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Die Rolle des Partners in der Suchtberatung: Zwischen Co-Abhängigkeit und Unterstützung

AutorKezia Raabe
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl43 Seiten
ISBN9783958206793
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Der Begriff der Co-Abhängigkeit - die Idee, dass nicht nur Suchtkranke selbst, sondern auch Personen in deren Umfeld an der Aufrechterhaltung der Sucht beteiligt sind -wurde das erste Mal in den 70er Jahren von den Betroffenen selbst definiert. Obwohl seitdem verschiedene Definitionen hinzugekommen sind, ist die Problematik in der Suchtberatung noch weitestgehend unbeachtet geblieben. Diese Arbeit setzt sich mit den verschiedenen Definitionen der Co-Abhängigkeit auseinander und befasst sich mit der Frage, welche Rolle sich daraus für den Partner eines Abhängigen in der Suchthilfe ergibt. Hierzu werden zunächst die Merkmale und die Entstehung von Co-Abhängigkeit sowie die Suchtberatung im Allgemeinen thematisiert. Anschließend soll insbesondere der Rollenkonflikt des Partners zwischen Co-Abhängigkeit und Unterstützung beleuchtet werden. Die Studie geht zudem auf existierende Hilfen für Co-Abhängige ein und erläutert, wie der Co-Abhängige über Einzelarbeit die von ihm erwartete Unterstützung leisten kann.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 3, Suchtberatung: 3.2, Ziele und Aufgaben der Suchtberatung: Zu der Zielgruppe der Suchtberatung gehören Konsumenten, bei denen Probleme mit dem Konsum festgestellt wurden, entweder von ihnen selbst oder von ihrem Umfeld wie zum Beispiel dem Hausarzt oder der Familie. Letztere gehören ebenfalls zu der Zielgruppe. Dadurch ergeben sich verschiedene Gruppen von Klienten mit verschiedenem Behandlungsbedarf. Folglich müssen auch die einzelnen Ziele, welche in der Arbeit mit dem Klienten verfolgt werden sollen, auf jeden Klienten einzeln abgestimmt werden. Es gibt trotzdem übergeordnete Behandlungsziele, die generell gelten, das heißt, sie finden sowohl bei jedem Klienten ihre Anwendung sowie in allen Bereichen der Suchthilfe. Neben der Abstinenz, also dem völligen Verzicht auf das Suchtmittel, als das große Ziel der alkoholspezialisierten Suchtberatung gibt es seit einiger Zeit auch den kontrollierten Konsum als Ziel. Kontrollierter Konsum bedeutet, dass der Abhängige seinen Konsum eigenständig an vorher festgelegten Regeln und einem festen Plan orientiert. Die Harm Reduction ist ein weiteres Ziel der Suchtberatung und mit den oben bereits genannten Zielen verbunden. Es beinhaltet '[...] die Reduzierung gesundheitlicher, psychischer und sozialer Begleit- und Folgeerscheinungen des Konsums [...]' (PRINZLEVE, 2004: 39) von Suchtmittel, indem sie über mögliche Folgeschäden aufklärt wird. Weitere übergeordnete Ziele sind: das Überleben des Klienten während des akuten Konsums zu sichern, den Klienten zu motivieren, seine Situation verändern zu wollen, indem er über seine Krankheit und über Möglichkeiten zur Veränderung aufgeklärt wird, erreichen von Abstinenzphasen mit dem Ziel der vollständigen Abstinenz und, dass sich der Klient auf die Hilfen (ambulant, teil-, stationär) einlässt und sie annimmt (vgl. HÜLLINGHORST, 2000: 15 ff.; PRINZLEVE, 2004: 35 ff.; OLGIATI, 1997: 310 ff.). Aus den übergeordneten Zielen und der Zielgruppe ergeben sich die grundsätzlichen Aufgaben der Suchtberatungen. Die erste Aufgabe ist die individuelle Hilfeplanung. Da jeder Klient unterschiedlich ist, muss die Hilfe auf jeden individuell abgestimmt werden. Die zweite Aufgabe beinhaltet, dass soviel