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Pflegemanagement als Beruf

Anforderungen und Aufgaben leitender Pflegekräfte im Krankenhaus

AutorNorbert Lieb
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl173 Seiten
ISBN9783170265233
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Infolge gravierender Umbrüche in der Krankenhausumwelt und damit einhergehender struktureller Veränderungen der Krankenhausorganisation werden leitende Pflegekräfte in Kliniken zunehmend mit dem Problem konfrontiert, dass von ihnen ständige Anpassungsleistungen gefordert werden. Insbesondere erfahren die Managementanforderungen und -aufgaben bei der erfolgreichen Berufsausübung als pflegerische Führungskraft eine erhebliche Bedeutungszunahme. Deswegen sind Krankenhäuser mehr denn je darauf angewiesen, dass Pflegemanager mit einem hohen Managementpotenzial rekrutiert bzw. entwickelt werden. Das Buch liefert einen umfassenden, praxisorientierten Überblick über die Möglichkeiten der Gestaltung und Steuerung pflegerischer Versorgungseinheiten im Krankenhaus. Es befasst sich speziell mit dem Berufsbild leitender Pflegekräfte auf der Ebene eines Krankenhauses, eines Fachbereichs bzw. einer (Funktions-)Einheit.

Prof. Dr. Norbert Lieb, M.A., lehrt Personalmanagement im Studiengang Pflege- und Gesundheitsmanagement der Hochschule für angewandte Wissenschaften an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt.

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Leseprobe

2 Konzeption einer integrierten Managementlehre als theoretischer Bezugsrahmen


Als theoretischer Bezugsrahmen wird die Konzeption einer integrierten Managementlehre gewählt, dem die weiteren Ausführungen folgen werden. Ein Bezugsrahmen kann als vereinfachte Abbildung der Wirklichkeit mit sprachlichen und/oder grafischen Mitteln verstanden werden. Dieses Strukturierungskonzept soll aufzeigen, was im Hinblick auf (Pflege-)Management als relevant angesehen wird. Dies erscheint notwendig, da in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung um die Beschreibung, Erklärung und Gestaltung des Managements zum Teil höchst unterschiedliche Ansätze entwickelt worden sind. Es sollen somit die Inhalte unterschiedlicher Managementthemen systematisch miteinander verbunden werden (vgl. Wunderer 2001, S. 604). Überdies stellt der theoretische Bezugsrahmen ein begriffliches Bezugssystem zur Verfügung, um die Professionalität im (Pflege-)Management zu fundieren.

Nach einer Einführung in die Entwicklungsgeschichte der Managementforschung werden dem Leser die begrifflichen Grundlagen einer integrierten Managementlehre konzentriert aber gleichwohl umfassend vorgestellt. Dies erscheint deshalb wichtig, da die verwendeten Begriffe in der einschlägigen Fachliteratur bisher keine eindeutige Abgrenzung erfahren haben.

2.1 Entwicklungslinien der Managementforschung


Betriebswirtschafts- versus Managementlehre

Am Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich aufgrund der zunehmenden Industrialisierung in den USA und im deutschsprachigen Raum ein eigenständiges Wissensgebiet rund um Fragen des Managements. Der steigende Bedarf an qualifizierten Kaufleuten prägte zu jener Zeit auch die Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre (früher: Handelswissenschaft). Die ersten Handelshochschulen wurden 1898 in Leipzig, St. Gallen, Aachen und Wien gegründet. Allerdings ist in den USA die Managementlehre (engl.: Business Administration) in einem ganz anderen Zusammenhang entstanden als die Betriebswirtschaftslehre im deutschsprachigen Raum. Während letztere sich zunächst mit der Entwicklung der entsprechenden akademischen Fächer beschäftigte, richtet die Managementlehre ihren Blick von Anfang an auf die Managementpraxis.

