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PISA trifft Bourdieu: Ein Blick auf die Chancengleichheit im (österreichischen) Bildungssystem

AutorEva Kirchschläger
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl61 Seiten
ISBN9783956846809
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Hat jedes Kind, ganz gleich welcher sozialen Herkunft, die gleichen Chancen innerhalb des österreichischen Schulsystems? Unter dem theoretischen Blickwinkel der Analysen Pierre Bourdieus für die französische Gesellschaft wird diese Frage anhand von Befunden der PISA-Studie erörtert. Die von Bourdieu festgestellte Chancenungleichheit im französischen Schulsystem führt zu einer kritischen Betrachtung des österreichischen Schulsystems. Angeregt wird die Analyse der PISA-Studie durch zahlreiche Diskussionen rund um die erzielten Ergebnisse und den zu absolvierenden Bildungsweg in Österreich. Das früh differenzierende österreichische Schulsystem wird vorgestellt und analysiert nach Leistungsunterschieden, der Bildung der Eltern, den sozioökonomischen Faktoren und dem etwaigen Migrationshintergrund.

Eva Kirchschläger, B. A., wurde 1981 in Oberösterreich geboren. Ihr Studium der Kulturwissenschaften schloss sie 2012 an der FernUniversität Hagen ab. Interkulturelle Begegnungen und das interdisziplinäre Denken während ihres Studiums haben die Mutter und

