4.1.3 Dynamisch-interaktives Strukturmodell (Maskus)
Dynamisch-interaktives Strukturmodell
Maskus beansprucht im Vorwort ausdrücklich, eine neue Konzeption von Unterricht vorzulegen (1976). Nach den Pflichtübungen (Aufarbeitung vorliegender Theorieansätze) wird das dynamisch-integrative Strukturmodell folgendermaßen beschrieben:
Unterricht ist keine statische, sondern eine dynamische Größe. Ein den Unterricht in seiner Dynamik repräsentierendes Modell soll dies verdeutlichen. Im Blick auf die vom Lehrenden im Zusammenwirken mit den Lernenden zu leistenden unterrichtlichen Aktivitäten lassen sich zehn verschiedene Phasen beschreiben und begründen, die ihrerseits wieder noch zu unterteilen sind:
Phase 0: Planung und Vorbereitung
Inhaltsbestimmung als Auswahl des Unterrichtsthemas, Operationalisierung als Formulierung des operationalisierten Inhalts, Bestandsaufnahme als Feststellung der Lernvoraussetzungen. Eine vollständige und in sich abgeschlossene Unterrichtseinheit umfasst drei Unterrichtsabschnitte mit je drei Phasen:
Unterrichtsabschnitt A: Inhaltsentfaltung
Phase 1: | Darbietung des Inhaltes mit Interessenweckung für den Inhalt und globaler Darbietung des Inhaltes |
Phase 2: | Klärung der inhaltlichen Bestandteile mit Interessenweckung für die inhaltlichen Bestandteile und deren Demonstration |
Phase 3: | Erläuterung des inhaltlichen Funktionszusammenhangs, auch wieder mit motivierenden und erarbeitenden Maßnahmen. |
Unterrichtsabschnitt B: Inhaltsverarbeitung
Phase 4: | Reflexion über Möglichkeiten der Anwendung des Inhalts mit Interessenweckung für und Aufzeigung von Anwendungsmöglichkeiten |
Phase 5: | Anwendung im Sinne der Reflexion mit Interessenweckung und Realisierung |
Phase 6: | kritische Stellungnahme zur Anwendung mit Interessenweckung und Artikulation der Stellungnahme |
Unterrichtsabschnitt C: Ergebniskontrolle und Weiterführung
Phase 7: | Empirische Überprüfung der Lernergebnisse mit Interessenweckung und Durchführung |
Phase 8: | Mitteilung der Kontrollergebnisse mit Interessenweckung für die Wissenskorrektur und Erörterung der Lernergebnisse |
Phase 9: | Ausblick auf neue Inhalte mit Interessenweckung für weiterführendes Lernen und Herausstellung neuerAspekte. |
Dieses Grundmodell wird im Weiteren erläutert und bespielhaft belegt. Dabei werden bekannte didaktisch-methodische Einzelprobleme dem allgemeinen Diskussionsstand entsprechend behandelt: das Problem der Lernzielformulierung, Motivationsfragen, Methoden- und Medienfragen. Mit einem Beispiel endet die Publikation.
4.1.4 Strukturalistische Didaktik (Lenzen)
Einige Grundannahmen: Strukturalismus
Strukturalistische Didaktik
Strukturalismus
Oberflächenphänomene
Das Wort „Struktur“ bedeutet ursprünglich so viel wie „Struktur von etwas“ im Sinne „die Art“, wie etwas gebaut ist, die Relation der Elemente eines Ganzen zueinander. Es ist gut, System von Struktur zu unterscheiden: System ist der Name für ein Ganzes, das aus Elementen besteht, die einen Zusammenhang bilden. Die Art, wie diese Elemente im Rahmen des gegebenen Systems miteinander verbunden sind, nennt man Struktur (Schaff 1974). In der Strukturalismus-Diskussion wird von der Annahme zweier morphologisch verwandter Strukturen ausgegangen: von einer sog. Oberflächenstruktur der sozialen Systeme (z.B. des literarischen Kunstwerks, der Familie, der gesprochenen Sprache) und von einer sog. Tiefenstruktur der Subjekte, des menschlichen Geistes, die/der Oberflächenphänomene geschaffen haben und von ihr beeinflusst werden. Piaget hat eine Ausweitung des Strukturbegriffs auf eine morphologische Analogie zwischen Geist und Realität überhaupt vorgenommen. Dies hat bei ihm gattungsgeschichtliche Gründe: Die Genese der Bewusstseinsstrukturen beim Individuum versteht er als einen Prozess der Komplexitätsreduktion realer Strukturen auf weniger komplexe geistige. Neben der Unterscheidung zweier Strukturen, einer Oberflächenstruktur der Realität und einer dem Subjekt unterlegten Tiefenstruktur, ist ein beide Strukturen verbindendes Element wichtig:
Tiefenstrukturen
ein Transformationsprozess von Tiefenstrukturen in Oberflächenstrukturen und umgekehrt. Die Aufgabe der strukturalen Methode ist, die beiden Strukturen näher zu untersuchen, ebenso wie den sie verbindenden Transformationsprozess (Lenzen 1973).
