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E-Book

Positive Psychologie

Ein Handbuch für die Praxis

AutorDaniela Blickhan
VerlagJunfermann
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl368 Seiten
ISBN9783955713638
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis44,99 EUR
Umfassender Überblick über Themen, Konzepte und Interventionen der Positiven Psychologie Der neue wissenschaftliche Ansatz der Positiven Psychologie untersucht Faktoren eines erfüllten und gelingenden Lebens. Er erforscht, wie Menschen ihre Stärken entwickeln und sich selbst, ihr Umfeld und die Gesellschaft als Ganzes voranbringen können. Zentrale Fragen lauten: • Warum ist Glück mehr als die Abwesenheit von Unglück? • Wie lässt sich Zufriedenheit definieren, messen und fördern? • Wie kann man positive Gefühle nutzen, um auch mit widrigen Lebensumständen gut umzugehen? • Was macht nachhaltig leistungsfähig? Die Interventionen der Positiven Psychologie zielen darauf ab, positive Emotionen, Lebenszufriedenheit und Leistungsfähigkeit zu fördern. Daniela Blickhan gibt einen umfassenden Überblick über Themen, Konzepte und Interventionen der Positiven Psychologie und ihre Anwendung in Coaching und Persönlichkeitsentwicklung.

Daniela Blickhan, Dipl.-Psych. und Mutter von zwei mittlerweile erwachsenen Kindern, leitet zusammen mit ihrem Mann Claus Blickhan das INNTAL INSTITUT. Sie bietet dort Ausbildungen in NLP, Positiver Psychologie und Systemischem Coaching an und arbeitet als Psychologin in eigener Praxis.

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Leseprobe

2. Wohlbefinden und Flourishing


2.1 Was ist Glück?


„Glück ist die Bedeutung und der Sinn des Lebens, das Ziel der menschlichen Existenz.“

Aristoteles

Zur systematischen Erforschung menschlichen Wohlbefindens in der Psychologie hat Ed Diener, amerikanischer Psychologieprofessor, entscheidend beigetragen. Bereits in den 1980er-Jahren beschäftigte er sich umfassend mit der Frage, was menschliches Glück14 sei, und definierte subjektives Wohlbefinden als die Verbindung von positiven im Verhältnis zu negativen Gefühlen und persönlicher Lebenszufriedenheit. Subjektives Wohlbefinden (SWB) lässt sich entweder global oder lebensbereichs-spezifisch einschätzen. Diener unterscheidet die Lebensbereiche Selbst, Familie / Beziehungen, Arbeit, Gesundheit und Freizeit.

Die emotionale Komponente des subjektiven Wohlbefindens setzt sich aus dem Verhältnis von positiven und negativen Gefühlen zusammen. Überwiegen die positiven Gefühle, so erlebt ein Mensch subjektives Wohlbefinden. Positive Emotionen allein genügen jedoch nicht, um das komplexe Konstrukt des Wohlbefindens zu beschreiben; die kognitive Komponente der Lebenszufriedenheit gehört ebenfalls dazu. Sie beinhaltet den Grad der Zufriedenheit mit den eigenen Lebensbedingungen.

Emotionales / affektives
subjek
tives Wohlbefinden
Kognitives subjektives
Wohlbefinden

Anwesenheit positiver Emotionen
Abwesenheit negativer Emotionen

Lebenszufriedenheit

Dieners Forschung zeigte immer wieder, dass subjektives Wohlbefinden über die Zeit hinweg relativ stabil bleibt und auch mit Persönlichkeitsfaktoren zusammenhängt. Personen, die sich eher als extravertiert und optimistisch einschätzen und stabile soziale Beziehungen haben, erleben höheres Wohlbefinden. Äußere günstige Umstände beeinflussen das Glückserleben dagegen weniger stark als zum Beispiel das Erreichen persönlich wichtiger Ziele. Und schließlich tragen kulturelle Einflüsse zum subjektiven Wohlbefinden bei; „Glücklich-Sein“ wird in den USA anders definiert als in Japan oder in den Slums der dritten Welt. Diese Erkenntnisse wurden bereits vor der Jahrtausendwende veröffentlicht (vgl. etwa Diener, Suh, Lucas, & Smith 1999), und so konnte sich die Positive Psychologie in ihrer weiteren Forschung darauf stützen, zum Beispiel bei der Frage, wie sich Glück auf Gesundheit oder Einkommen auswirkt.