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Textprobe: Kapitel 2.4, Reproduktion sozialer Ungleichheit am Beispiel Bildung: 2.4.1, Soziale Schließung: Der Begriff 'soziale Schließung' steht für allgemeine Mechanismen der Reproduktion sozialer Ungleichheit. Die oben skizzierten Klassen in Bourdieus Modell zeichnen sich durch objektive, kulturelle und soziale Unterschiede aus, 'die typische Vorstellungen generieren, was sich in ihren Kreisen geziemt und wie Individualität zum Ausdruck kommen sollte' (Abels 2010:208). Es herrscht innerhalb einer Klasse eine bestimmte Einigkeit darüber, welche Verhaltensweisen und Lebensstile hoch bzw. niedrig bewertet werden. Für Bourdieu stellt die 'Aversion gegen andere unterschiedliche Lebensstile' eine starke Einschränkung innerhalb einer Klasse dar (1987:105-106). Bourdieu spricht auch von einem Klassenzusammenhalt innerhalb einer Klasse und Abgrenzungsmechanismen (Distinktion) gegenüber anderen Klassen (1987:382). Die ungleiche Verteilung von Kapital prägt die Struktur des gesamten Feldes. Das generelle Ungleichgewicht an Kapital bildet die Grundlage für die spezifischen Wirkungen von Kapital, wie etwa die Fähigkeit, Profite anzueignen oder das Durchsetzen von Spielregeln, die dafür sorgen, dass sie für das Kapital und seine Reproduktion so vorteilhaft wie möglich sind (Bourdieu 1997:58). In jeder Klasse bedingen sich ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital. Innerhalb der Klassen führt die Wechselwirkung zu einer Schließung des sozialen Raums. Ausreichendes ökonomisches Kapital erlaubt beispielsweise lange Ausbildungszeiten, die Kinder erwerben dadurch die 'richtige', im (Bildungs-) Feld angemessene ästhetische Einstellung. Das Verfügen über ausreichend soziales Kapital ermöglicht vielseitige geistige Anregungen und Entwicklungsmöglichkeiten und schafft einen uneinholbaren Vorsprung vor jenen, die nicht über ein derartig anregendes Beziehungsnetz verfügen. Die erlebten Kontakte dienen auch als 'Weichensteller', sie leisten Hilfestellung bei Entscheidungen und erleichtern das (berufliche) Weiterkommen. Genügend ökonomisches und soziales Kapital begünstigen wiederum das kulturelle Kapital. Denn es erweitert sich durch den Kontakt zu ähnlichen Personen gleicher Positionen und gleicher Verhaltensformen. Die Einstellungen und das Selbstbewusstsein werden wechselseitig bestärkt und die herrschende Klasse bleibt in sich geschlossen. Diese Schließung führt dazu, dass die herrschende Klasse die Spielregeln beherrscht und stets verfeinert. Durch Distinktion bleiben die Kapitalarten der herrschenden Klasse exklusiv (Abels 2010:215). Sie sind den anderen, vor allem aufstrebenden Klassen immer einen Schritt voraus. Das gilt auch für Strategien im Bildungsbereich. 2.2.4, Klassenspezifischer Zugang zur Bildung: Der Zugang zur Bildung ist habituell gefärbt. Über 'kollektive Wahrheiten' erzielen die Individuen einer sozialen Gruppe stets Konsens. Konkret erfolgt dies durch wechselseitige Beobachtung und Anerkennung ihres Handelns. Innerhalb eines sozialen Raumes, einer Klasse, herrschen bestimmte kollektive Vorstellungen des richtigen Verhaltens. Auf diese bestimmten Vorstellungen, etwa über Bildung und Bildungswege, lassen sich letztlich die einzelnen Individuen ein und verinnerlichen diese (Abels 2010:211). Der Begriff des kulturellen Kapitals dient Bourdieu als Ausgangspunkt, die Ungleichheit der schulischen Leistungen von Kindern aus verschiedenen sozialen Klassen einzuordnen. Die Verteilung des kulturellen Kapitals zwischen den Klassen bezieht er auf den Schulerfolg. Seine Überlegungen bilden einen Bruch zu der Auffassung, dass der schulische Erfolg oder Misserfolg auf die Wirkung natürlicher 'Fähigkeiten' zurückzuführen ist (1997:53). (Die Auffassung, dass Erfolg einzig von Fähigkeiten abhängt, liegt auch Theorien vom 'Humankapital' zu Grunde.) Das kulturelle Kapital ist auf mannigfaltige Weise mit der Person verbunden und wird durch 'soziale Vererbung' weitergegeben (Bourdieu 1997:57). Die verborgenen Mechanismen der Vererbung sind schwerer nachzuvollziehen als etwa bei anderen Kapitalarten. Zeit spielt hierbei eine große Rolle, sie ist das Bindeglied zwischen ökonomischem und kulturellem Kapital. Die Familie verkörpert kulturelles Kapital. Innerhalb der Familien herrschen Unterschiede beim Zeitpunkt des Beginns von 'Übertragungs- und Akkumulationsprozessen'. Ohne Verzögerung und Zeitverlust kann Kulturkapital nur dann erworben werden, wenn die gesamte Zeit der Sozialisation zugleich auch die Zeit der Akkumulation ist. Es ist eine Tatsache, dass sich diese Zeit für ein Individuum nur dann bietet, wenn ihm seine Familie hierfür von ökonomischen Zwängen freie Zeit garantieren kann (Bourdieu 1997:57-59). 2.5, Ungleichheit der Bildungschancen: Die Illusion der Chancengleichheit: In seinen Studien mit Jean-Luc Passeron in den 1960er Jahren spürt Pierre Bourdieu der Reproduktion der sozialen Positionen in der französischen Gesellschaft nach. Sie betrachten es als illusorisch, dass in der demokratischen französischen Gesellschaft Erfolg im Schulsystem unabhängig von der sozialen Herkunft erachtet wird. Erfolg in den Bildungsinstitutionen reicht nicht aus, um Chancengleichheit bzw. einen Platz in der sozialen Hierarchie zu sichern. Mit dem Mythos der Begabung und schulischer Leistung wird verschleiert, dass Vererbung und Reproduktion eine große Rolle spielen. Für den Handelnden wirkt das jeweilige Ergebnis als individuelles Schicksal wie eine persönliche Entscheidung (Fröhlich/Rehbein 2009:210), obwohl nicht Begabung und persönliche Leistung, sondern herrschende Reproduktionsstrategien und nicht sichtbare Herrschaftsverhältnisse für Erfolg im Bildungssystem sorgen. Der Zugang zur Bildung bereitet den Nachkommen der Bourgeoisie eindeutig Startvorteile. Sie häufen bereits im Zuge ihrer Sozialisation bestimmte Formen von kulturellem Kapital an, welche sich Nachkommen der Volksklasse später mühevoll erarbeiten müssen. Bildung erleben erstere als Selbstverständlichkeit. Die Kinder der oberen Klasse werden zu einem sehr wahrscheinlichen Teil ein Hochschulstudium absolvieren und die Vorstellung vom Studium als 'normale' Zukunftsaussicht erleben (Bourdieu/Passeron 1971:20-21). Außerdem führt das Verfügen über finanzielle Mittel dazu, dass sie von früher Berufstätigkeit entbunden sind und eine gute (Elite-)Ausbildung möglich ist. Von klein auf erleben sie außerdem ein häufig weitläufiges soziales Netzwerk, welches sie mit intellektuellen und kulturellen Anregungen versorgt. Bourdieu spricht von einem Multiplikator-Effekt (1997:64-65).
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