sie können lernen, damit umzugehen – bildlich gesprochen über sie hinweg zu surfen. Sie haben dabei eine sehr überschaubare Aufgabe, nämlich diese 5–15 Minuten zu überbrücken und diese eine Zigarette nicht zu rauchen.«
Teilen Sie dann ► Arbeitsblatt 1 »Über die Craving-Welle surfen« aus und lassen Sie es in Zweiergruppen bearbeiten. Erarbeiten Sie anschließend im Plenum die Details, z. B.: Wodurch entsteht Rauchverlangen? Was genau ist das überhaupt (woran können Sie erkennen, dass es nicht Hunger, Durst o. Ä. ist)? Wie wirkt es sich aus? Hier sollte auch die Rolle der Gedanken sichtbar gemacht werden, die ja einen Großteil des Craving ausmachen und den weiteren Verlauf beeinflussen. Positive Gedanken an...