Wenn subjektives Wohlbefinden wie beschrieben aus positiven vs. negativen Emotionen und Lebenszufriedenheit besteht, würde folglich das persönliche Glücksniveau steigen, wenn mehr positive Gefühle und / oder eine größere Zufriedenheit mit dem eigenen Leben erlebt werden. Hier setzen die Interventionen der Positiven Psychologie an.

Unterschiede im subjektiven Wohlbefinden lassen sich nicht nur bei Individuen nachweisen, sondern auch bei Nationen. Felicia Huppert und Timothy So von der Universität Cambridge werteten Ergebnisse einer großen europäischen Umfrage aus, in der jeweils 2000 Erwachsene aus 23 EU-Ländern befragt wurden (Huppert & So 2013). Danach zeigten sich die Dänen als glücklichstes Volk, gefolgt von der Schweiz, Österreich und den anderen skandinavischen Ländern, während Russland, Portugal und die anderen osteuropäischen Länder die Schlusslichter in dieser Rangreihe darstellen. Deutschland liegt genau im Mittelfeld. Für das Glück von Nationen spielt eine Rolle, wie wohlhabend, stabil und demokratisch die Gesellschaft ist. Außerdem scheint relevant, wie die Gesellschaft das Streben nach positiven bzw. die Vermeidung negativer Erfahrungen bewertet (Seligman 2012).

Große Armut macht Menschen unglücklicher – doch großer Reichtum macht sie nicht glücklicher. US-Bürger, deren Lebensstandard heute im Durchschnitt deutlich höher ist als vor 100 Jahren, sind im Vergleich jetzt sogar unglücklicher als früher (Diener & Biswas-Diener 2011). Und ein Land auf der Welt hat die Vermehrung des Glücks zum Staatsziel erklärt: Der König von Bhutan hatte bereits 1972 den Begriff Gross National Happiness („Brutto-National-Glück“) als Ziel für sein Land eingeführt; mehr als 20 Jahre bevor Martin Seligman die Positive Psychologie formal als Forschungsfeld begründete. Ziel des Königs von Bhutan war seinerzeit, sein Land in eine positive wirtschaftliche Entwicklung zu führen, die sich im Einklang mit den spezifischen religiösen und kulturellen Werten vollziehen und nicht nur westlichen Wohlstandsidealen nacheifern sollte. Dies führte dazu, dass der Tourismus in Bhutan anders entwickelt wurde als in vergleichbaren Ländern; ausländische Reisende mussten beispielsweise dafür bezahlen, um in Bhutan herumreisen zu können, und diese Einnahmen wurden in Bildung und Straßenbau investiert. Bis heute gilt Bhutan als Land, in dem das Glück der Bürger eine wichtige Rolle spielt.

2.2 Was bringt Glück?


Sonja Lyubomirsky ist neben Martin Seligman und Barbara Fredrickson sicher eine der meistgelesenen Autorinnen im Feld der Positiven Psychologie, gerade auch, wenn es um populärwissenschaftliche Veröffentlichungen geht. In ihrem Buch Glück­lich sein – The How of Happiness (Lyubomirsky 2008a) zeigt sie zahlreiche wissenschaftlich fundierte und alltagstaugliche Wege auf, um das eigene Wohlbefinden zu erhöhen. Eines ihrer Forschungsergebnisse, das sogenannte „Tortendiagramm“ wird jedoch häufig falsch zitiert. Lyubomirsky konnte mit einer großen Metastudie differenzieren, wie das persönliche Glücksempfinden von verschiedenen Faktoren abhängt, nämlich von äußeren Lebensumständen, anlagebedingten Voraussetzungen und aktivem Handeln (Sin & Lyubomirsky 2009). Das Verhältnis dieser Faktoren wird meist in einem einfachen Tortendiagramm dargestellt.