Der Übergang zur Didaktik
Wenn unter Tiefenstruktur die kognitive Organisation des Menschen und unter Oberflächenstrukturen die natürlichen und sozialen Gegebenheiten seiner Umwelt, gleichgültig, ob von ihm selbst hervorgebracht oder nicht, verstanden werden, gibt es zwei Transformationsprozesse: Handeln als Bewältigung von Realität und Lernen als Verwandlung von Oberflächenstrukturen in Tiefenstrukturen (Lenzen, 1976).
Didaktische Transformationsregeln
Unterricht ist eine (fremde) Tätigkeit, die die Transformationsprozesse des Individuums optimiert. Diese selbst sind immer Aktivitäten des Subjekts. Didaktik befasst sich mit der Optimierung und Legitimation der intendierten Transformationsprozesse und ist insofern eine strukturalistische Tätigkeit. Eine strukturale didaktische Theorie könnte als Theorie didaktischer Transformationsregeln entfaltet werden. Die entscheidenden Materialien für die gegenwärtige Diskussionslage strukturalistischer Didaktik sind nach Lenzen folgende:
Jean Piagets genetisch-strukturale Psychologie liefert die entscheidenden Informationen über die Entstehung von Tiefenstrukturen beim Individuum (Piaget, 1973; Piaget/Inhelder, 1973). Ein älterer Versuch, für die didaktische Transformation von Oberflächenstrukturen ein Selektionskriterium zu formulieren, ist das Prinzip des Exemplarischen (W. Flitner, Wagenschein).
Ein neuer Versuch ist die didaktische Transformation mit Hilfe der Projektion von Oberflächenstruktur, nämlich der Disziplin, auf den Unterricht (Bruner).
Elemente der Oberflächenstrukturen
Die didaktische Transformation auch tatsächlich als eine Strukturtransformation und nicht bloß als Selektion oder Projektion zu erfassen, demzufolge auch ein komplexes Regelsystem didaktischer Transformation zu entwickeln, sieht Lenzen in der Entwicklung der münsterschen Strukturgitter für die verschiedenen Gegenstandsbereiche. Der Gedankengang der Entwicklung einer strukturalen Didaktik sei kurz skizziert: Didaktische Transformationen sind Umwandlungen von Oberflächenstrukturen in Tiefenstrukturen und umgekehrt. Psychologisch ist der Vollzug von Transformationen an den Besitz operativer Kompetenz gebunden (operative Intelligenz nach Piaget). Didaktische Transformationen finden unter dem Sinn einer (fremd) antizipierten Schüler-Kognition statt. Zwei Auffassungen von Unterricht können zugrunde liegen: die ahistorische, nach der eine Lehreraktivität die Transformation der kognitiven Schülerstrukturen steuert; die genetischstrukturale, nach der die Kognition des Schülers selbst ein Instrument der Steuerung ist. Da der Lerner noch nicht für alle Transformationen kompetent ist, müssen diese auch stellvertretend vollzogen werden. Dafür ist eine Verknüpfungstafel notwendig. Das didaktische Strukturgitter ist eine solche. Sie enthält Elemente der Oberflächenstruktur und Elemente der kognitiven Struktur der Lerner. Die Elemente der Oberflächenstruktur heißen Arbeit, Sprache, Herrschaft. In Termini des Handelns sind das: instrumentales Handeln, zweckrationales Handeln, Institutionalisierung, Operation, Sprache, Kommunikation, strategisches Handeln, symbolisch vermitteltes Handeln, Interaktion. Die Elemente der Tiefenstruktur heißen gattungsgeschichtlich: technisches, praktisches und emanzipatorisches Erkenntnisinteresse. Individualgeschichtlich entsprechen ihnen die operative, die moralische und die kommunikative Kompetenz. Das didaktische Strukturgitter nimmt Funktionen auf den Ebenen der Curriculumplanung, der Unterrichtsplanung, des Unterrichtsvollzugs und der Unterrichtsforschung wahr.
Elemente der Tiefenstruktur
Die Dimensionen der Oberflächenstruktur und der Tiefenstruktur...