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Frühkindliche Bildung und Medienkonsum: Über den Einfluss des Fernsehens auf die Kindheit

AutorChristian Honeck
VerlagDiplomica Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl105 Seiten
ISBN9783842835375
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Die Kontroverse um den Einfluss des Fernsehens und der 'neuen' Medien auf Kinder ist allgegenwärtig. In regelmäßigen Abständen, häufig in Folge von Gewaltausbrüchen von Kindern und Jugendlichen, welche in der Öffentlichkeit meist unweigerlich mit einem medialen Einfluss in Verbindung gebracht werden, wird heftig über das Für und Wider des Medienkonsums debattiert. Die Diskussion, in welcher alle beteiligten Parteien meist recht monokausal argumentieren, zirkuliert immer um die gleichen Grundfragen: Ist Fernsehen schädlich? Führt es zu einer Überreizung und seelischen Abstumpfung? Macht Fernsehen gewalttätig oder gar dumm? Die vorliegende Studie versucht einige Antworten auf die genannten Fragen zu finden. Hierbei wird ein dezidiert allgemeinpädagogischer Anspruch verfolgt. Das Feld der Psychologie und Erkenntnisse der (Medien-) Wirkungsforschung werden, so weit möglich, gemieden. Vielmehr soll die Frage nach dem Einfluss des (Kinder-) Fernsehens auf frühkindliche Bildungsprozesse auf einer breiten, allgemeinen Basis verschiedener Theorien und Beispielen aus der Praxis erörtert werden.

Christian Honeck, M.A., wurde 1978 in Waldshut-Tiengen geboren. Sein Studium der Pädagogik, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft sowie Germanistik an der Universität zu Köln schloss er 2011 mit Erreichen des Grades Magister Artium erfolgreich ab. Schon während des Studiums sammelte der Autor zahlreiche praktische Erfahrungen in der Fernsehbranche - hierbei lag der Schwerpunkt seiner Tätigkeiten als Autor und freischaffender Redakteur stets im Bereich des Kinderfernsehens. Inzwischen arbeitet Christian Honeck als Fernsehredakteur und Producer in München.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 3.1.2, Wesenszüge einer zur Industrie gewordenen Kultur und das Fernsehen als Repräsentant derselben: Bevor auf das Fernsehen als Repräsentant der Kulturindustrie im Speziellen eingegangen wird, sollen zunächst in aller Kürze einige der Prinzipien dargestellt werden, welche Kultur als Industrie, ihre Produkte und ihre Konsumenten charakterisieren. Der von Adorno und Horkheimer geprägte Begriff der Kulturindustrie beschreibt die Entstehung und die Verbreitung einer Massenkultur, welche sich im Zuge aufklärerischer Tendenzen aus einem vormals nur Wenigen vorbehaltenen Bereich von Kunst und Kultur entwickelt hat. Das Prekäre an dieser Entwicklung ist, dass sie, geleitet von ökonomischen Interessen, industrielle Formen annimmt und entsprechend ihre 'Produkte' möglichst weit zu verbreiten und gut zu verkaufen sucht. Das vormals schwer zu erschließende, nicht leicht zugängliche und oft auch unbequeme, weil zur selbständigen Reflexion auffordernde Moment von Kunst, weicht einer massentauglichen, sinnentleerten, aber gut verkäuflichen Serienproduktion von Kulturgütern. Hierdurch wird das Wesen von Kunst und Kultur, das - analog zu Bildung - in ihrer prinzipiellen Zweckfreiheit zu sehen ist, verändert. Kultur als Massenkultur wird zum Geschäft, ihr Zweck besteht in Gewinnerzielung und -maximierung für die Produzenten, welche sie industriell und standardisiert herstellen. Diese Ökonomisierung der Kultur wird dabei mit unverhohlener Offenheit vorangetrieben, das Geschäft wird zur Ideologie: Lichtspiele und Rundfunk brauchen sich nicht mehr als Kunst auszugeben. Die