2 Mitarbeiterführung
Inhalt
Im folgenden Kapitel lernen Sie die zentralen Konzepte und Instrumente der Mitarbeiterführung kennen. Nach einer Bestimmung der wichtigsten Aufgaben und Funktionen von Führung werden klassische und neuere Konzepte der Führung vermittelt. Außerdem erfahren Sie, welche Führungsinstrumente im Führungsalltag von Bedeutung sind. Anschließend werden verschiedene Methoden vermittelt, die für die Auswahl und die Entwicklung von Führungskräften relevant sind.
Das Thema Führung nimmt in der AOW-Psychologie eine zentrale Stelle ein. Das liegt daran, dass Führungskräfte einen erheblichen Einfluss auf das Erleben und Verhalten von Mitarbeitern in Organisationen haben. Leistung, Motivation, Gesundheit und Zufriedenheit können durch angemessenes Führungsverhalten erhalten und gesteigert werden. Unterstützende und wertschätzende Führung kann damit durchaus als Ressource verstanden werden. Umgekehrt kann inkompetente, gleichgültige oder einseitig autoritäre Führung als nicht unbedeutender Belastungsfaktor wirken, der erhebliche Risiken für die Leistung, Zufriedenheit und Gesundheit der Mitarbeiter birgt. Auch wenn es kritische Stimmen gibt, die davor warnen, den Einfluss von Führung nicht zu überschätzen, ist von einem erheblichen Einflussgewicht auszugehen.
Dabei ist zwischen unterschiedlichen Effekten zu unterscheiden. Zum einen wirken Führungskräfte durch ihr direktes Verhalten gegenüber den Mitarbeitern auf deren Leistungsbereitschaft und Zufriedenheit. Gemeint ist damit vor allem die Art und Weise, wie in unterschiedlichen Gesprächssituationen kommuniziert wird, wenn z. B. Aufträge erteilt, Ziele vereinbart oder Feedback gegeben wird. Zum anderen sind Führungskräfte für die Arbeitsbedingungen und Arbeitsinhalte mitverantwortlich und haben damit einen erheblichen Einfluss auf die Anforderungen, Ressourcen und Belastungen an einem Arbeitsplatz und wirken damit indirekt auf die Arbeitssituation der Mitarbeiter. Wie weitreichend und umfassend Führungskräfte auf die Arbeitsbedingungen in ihrem Verantwortungsbereich gestaltend und verändernd einwirken können, hängt wesentlich von der Hierarchieebene und den damit verbundenen Kompetenzen und Befugnissen ab. Nicht zuletzt wirken Führungskräfte durch ihre Vorbildfunktion.
Studien zeigen, dass die Zufriedenheit mit dem Vorgesetzten einen entscheidenden Einfluss auf die Gesamtzufriedenheit hat. Außerdem korreliert die Zufriedenheit mit der Führungskraft positiv mit dem Commitment der Mitarbeiter (r = .36) und negativ mit Stresserleben (r = –.14) und psychosomatischen Beschwerden (r = –.16) (Felfe, 2008). Das bedeutet, dass Mitarbeiter, die mit ihrer Führungskraft eher zufrieden sind, ein überdurchschnittlich hohes Commitment aufweisen, weniger Stress erleben und weniger unter psychosomatischen Beschwerden leiden als Kollegen, die mit ihren Vorgesetzten weniger zufrieden sind. Daraus folgt, dass die wahrgenommene Qualität der Führung von großer Bedeutung für die Verbundenheit und Identifikation der Mitarbeiter mit der Organisation und für ihr Gesundheitserleben ist. Die Entwicklung und Verbesserung der Führung stellt damit einen wichtigen Faktor für den Unternehmenserfolg dar.
Es ist durchaus bemerkenswert, dass sich Führung auf die Gesundheit der Mitarbeiter auswirkt. In einer aktuelleren Studie wurde sogar ein stärkerer negativer Zusammenhang zwischen transformationaler Führung (s. Kapitel 2.3.2) und Stresserleben von r = –.27 gefunden (Felfe, 2006 a). Das bedeutet, dass in der Gruppe der Befragten, die ihre Führungskraft eher als vorbildlich glaubwürdig und überzeugend (transformational) einschätzen, nahezu 45 % angeben, nur geringen Stress zu erleben, während in der Gruppe, die ihre Führungskraft als wenig transformational einstufen (negativ), weniger als 21 % angeben, wenig Stress zu erleben (s. Abb. 2.1).
Abb. 2.1a: Zusammenhänge zwischen Führung und Arbeitszufriedenheit
Umgekehrt verhält es sich bei den Angaben zu hohem Stresserleben. Hier liegt der Anteil derer, die hohen Stress erleben, mit annähernd 40 % um ca. ein 2,5-faches höher, wenn die Führung eher negativ beurteilt wird, als wenn die Führung positiv eingeschätzt wird.