Abbildung 1: Entscheidende Faktoren für Glück
(Quelle: Sonja Lyubomirsky, University of California, Riverside)

Die äußeren Lebensumstände (wie zum Beispiel materieller Wohlstand oder die derzeitige Wohnsituation) tragen demnach nur etwa 10 Prozent zum persönlichen Wohlbefinden bei, anlagebedingte Voraussetzungen (wie zum Beispiel die Gene) 50 Prozent und das aktive persönliche Verhalten weitere 40 Prozent. Dieses Modell scheint einleuchtend und plausibel, und das ist sicher auch der Grund, warum es häufig zitiert wird. Leider wird dabei in der Regel eine zentrale Tatsache übersehen: Das Tortendiagramm zeigt nämlich nicht prozentuale Anteile der drei Faktoren in Bezug auf das Glückserleben einer einzelnen Person, sondern es beschreibt vielmehr, worauf die Unterschiede im Glücksempfinden zwischen Personen zurückzuführen sind. Es würde auch relativ wenig Sinn machen, wenn man das Modell individuell auf eine einzelne Person anwendet, denn welchen Nutzen hätte die Aussage, dass ihr persönliches Wohlbefinden zu 40 Prozent an ihren genetischen Voraussetzungen hängt? Was könnte die Person damit anfangen?

Die Prozentangaben im Tortendiagramm beziehen sich auf statistische Varianzen, das heißt, auf Unterschiede im Glücksniveau zwischen vielen verschiedenen Personen. Betrachtet man diese Unterschiede zwischen vielen Personen, dann lassen sich diese, grob gesagt, zu 50 Prozent auf genetische Veranlagung zurückführen, zu 10 Prozent auf äußere Umstände15 und eben zu weiteren 40 Prozent auf individuelles, selbstgesteuertes Verhalten. Ein Coach könnte das Tortendiagramm also nutzen, um seine Klienten zu überzeugen, dass sie durchaus aktiv etwas zu ihrem persönlichen Wohlbefinden beitragen können, denn im Durchschnitt lassen sich 40 Prozent der Unterschiede im Glücksempfinden innerhalb einer Gruppe auf aktives Handeln zurückführen. Dies jedoch für eine Person individuell zu beziffern („Wenn Sie diese Intervention durchführen, werden Sie um 40 Prozent glücklicher sein“) wäre sachlich falsch.

„Glücklich zu sein“ heißt weit mehr, als nur „sich gut zu fühlen“. Glück macht nicht nur subjektiv zufrieden, sondern hat weitreichende Auswirkungen16. Glückliche Menschen sind sozial kompetenter, kooperativer, beliebter, großzügiger, flexibler, kreativer und attraktiver für andere. Sie können besser führen und verhandeln, haben stabilere Beziehungen, größere soziale Netzwerke, mehr Erfolg im Beruf und bessere Strategien, um mit Rückschlägen umzugehen. Und es zeigt sich auch ein positiver Effekt auf Gesundheit und Lebensdauer: Ihr Immunsystem ist stärker, damit werden sie seltener krank bzw. schneller wieder gesund.

Übersetzt man das nun in Denk- und Verhaltensmuster, so ergibt sich folgendes Spektrum:

  • Glückliche Menschen pflegen und genießen Beziehungen zu Familienmitgliedern und Freunden.
  • Sie drücken ihre Dankbarkeit aktiv aus.
  • Sie bieten anderen Hilfe an, z. B. Kollegen oder Passanten.
  • Sie blicken optimistisch in ihre Zukunft.
  • Sie genießen ihr...
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Inhalt6
Geleitwort von Prof. Michael Eid10
Vorwort zur 2., überarbeiteten Auflage12
1. Psychologie und Positive Psychologie16
1.1 Psychologie als Wissenschaft16
1.2 Positive Psychologie22
2. Wohlbefinden und Flourishing30
2.1 Was ist Glück? Subjektives Wohlbefinden30
2.2 Wohlfühlglück und Werteglück33
2.3 Psychologisches bzw. psychisches Wohlbefinden36
2.4 Salutogenese40
2.5 Was bringt Glück?43
2.6 Flourishing47
2.7 Resilienz62
3. Positive Emotionen70
3.1 Positive Emotionen70
3.2 Die Wirkung positiver Emotionen76
3.3 Übungen zu positiven Emotionen79
3.4 Die Positivity Ratio81
3.5 Bewusst genießen85
3.6 Klassiker positiver Interventionen92
3.7 Emotionale Intelligenz99
4. Persönliche Stärken102
4.1 Was sind Stärken?102
4.2 Charakterstärken105
4.3 Struktur der Klassifikation121
4.4 Signaturstärken126
4.5 Talente und Stärken in anderen Konzepten129
4.6 Der VIA-Test132
4.7 Stärken im richtigen Maß140
4.8 Stärken einsetzen: Übungen142
6. Flow und Achtsamkeit172
6.1 Flow172
6.2 Aspekte des Flow-Erlebens179
6.3 Wirkungen von Flow182
6.4 Die Flow-Persönlichkeit186
6.5 Achtsamkeit188
6.6 Exkurs: Unterbrechungen198
7. Ziele200
7.1 Welche Ziele langfristig glücklich machen200
7.2 Annäherungsziele und Vermeidungsziele204
7.3 Intrinsische und extrinsische Ziele207
7.4 Everest-Ziele211
7.5 Hoffnung und Zuversicht213
7.6 Positive Zukunftsvorstellung: „Best Possible Selves“219
8. Positive Einstellung222
8.1 Attribution: Persönliche Erklärungsmuster222
8.2 Erlernte Hilflosigkeit229
8.3 Selbstwirksamkeit231
8.4 Optimismus234
8.5 Mindset: Statisches und dynamisches Selbstbild238
8.6 Anwendung in Schule und Erziehung: Der Ansatz der Re-Attribution242
9. Selbstwert und Selbstmitgefühl248
9.1 Selbstwert248
9.2 Selbstmitgefühl260
10. Positive Kommunikation270
10.1 Freundlichkeit270
10.2 Positive Resonanz271
10.3 Aktives Zuhören272
10.4 Aktive konstruktive Kommunikation274
10.5 Feedback278
10.6 Gelingende Beziehungen285
11. Psychosomatik: Positive Psychologie und der Körper290
11.1 Körperliche Aktivität und Wohlbefinden290
11.2 Cortisol: mehr als ein Stresshormon296
12. Lebensqualität und Sinn300
12.1 Was ist Lebensqualität?300
12.2 Was ist „Sinn“?307
12.3 Wie wir Sinn finden können310
12.4 Sinn in der Logotherapie315
12.5 Sinn als ideales Leben317
12.6 Sinn in der Arbeit: Job, Karriere oder Berufung?320
13. Interventionen324
13.1 Positiv psychologische Interventionen324
13.2 Positive Psychotherapie332
13.3 Wirkmodelle positiver Interventionen337
13.4 Zusammenfassung: Wirksamkeit positiv psychologischer Interventionen346
14. Positive Psychologie 2.0350
14.1 Was kennzeichnet Positive Psychologie 2.0?350
14.2 Wo steht die Positive Psychologie heute?354
Nachwort: Martin Seligmans Fazit als Forscher360
Dank366
Anhang368
Anregungen, um „Stärken neu einzusetzen“368
Expressives Schreiben über belastende Erfahrungen374
Übersicht über Wirksamkeitsstudien positiv381
Der Deutschsprachige Dachverband für Positive Psychologie DACH-PP e.V.392
Universitäre Ausbildungen in Positiver Psychologie393
Deutschsprachige Buchempfehlungen395
Englische Buchempfehlungen397
Literatur403
Bildnachweis418
Index419
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