Wahrheit, daß sie nichts sind als Geschäft, verwenden sie als Ideologie, die den Schund legitimieren soll, den sie vorsätzlich herstellen. Sie nennen sich selbst Industrien, und die publizierten Einkommensziffern ihrer Generaldirektoren schlagen den Zweifel an der gesellschaftlichen Notwendigkeit der Fertigprodukte nieder (Adorno / Horkheimer 1947, S. 129). Adorno und Horkheimer nehmen auch Bezug auf das oben bereits angesprochene Moment der medialen Filterung von Welt durch die Kulturindustrie, welche in das Bewusstsein des Individuums eingreift und die Illusion schafft, die Welt sei die bruchlose Verlängerung der medial dargestellten Realität, 'derer, die man im Lichtspiel kennenlernt' (Ebd., S. 134). Diese Illusion wird gefestigt durch den Charakter des Produktes, welcher in weiterer Konsequenz zur Verkümmerung von Vorstellungskraft und Spontaneität seiner Konsumenten führe und der Phantasie und den Gedanken der Zuschauer, nicht zuletzt durch die lichtgeschwinde Präsentation der Inhalte, keine Dimension mehr übriglässt (Vgl. ebd.): Die Produkte selber, [...] lähmen ihrer objektiven Beschaffenheit nach jene Fähigkeiten. Sie sind so angelegt, daß ihre adäquate Auffassung zwar Promptheit, Beobachtungsgabe, Versiertheit erheischt, daß sie aber die denkende Aktivität des Betrachters geradezu verbieten, wenn er nicht die vorbeihuschenden Fakten versäumen will. Die Anspannung freilich ist so eingeschliffen, daß sie im Einzelfall gar nicht erst aktualisiert zu werden braucht und doch die Einbildungskraft verdrängt (Ebd., S. 134f). Ihr Bestehen indes sichert sich die zur Industrie gewordene Kultur einmal durch die Hervorrufung von Bedürfnissen, welche sie zugleich zu befriedigen scheint, wobei sie dabei eben jene Bedürfnisse wiederum immer wieder aufs Neue erzeugt (Vgl. ebd., S. 145 und S. 150). Des Weiteren wird versucht, den (ökonomischen) Erfolg durch Ausschluss von potenziellen Risiken zu sichern, was in weiterer Konsequenz zu einem System der Wiederholung führt: Immergleichheit regelt auch das Verhältnis zum Vergangenen. Das Neue der massenkulturellen Phase gegenüber der spätliberalen ist der Ausschluß des Neuen. Die Maschine rotiert auf der gleichen Stelle. Während sie schon den Konsum bestimmt, scheidet sie das Unerprobte als Risiko aus. [...] Zusätze zum erprobten Kulturinventar sind zu spekulativ (Ebd., S. 142). Der Vorgang der Vorauswahl und des Ausschlusses stellt eine nicht unbeträchtliche Einschränkung der Freiheit des Individuums dar, da durch das Filtern nach ökonomischen Grundsätzen auch die Möglichkeiten Erfahrung zu sammeln, bestimmt werden. 'Es ist, als hätte eine allgegenwärtige Instanz das Material gesichtet und den maßgebenden Katalog der kulturellen Güter aufgestellt, der die lieferbaren Serien bündig aufführt' (Ebd., S. 143). Der Hauptinhalt, den diese industriell produzierten kulturellen Güter indes transportieren, ist Amusement, die leichte Unterhaltung und Zerstreuung, wobei peinlich genau darauf geachtet wird, keinerlei geistige Anstrengung im Individuum zu verursachen, so Adorno und Horkheimer (Vgl. ebd., S. 152). Die geistige Lähmung als Konsequenz des Amüsierbetriebes wird nicht zuletzt auch durch die ständige Wiederholung der erprobten und bereits bekannten Inhalte befördert. Ein weiterer Aspekt, der aus dem oben Genannten abgeleitet werden kann, ist 'die Abschaffung des Individuums' (Ebd., S. 163) durch die Kulturindustrie. Individualität widerspricht dem Prinzip der Kulturindustrie und ihrer konfektionierten Waren, weshalb sie durch selbige nicht geduldet werden kann. So verkommt sie zur Illusion: In der Kulturindustrie ist das Individuum illusionär