In der gleichen Studie mit ca. 2800 Befragten lag der Zusammenhang zwischen transformationaler Führung und allgemeiner Arbeitszufriedenheit bei r = .37. Wie aus Abbildung 2.1 ersichtlich ist, liegt der Anteil der hoch zufriedenen Mitarbeiter in der Gruppe, die ihre Führungskräfte als transformational einschätzen, bei über 34 %, während der Anteil lediglich bei weniger als 5 % liegt, wenn die Führungskräfte als wenig transformational eingeschätzt werden. Umgekehrt verhält es sich wieder mit den unzufriedenen Mitarbeitern. Wird die Führung als transformational eingeschätzt, liegt ihr Anteil bei unter 2 %. Im Vergleich dazu liegt der Anteil der Unzufriedenen bei wenig transformationaler Führung mit über 12 % deutlich höher.
Abb. 2.1b: Zusammenhänge zwischen Führung und Gesundheit
Führung stellt damit eine wichtige Ressource, aber auch ein potenzielles Risiko für das Wohlbefinden der Mitarbeiter dar. Führungskräfte haben wesentlichen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter, was sich unmittelbar auf deren Belastungserleben und Zufriedenheit auswirkt. Nach einer begrifflichen Klärung und Definition sowie einem Überblick über zentrale Funktionen und Aufgaben der Führung werden in den folgenden Kapiteln unterschiedliche Konzepte und Befunde vorgestellt.
2.1 Merkmale der Mitarbeiterführung
2.1.1 Abgrenzung zu Unternehmensführung und Personalmanagement
Der Begriff Mitarbeiterführung macht deutlich, dass es wichtig ist, diesen Bereich der Führung von anderen wie z. B. der Unternehmensführung abzugrenzen. Unternehmensführung oder Geschäftsführung können als Oberbegriffe verstanden werden, die alle Bereiche, die zur Führung oder zum Management gehören, umfassen. Zu den zentralen Geschäftsführungsbereichen gehören neben den Finanzen die Bereiche Controlling, Organisation, Marketing, Vertrieb etc. und, sobald Mitarbeiter beschäftigt werden, auch der Bereich des Personals. Bei der Unternehmensführung handelt es sich um allgemeine Steuerungsfunktionen, die die ganze Organisation betreffen. Hierzu gehören Strukturen, Aufbau- und Ablauforganisation, der Spezialisierungsgrad, der Technikeinsatz, Entlohnungs- und Anreizsysteme etc. Diese Form der Führung wird daher auch als »entpersonalisiert« bezeichnet (Türk, 1995). Da sie aber auch das Erleben und Verhalten von Mitarbeitern steuern, ohne dass Führungskräfte unmittelbar Einfluss auf ihre Mitarbeiter nehmen, wird hier auch von »Führungssubstituten« gesprochen (Kerr & Jermier, 1978). So definiert beispielsweise eine Stellenbeschreibung weitgehend Aufgaben, Zuständigkeiten und Kompetenzen an einem Arbeitsplatz, und ein leistungsorientiertes Prämiensystem sorgt für die Belohnung besonderer Leistungen, ohne dass die Führungskraft hier entsprechende Vorgaben machen bzw. Entscheidungen treffen muss. Führungssubstitute können den Einfluss von Führung unterstützen und verstärken, aber auch neutralisieren. So zeigten Herrmann, Felfe und Hardt (2012) dass sich der positive Einfluss von Führung auf die Veränderungsbereitschaft reduzierte, wenn die Mitarbeiter zu stark belastet waren.
Das Management des gesamten Personals als eine Funktion der Unternehmensführung wird dann als Personalmanagement oder Personalwesen bezeichnet. Hierzu gehören die Personalbeschaffung, Verwaltung und die Aus- und Weiterbildung bzw. Personalentwicklung. Damit zählen die Auswahl und Entwicklung von Führungskräften sowie die Gestaltung der Mitarbeiterführung zu den zentralen Aufgaben des Personalmanagements.
Unter personaler Führung oder Mitarbeiterführung wird hingegen die direkte und zielgerichtete soziale Einflussnahme von Vorgesetzten auf Mitarbeiter in Organisationen verstanden. Wunderer und Grunwald (1980) definieren Führung allgemein als einen Sammelbegriff für alle Interaktionsprozesse, bei denen sich Personen im organisationalen Kontext gegenseitig beeinflussen, um in Hinblick auf die Ziele der Organisation gemeinsame Aufgaben zu erfüllen.
2.1.2 Aufgaben und Funktionen
Ziel der Mitarbeiterführung ist es, das Verhalten von Mitarbeitern im Sinne der Organisationsziele zu steuern (Neuberger, 2002; Wegge, 2004; Yukl, 2002). Daraus ergeben sich zahlreiche Aufgaben und Funktionen wie Anweisung, Delegation, Kontrolle, Koordination und Unterstützung etc. Die wesentliche Aufgabe personaler Führung besteht darin, zur Erreichung der Organisationsziele beizutragen, indem Leistung der Mitarbeiter gefordert und gefördert wird. Darüber hinaus müssen die Aktivitäten der einzelnen Mitarbeiter geplant und koordiniert werden, indem die Arbeitsteilung, die Abläufe und Schnittstellen organisiert werden. Die Sicherstellung der erforderlichen technischen, materiellen und personellen Ressourcen zählt ebenfalls zu den organisatorischen Aufgaben. Damit lassen sich fünf wichtige Aufgaben und Funktionen personaler Führung benennen:
- Mitarbeiterentwicklung: durch Training, Coaching und Feedback,
- Motivation: durch Zielsetzung, Anreize, Kontrolle und Anerkennung,
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