Die Entwicklung der Managementforschung lässt sich grob in zwei Linien einteilen, in traditionelle und moderne Forschungsansätze (vgl. Staehle 1999, S. 22). Innerhalb der traditionellen und modernen Ansätze haben sich unterschiedliche Entwicklungsstufen herausgebildet, die aber keineswegs klar abgrenzbar sind. Vielmehr handelt es sich um zum Teil überlappende Phasen mit jeweils bestimmten Forschungsschwerpunkten. Abbildung 2 gibt einen Überblick über die geschichtliche Entwicklung der Managementforschung:

Abb. 2: Historische Entwicklungen der Managementforschung (vgl. Staehle 1999, S. 22)

Nachfolgend werden ausgewählte Meilensteine in der Entwicklung der Managementforschung, die nicht zuletzt im Hinblick auf die weiteren Ausführungen als bedeutungsvoll erscheinen, näher vorgestellt.

Traditionelle Ansätze von 1900 bis 1945

Der Beginn der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Management geht zurück auf das Jahr 1911, als der Ingenieur Frederick Winslow Taylor seinen Ansatz der wissenschaftlichen Betriebsführung unter dem Titel „The Principles of Scientific Management“ veröffentlichte. Taylor erkannte, dass sowohl durch die Trennung von geistiger und ausführender Arbeit als auch durch die Einführung von Akkordlohn und Fließbandarbeit die Arbeitsproduktivität erheblich verbessert werden kann (vgl. Hub 1990, S. 43). Dieser Epoche entsprach auch ein Menschenbild, das den Menschen als billigen Produktionsfaktor ohne höhere Bedürfnisse mit streng rationalem Verhalten betrachtete. Besonders kritisiert wurde schon zu Lebzeiten Taylors die Fremdbestimmung von Menschen durch den Takt der Maschinen und einer Entfremdung des Menschen von der Arbeit. Trotz aller Kritik erlebt der Taylorismus in heutiger Zeit durch die Reorganisation von Arbeitsprozessen, gerade auch im Krankenhaus (Stichwort: Leistungserfassung in der Pflege) eine gewisse Renaissance.

Im Jahre 1916 beschrieb Henri Fayol in seinem Buch „Administration industrielle et générale“ eine Reihe von Aufgaben der betrieblichen Führung:

  1. Vorausplanung,
  2. Organisation,
  3. Anordnung,
  4. Zuordnung und
  5. Kontrolle (vgl. Fayol 1929, S. 34).

Dieser Aufgabenkatalog gilt bis heute als Ursprung der funktionalen Betrachtung des Managements. Mit dem Wort „générale“ im Titel seines Buchs bringt Fayol zum Ausdruck, dass die Aufgaben des Managements nicht allein in industriellen Unternehmungen von Bedeutung sind, sondern auch in anderen Organisationen, wie z. B. in Krankenhäusern.

Information: Für Taylor und Fayol vollzieht sich Pflegemanagement nach starren Regeln, die eine rationelle Bewältigung des Alltagsgeschäfts eines Pflegemanagers ermöglichen (vgl. Probst 1993, S. 424). In deren Sichtweise funktionieren Krankenhäuser und deren Mitarbeiter wie eine Maschine. Nicht berücksichtigt werden beispielsweise die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter und die Umweltbedingungen des Krankenhauses.

Eine Wende in der Managementforschung leiteten die Forschungsarbeiten in der Western Electric Company, USA, ein. Die Untersuchungen wurden von Elton Mayo zwischen 1924 und 1932 geleitet und sollten herausfinden, ob und wie die Beleuchtung in der Fabrik die Produktivität der Arbeiter beeinflusst. Die Arbeiter waren erfreut über die besseren Lichtverhältnisse, und die Produktivität stieg in dem Maße, in dem die Lichtstärke zunahm. Als aber die Forscher in einer anderen Werkstatt die Lichtstärke herabsetzten, war auch dort ein Produktivitätsanstieg zu verzeichnen. Alleine die Anwesenheit der Forscher und deren Interesse an der Arbeit führten zu einer höheren Arbeitsmotivation und -bereitschaft. Diese Studie gilt als Ausgangspunkt einer humanistisch geprägten Managementtheorie, die in der einschlägigen Literatur als Human-Relations-Bewegung bezeichnet wird.