nicht bloß wegen der Standardisierung ihrer Produktionsweise. Es wird nur so weit geduldet, wie seine rückhaltlose Identität mit dem Allgemeinen außer Frage steht. Von der genormten Improvisation im Jazz bis zur originellen Filmpersönlichkeit [...] herrscht Pseudoindividualität. Das Individuelle reduziert sich auf die Fähigkeit des Allgemeinen, das Zufällige so ohne Rest zu stempeln, daß es als dasselbe festgehalten werden kann (Ebd.). Was nach Ansicht Adornos und Horkheimers bleibt, ist eine konfektionierte Gesellschaft, welche sich an den Maßstäben der kulturindustriellen Produkte zu orientieren hat und nach der sich, vice versa, das Angebot eben jener Industrie ausrichtet. Im Zuge dieser Konfektionierung sprechen Adorno und Horkheimer von einer 'Heroisierung der Durchschnittlichen' (Ebd., S.165). Wer nicht dem Durchschnitt entspricht, oder sich gar den Mechanismen der Kulturindustrie widersetzt, wird zum Ausgeschlossenen. Die Freiheit selbst verkommt so zur Illusion, denn 'die Freiheit in der Wahl der Ideologie, die stets den wirtschaftlichen Zwang zurückstrahlt, erweist sich in allen Sparten als die Freiheit zum Immergleichen' (Ebd., S. 176). In dem oben knapp umrissenen, durch ökonomische Interessen geleiteten System der Kulturindustrie kann das Fernsehen als einer der wirkungsvollsten Repräsentanten betrachtet werden, wie Adorno in seinen beiden Essays Prolog zum Fernsehen und Fernsehen als Ideologie aufzeigt. Er betrachtet das Medium Fernsehen als in das umfassende Schema der Kulturindustrie fallend, das 'deren Tendenz, das Bewußtsein des Publikums von allen Seiten zu umstellen und einzufangen, als Verbindung von Film und Radio' (Adorno 1969, S. 507) weitertreibt. Hierbei kommt dem Fernsehen eine ganz besondere Funktion zu, da es 'den Konsumenten das Produkt ins Haus bringt' (Ebd., S. 508) und somit 'die Lücke, welche der Privatexistenz vor der Kulturindustrie noch geblieben war, solange diese die Dimension des Sichtbaren nicht allgegenwärtig beherrschte, [...] verstopft' (Ebd., S. 507). Das Fernsehen kann somit als vorläufiger Höhepunkt der kulturindustriellen Tendenzen betrachtet werden, da durch sein Aufkommen nun auch der Raum des Privaten von deren Mechanismen eingenommen und durchsetzt werden konnte. Diese Einnahme des Privaten, durch welche kulturindustrielle Produkte jederzeit verfügbar und konsumierbar gemacht werden, eröffnet weitere Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Konsumenten. Denn, durch das Fernsehen, welches eine Annäherung an das Ziel, 'die gesamte sinnliche Welt in einem alle Organe erreichenden Abbild noch einmal zu haben' (Ebd.), ermöglicht, lässt sich in jenes 'Duplikat der Welt unauffällig [einschmuggeln], was immer man für der realen zuträglich hält' (Ebd.), so Adorno. Die Bildersprache schließlich, durch welche das Fernsehen seine Botschaften transportiert, betrachtet Adorno als regressiv, da diese primitiver als die der Worte sei und somit zur Rückbildung der Menschen beitrage (Vgl. ebd., S. 512). So treibt das Fernsehen, Adornos Ansicht nach, nicht zuletzt auch eine Tendenz zum Verlust der Sprache voran: Der Sprache aber werden die Menschen durchs Fernsehen noch mehr entwöhnt, als sie es auf der ganzen Erde heute schon sind. Wohl reden die Schatten auf dem Fernsehschirm, aber ihre Rede ist womöglich noch mehr Rückübersetzung als die im Film, bloßes Anhängsel an die Bilder, nicht Ausdruck einer Intention, eines Geistigen, sondern Verdeutlichung der Gesten, Kommentar der Weisungen die vom Bild ausgehen (Ebd.). Auf mehrerlei Weise zeigt sich so eine problematische Stellung des Fernsehens, wenn es hinsichtlich einer