Regelbehandlung wie möglich und so wenig Sonderbehandlung wie nötig stattfinden sollte. Der Grund hierfür liegt darin, dass die Institutionen für medizinische und psychosoziale Hilfe für alle zugänglich sind. Erst wenn diese nicht mehr helfen können, sollen Sondereinrichtungen geschaffen werden. Die Ressourcenorientierung ist die dritte Aufgabe, nach der die vorhandenen Ressourcen eines Klienten genutzt und aktiviert werden sollen. Daher soll die Hilfe möglichst nah am Wohnort liegen, damit die vorhandenen Ressourcen auch genutzt werden können. Dies wäre nicht möglich, wenn die Suchtberatung weit vom Wohnort des Klienten entfernt wäre. Die vierte Aufgabe besagt, dass ambulante Hilfe vor stationärer Hilfe erfolgen soll, da die Stationäre einen massiveren Eingriff bedeuten würde. Sie soll erst erfolgen, wenn die ambulante Hilfe nicht greift. Auch die fünfte Aufgabe, die frühe Intervention, bezieht sich auf die Ressourcenorientierung. Je früher die Abhängigkeit erkannt wird und je früher interveniert wird, desto mehr Ressourcen sind noch vorhanden und umso effektiver sind die Maßnahmen. Die siebte Aufgabe ist die geschlechtsspezifische Hilfe, da die Sucht bei Männern und Frauen unterschiedlich verläuft, muss Frauen und Männern auch unterschiedlich geholfen werden. Die achte und letzte Aufgabe ist die Schadensminimierung. Dies gilt sowohl für den Klienten, zum Beispiel bei den körperlichen Folgeerscheinungen, wie auch für die Gesellschaft, zum Beispiel bei den zu tragenden Kosten (vgl. HÜLLINGHORST, 2000: 15 ff.). 3.3, Methoden der Suchtberatung: In diesem Abschnitt werden zwei Methoden der Suchtberatung exemplarisch vorgestellt. Die erste ist das Motivational Case-Management, ein integrativer Ansatz, der in den letzten Jahren immer mehr Anwendung in der Suchtberatung findet. 3.3.1,Das Motivational Case-Management: Die Methode des Motivational Case-Management, kurz MOCA gehört zu den integrativen Ansätzen und verbindet die Ansätze des Motivational Interviewing und des Case-Management miteinander. Sowohl das Case-Management wie auch das Motivational Interviewing sind zielorientierte und ressourcenorientierte Ansätze, obwohl sie einen unterschiedlichen Ursprung haben (vgl. VOGT, 2004: 200). Der Ansatz des Case-Management geht davon aus, dass sich der Klient in einer problematischen Lebenssituation befindet und diese geändert werden muss. Im Idealfall bedeutet das in der Suchtberatung Abstinenz und Reintegrierung in die Gesellschaft. In der Praxis werden anfangs dagegen kleinere Ziele gesetzt. Die Besonderheit des Case-Management ist der Einbezug formaler und informeller Hilfequellen, um sie zur Mithilfe zu gewinnen. Zu den formalen Hilfequellen zählen andere Institutionen wie zum Beispiel die Schuldnerberatung, zu den informellen Hilfequellen zählt das soziale Umfeld des Abhängigen wie die Familie, die Nachbarn aber auch Selbsthilfegruppen. Das Case-Management beinhaltet folglich '[...] strukturiertes Vorgehen im Hilfeprozess unter konsequenter Nutzung formaler und informeller Ressourcen' (VOGT, 2004: 201). Dabei müssen die Klienten die Verantwortung für die Änderung ihrer Lebenssituation selbst übernehmen (vgl VOGT, 2004: 200 ff.). Der Ansatz des Motivational Interviewing ist an sich auch ein integrativer Ansatz, da er Ansätze aus der Motivations-, der Beratungs- und der Therapieforschung übernimmt. Er wird angewendet, um eine helfende Beziehung zwischen dem Berater und dem Abhängigen aufzubauen und verlangt daher von dem Berater eine akzeptierende und empathische Grundhaltung (vgl. VOGT, 2004: 202 f.). Der Ansatz