Moderne Ansätze von 1945 bis heute

Die verhaltenswissenschaftlich orientierten Konzepte der Managementforschung beschäftigen sich mit der wissenschaftlichen Beschreibung, Erklärung und Prognose des Verhaltens von Menschen in Organisationen. In diese Entwicklungslinie der Managementforschung fallen neben den zahlreichen Arbeiten zur Unterscheidung von Führungsstilen auch die als populär zu bezeichnenden Arbeiten von Abraham H. Maslow (Bedürfnis-Hierarchie-Theorie von 1943), Frederick Herzberg (Zwei-Faktoren-Theorie von 1959) und Douglas McGregor (Theorie X und Theorie Y von 1958), welche zusammenfassend als Human-Resources-Ansatz bezeichnet werden. Im Mittelpunkt stehen hier die individuellen Ressourcen der Mitarbeiter (z. B. Fähig- bzw. Fertigkeiten, Motivation etc.), welche durch das Management gefördert werden sollen.

Einfluss der Systemtheorie

Innerhalb der systemtheoretischen Forschungsrichtung sollen Managementprobleme nicht nur erkannt und beschrieben, sondern auch gelöst werden. Hans Ulrich, ein Mitbegründer des St. Galler Management-Modells, bezeichnet die Systemtheorie als Metawissenschaft, die andere Wissenschaften mit allgemeinen Grundvorstellungen, Denk- und Vorgehensweisen zur Lösung ihrer Erkenntnisprobleme beliefert (vgl. Ulrich 1994, S. 169). Die klassische Systemtheorie versteht Organisationen als Handlungssysteme, die selbst keine natürlichen Grenzen haben, sie schaffen sich ihre Grenzen gegenüber der Umwelt selbst. Mit der Grenzziehung legen Organisationen fest, was für sie Umwelt ist, welche Segmente der Umwelt mehr und welche weniger bedeutsam sind und wie bestimmte Verknüpfungen zwischen den Elementen der Umwelt zu suchen sind (vgl. Steinmann/Schreyögg 2000, S. 129). Dementsprechend beschäftigen sich Organisationen vorwiegend mit sich selbst und vernachlässigen dabei andere Systeme, von denen ihr Überleben abhängt. In diesem Sinne können Krankenhäuser als geschlossene und statische Systeme bezeichnet werden.

Nachdem die Managementpraxis mit den abstrakten Aussagen der klassischen Systemtheorie relativ wenig anfangen konnte, wurde eine Forschungsrichtung entwickelt, die sich mehr der Gestaltung des Managementhandelns zuwandte (vgl. Staehle 1999, S. 48). Diese als Kontingenztheorie bezeichneten Ansätze sprechen das Verhältnis von In- und Umwelt einer Organisation an, um damit die Strukturen, die Prozesse und das Verhalten derselben festzulegen. Aus dieser Perspektive muss ein Krankenhaus in der Lage sein, sich einer mehr oder minder stabilen Umwelt anzupassen. Ab etwa 1975 fanden Forscher heraus, dass sich eine Organisation sowohl nach außen als auch nach innen differenzieren sollte, um sich den jeweiligen Umweltbedingungen flexibel anzupassen (Konsistenztheorie).

Zusammenfassung

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die klassischen systemtheoretischen Ansätze die Offenheit der Krankenhausorganisation unberücksichtigt lassen; es wird so getan, als ob die Krankenhäuser ihr Verhalten autonom bestimmen könnten. Tatsächlich muss sich ein Krankenhaus in seine Umwelt einpassen (Kontingenztheorie), mit der es in Wechselwirkung (Konsistenztheorie) steht (vgl. Ulrich 2001, S. 518).

Konstruktivismusansatz

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