möglichen bildenden Wirkung betrachtet wird. Einmal - dieser Aspekt wurde weiter oben mit Platon schon angedeutet - handelt es sich bei den Repräsentationen und Bildern, welche durch das Medium Gestalt annehmen, immer um auf die eine oder andere Weise ideologisch aufgeladenes und vorinterpretiertes Material. Dieses wird im Falle der von Adorno und Horkheimer entfalteten Theorie, durch industrielle Mechanismen gesteuert und kann somit nicht als frei und neutral betrachtet werden, sondern wird vielmehr durch ökonomische Vorgaben bestimmt. Diese Beschränkung widerspricht dem Grundgedanken der klassischen Bildungstheorie von Freiheit und Individualität, da es sich bei der Freiheit, welche die Kulturindustrie vorgaukelt, wie oben bereits erwähnt, um eine Freiheit zum Immergleichen handelt, die also als illusorisch betrachtet werden kann, da die Produkte der Kulturindustrie schlussendlich doch immer dieselben bleiben. Damit einher geht ein Zustand der Pseudoindividualität, die wiederum auf die Illusion der Freiheit zurückzuführen ist. Bezogen auf frühkindliche Bildungsprozesse kann man auch hier von einer Einschränkung durch das Fernsehen sprechen. Die Möglichkeiten des Kindes, auf individuelle und freie Weise Erfahrungen zu sammeln, werden, legt man die Thesen Adornos und Horkheimers zugrunde, durch das Medium nicht bereichert, sondern vielmehr eher verkürzt und reduziert auf (Welt-) Bilder, die, versteckt oder ganz offensichtlich, eine Ideologie der Ökonomie transportieren. Als weiterer problematischer Aspekt kann der Verlust der Sprache, welcher durch die Bilder - die ihre eigene Sprache sprechen - vorangetrieben wird, betrachtet werden. Durch die Reduktion der Sprache auf eine Begleiterscheinung, die lediglich zur Stärkung der durch die Bilder ohnehin erzeugten Wirkungen dient, wird deren bildende Kraft erheblich geschwächt, wenn nicht gar negiert, wie mit Adorno gezeigt wurde. Auch dieser Aspekt spielt eine nicht unerhebliche Rolle für frühkindliche Bildungsprozesse, steht das Kind doch auch vor der Aufgabe, sprachliche Begriffe für die es umgebende Welt zu entwickeln, sowie sich Möglichkeiten zu erschließen, mit der sozialen Umwelt verbal in Kontakt zu treten. Die fast vollständige Einnahme von vormals durch (geschriebene) Worte beherrschten Diskursen durch das Fernsehen und die Reduktion der Welt auf unterhaltsame Bilder in rascher Abfolge, wirkt sich nicht zuletzt auch auf die Urteilskraft und -bildung des Menschen aus. Dies soll im folgenden Kapitel einer eingehenden Betrachtung unterzogen werden.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung5
2 Frühe Kindheit und Bildung7
2.1 Vorüberlegungen zum Begriff der Bildung7
2.2 Frühkindliche Bildung9
2.3 Zusammenfassung: Versuch einer Bestimmung des Begriffes frühkindlicher
20
3 Frühe Kindheit, Medien und Bildung22
3.1 Medien und Bildung22
3.2 Fernsehen als Unterstützung frühkindlicher Bildungsprozesse37
3.3 Zusammenfassung: Möglichkeiten und Grenzen der medialen Einflussnahme auf
46
4 Frühe Kindheit und Medien in der Praxis49
4.1 Die Geschichte des Kinderfernsehens in Deutschland: Ein (kritischer) Überblick50
4.2 „Die Sendung mit dem Elefanten“: Rückbesinnung auf die pädagogische Phase
53
4.3 Das Forschungsprojekt „Frühe Kindheit, Medien und Bildung“57
5 Fazit: Über den Einfluss des Kinderfernsehens auf frühkindliche Bildungsprozesse63
6 Literaturverzeichnis66
7 Anhang69
7.1 Sequenzprotokoll „Sendung mit dem Elefanten“, Folge 111 mit Elternticker69
7.2 Briefing des Forschungsprojekts „Frühe Kindheit, Medien und Bildung“72
7.3 Transkript des Leitfadeninterviews74

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