geht von einem dynamischen Motivationsmodell aus. Danach verläuft Motivation in mehreren Stadien. In diesen Stadien soll der Berater unterstützend eingreifen, damit der Abhängige seine erwünschte Verhaltensänderung auch formulieren und erreichen kann. Das erste Stadium ist die Absichtslosigkeit, in dem über eine Verhaltensänderung noch nicht nachgedacht wird. Schließlich beginnt der Abhängige zu ahnen, dass sein Verhalten schädlich sein könnte, genießt es aber gleichzeitig. Der Abhängige ahnt, dass seine Sucht negative körperliche Konsequenzen hat, genießt aber den Rauschzustand. Daraus ergeben sich erste Absichtsbildungen. Und es folgen erste Pläne über erwünschte Veränderungen und über den Weg diese zu erreichen. Dies ist das Vorbereitungsstadium. Im Handlungsstadium werden diese Pläne in konkrete Handlungen umgesetzt. Dies erfolgt meist in vielen kleinen Schritten. Wurde die erwünschte Veränderung erreicht, folgt das Stadium der Aufrechterhaltung, in dem der Abhängige versucht die Verhaltensänderung aufrecht zu erhalten. Gelingt dies und die Verhaltensänderung wird beibehalten, so kommt es zum Ausstieg. Es gibt aber auch das Stadium des Rückfalls. Mit einem Rückfall ist der Prozess der Veränderung aber nicht beendet, sondern der Abhängige beginnt wieder am Anfang des Modells doch auf einem anderen Niveau, da er bereits positive wie negative Erfahrungen bezüglich der erwünschten Verhaltensänderung gemacht hat (vgl. SCHMID; VOGT, 2001: 73 ff.; VOGT, 2004: 200 ff.). Das Motivational Case-Management ist in vielen Bereichen der Sozialen Arbeit einsetzbar. So findet es neben der Arbeit mit Abhängigen auch bei der Arbeit mit Angehörigen Anwendung. Wie der Ansatz des Case-Management ist er dadurch gekennzeichnet, dass in die Beratung Dritte miteinbezogen werden, wie die Familie, das soziale Umfeld oder andere Institutionen, um dem Abhängigen zu helfen. Wer genau mit einbezogen wird, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab und muss zu Beginn der Beratung ermittelt werden. Um die dafür benötigte Vertrauensbasis zu schaffen, werden Handlungsanweisungen aus dem Motivational Interviewing verwendet. 'Mit Kombination dieser Ansätze ist sichergestellt, dass schnell und umfassend auf konkreten Hilfe- und Unterstützungsbedarf der Klientinnen und Klienten reagiert werden kann' (SCHMID; VOGT, 2001: 77) (vgl. SCHMID; VOGT, 2001: 73 ff.; VOGT, 2004: 200 ff.). 3.3, Einbezug des Partners: Hintergründe und Forschung: ' Soziale Netzwerke sind mögliche Belastungsquellen und Problemursachen, aber ebenso auch Bewältigungsressourcen und Hilfequellen oder sie können zu solchen entwickelt werden' (NESTMANN, 1991: 48). Daher werden auch die Partner von Klienten in die sozialpädagogische Beratung miteinbezogen. Da die Suchtberatung ein Teil dieser ist, wirkt es sich auch auf sie aus. Jedoch stehen in der Suchtberatung der Abhängige und seine Sucht im Vordergrund. Er ist derjenige, der ein Problem hat, dass sich dieses auch auf den Partner und die Familie auswirkt, wird dabei weitestgehend außer Acht gelassen (vgl. NOWAK; DIEHL, 1992: 97). Dies liegt darin begründet, dass die Ansätze zur Behandlung von Abhängigkeit von ehemaligen Abhängigen selbst entwickelt wurden, daher konzentrieren sie sich auch auf den Suchtkranken und nicht auf die Familie. In die Suchtbehandlung mit einbezogen wird die Familie nur, wenn damit dem Abhängigen geholfen werden kann (vgl. WILSON SCHAEF, 2006: 14 f.). Die Partner dienen oft '[...] als Mittel zum Zweck, die Therapie des Suchtkranken effektiver, konfrontativer und realistischer zu gestalten [...]' (KLEIN, 2000: 141). Des weiteren begünstigt der Einbezug des Partners in die Beratung dessen Erfolg, da der Partner vom Abhängigen als verlässlicher Helfer angesehen wird. Daher ist es für die Suchtberatung wichtig den Partner mit einzubeziehen (vgl. OCHS, 2006: 451 ff.). Nach einer Studie von Havassy et al. von 1991 werden nur 36% abstinenter Alkoholabhängiger mit einem guten sozialen Umfeld rückfällig. Dagegen sind es bei Abstinenten mit einem schlechten sozialen Umfeld 69%, die rückfällig werden. Dieses Ergebnis wird auch von der Studie von Noone et al. von 1999 bestätigt (vgl. KÖRKEL; SCHINDLER, 2003: 22 f.). Wird aber in der Suchtberatung nicht nur mit dem Abhängigen gearbeitet, sondern auch mit dem Partner, so sinkt auch das Risiko eines Rückfalls. Dies liegt darin begründet, dass sich durch die Arbeit mit Partner und Abhängigem die Verhaltensweisen in der Partnerschaft ändern und somit nach der erfolgreichen Beratung andere Verhaltensweisen vorherrschen als zu dem Zeitpunkt, an dem die Sucht entwickelt bzw. durch den Partner auch aufrechterhalten wurde. Daher ist es wichtig in der Suchtberatung die Verhaltensweisen aufzudecken, die in der Partnerschaft die Sucht aufrechterhalten oder sogar verstärken. Problematisch hierbei ist jedoch oft, dass der Partner sich der Suchtberatung entzieht und nicht gewillt ist Mitarbeit zu leisten. Ferner gibt es noch keine einheitliche Theorie zu dem Einbezug der Familie (vgl. KUNTZ, 2000: 249 ff.; WILSON SCHAEF, 2006: 15). Deswegen muss dem Partner die Entscheidungsfreiheit überlassen werden, ob er sich an der Behandlung des Partners beteiligen möchte oder nicht (vgl. BRÜCKNER, 2004: 69). Es kann auch problematisch sein, die Familie nicht mit einzubeziehen, wenn Verhaltensweisen der Familie als mögliche Ursache der Abhängigkeit zugrunde liegen. Denn wird nur die Sucht als Krankheit behandelt, aber nicht die Ursache, so verschiebt sich zwar der Symptomträger der Sucht, es tritt aber keine wirkliche Besserung ein (vgl. NOWAK; DIEHL, 1992: 97 ff.). Ein weiterer Grund für den Einbezug des Partners in die Behandlung liegt in der Ressourcenorientierung wie sie zum Beispiel in der Methode des Case-Management zur Anwendung kommt. In diesem Fall zählt der Partner zu den Umweltressourcen des Abhängigen. Zu den Umweltressourcen gehören Bereiche wie zum Beispiel Arbeit, Ausbildung, Vermögen oder soziales Umfeld. Im Gegensatz dazu stehen die Personenressourcen zu denen die Bereiche Problemlösestrategien und Selbstwertgefühl gehören. So werden die Partner von Abhängigen als Ressource genutzt, um die Beratung positiv zu unterstützen und um bei der Bewältigung der Abhängigkeit zu helfen. Einige Studien fanden sogar heraus, dass bei den Abhängigen, die es ohne professionelle Hilfe geschafft haben ihre Sucht zu überwinden, die familiäre Unterstützung die größte Rolle spielte (vgl. VOGT, 2004: 184 ff.). Auch die systemischen Ansätze in der Suchtberatung wie zum Beispiel die Familientherapie ziehen den Partner in die Beratung mit ein, um den Abhängigen zu helfen seine Sucht zu überwinden. Nach diesem Ansatz ist der Abhängige nur Träger eines Symptoms, das aus in der Partnerschaft herrschenden Beziehungsstörungen entsteht. Die Sucht ist also nicht Ursache für die Störungen in der Familie, sondern Beziehungsstörungen in der Familie sind die Ursache für die Sucht. Somit ist die Familie an der Entstehung der Sucht ungewollt beteiligt und muss daher auch bei der Behandlung der Sucht miteinbezogen werden (vgl. NOWAK; DIEHL, 1992: 97 ff.).
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