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Finanzkrisen verstehen! Minskys Theorie der finanziellen Instabilität und ihre Anwendung auf die Finanzkrise von 2007

AutorPatrick Voßkamp
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl47 Seiten
ISBN9783958205697
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Hyman P. Minsky veröffentlichte 1982, in Anlehnung an die Große Depression von 1929, eine Aufsatzsammlung mit dem Titel 'Can 'It' Happen Aagain?'. In dieser entwickelt er die Finanzmarktinstabilitätshypothese (FIH), welche besagt, dass dem Kapitalismus gerade in prosperierenden Zeiten eine Tendenz zur Instabilität innewohnt und es somit wieder zu Finanzkrisen und infolgedessen zu Wirtschaftskrisen kommen könne. In Minskys Worten ausgedrückt: 'Stability is destabilizing'. Die vorliegende Arbeit wendet Minskys Hypothese auf die Finanzkrise von 2007 an. Zwar wurden viele wichtige Krisenursachen diskutiert: Deregulierung, Gier, Irrationalität, eine Liquiditätsschwemme, Leistungsbilanzungleichgewichte sowie eine lockere Geldpolitik. Sie weisen aber, im Gegensatz zu Minskys Theorie, nicht auf einen systemischen Charakter der Krise hin. Die Analyse der Finanzkrise wird sich dabei auf die Entwicklungen in den USA, wo diese ihren Anfang nahm, konzentrieren. Die These der vorliegenden Arbeit ist, dass Minskys Theorie in leichter Abwandlung die Finanzkrise erklären und zu einem tieferen Verständnis helfen kann.

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Leseprobe
Kapitel 2.1.2, Die Rolle der fundamentalen Unsicherheit: Minsky zufolge ist die Einführung der Unsicherheit in die makroökonomische Theoriebildung eine der wichtigsten Leistungen von Keynes, so dass er zu folgendem Schluss kommt: 'Keynes without uncertainty is something like Hamlet without the Prince' (1975, S. 57). In der neoklassischen Theorie ist die Entscheidungsfindung ein rein formaler Prozess, in dem sämtliche Alternativen herangezogen und deren Barwerte unter Beachtung der jeweiligen Eintrittswahrscheinlichkeiten bewertet werden können (vgl. Akerlof und Shiller 2009, S. 32). Keynes postuliert hingegen, dass Investoren keine wahrscheinlichkeitsbasierten Aussagen über die Profitabilität eines geplanten Investitionsprojekts treffen können. Stattdessen handeln Investoren unter fundamentaler Unsicherheit. Die Resultate hängen häufig von nicht vorhersehbaren Umständen in relativ ferner Zukunft ab (vgl. Keen 2011, S. 226). Keynes beschreibt Unsicherheit wie folgt: 'By uncertain knowledge ... I do not mean merely to distinguish what is known for certain from what is only probable. The game of roulette is not subject, in this sense, to uncertainty. ... [T]he expectation of life is only slightly uncertain. ... The sense in which I am using the term is that in which the prospect of a European war is uncertain, or the price of copper and the rate of interest twenty years hence, or the obsolescence of a new innovation. About these matters there is no scientific basis on which to form any calculable probability whatever. We simply do not know.' (1937, S. 213f.) Unsicherheit spielt bei (a) den Finanzierungstrukturen der Wirtschaftsakteure sowie (b) auf Finanzmärkten eine hervorzuhebende Rolle (vgl. Minsky 1975, S. 67). (a) Die Finanz- oder Bilanzstruktur von Wirtschaftsakteuren ergibt sich aus dem Zusammenspiel der Aktiva und Passiva. Diese werden von Minsky in der Terminologie von Keynes als Annuitäten betrachtet, da sie Zahlungen über eine fixe oder variable Periode begründen (vgl. Minsky 1986, S. 194). Eine zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehende Bilanzstruktur beinhaltet die Verbindlichkeiten aus vergangenen Investitionsentscheidungen, während aktuelle Investitionsentscheidungen die Verbindlichkeitsstruktur der Zukunft determinieren (vgl. Minsky 1982a, S. 19). Aktiva und Passiva unterscheiden sich oft in ihrer Fristigkeitsstruktur. So werden Investitionen häufig mit kurzfristigem Fremdkapital finanziert, welches Zahlungsansprüche auf das langfristige Anlagevermögen besitzt (vgl. Dymski und Pollin 1992, S. 30). Zukünftige Cashflows aus den Aktiva sind dabei von Einschätzungen über die Zukunft abhängig und folglich unsicher. Vertraglich vereinbarte Zahlungsansprüche bestehen hingegen auch für den Fall, dass ein Investitionsprojekt fehlschlägt (vgl. Minsky 1986, S. 219). Investitionen beeinflussen also die heutige und zukünftige Finanzierungsstruktur und erhöhen über die damit verbundene Unsicherheit die Risiken des Unternehmens (Insolvenzrisiko) als auch des Kapitalgebers (Ausfallrisiko) (vgl. Dymski und Pollin 1992, S. 30). (b) Unternehmen können neben der Diversifikation von Aktivitäten auch Finanzmärkte nutzen, um sich gegen Risiken aus Investitionsprojekten abzusichern, bspw. durch Ausgabe von Eigenkapitalanteilen oder Absicherungsgeschäfte. Auf dem Sekundärmarkt können Wirtschaftsakteure zudem mit Finanzprodukten handeln und damit ein dem eigenen Risiko-/Renditeprofil entsprechendes Portfolio konstruieren. Unsicherheit besteht aber weiterhin: Erstens besteht ein Ausfallrisiko auf die Residualansprüche von Anteilseignern. Im Falle einer negativen wirtschaftlichen Entwicklung kann es zu Zahlungsausfällen kommen, was bei hohen und / oder breit gestreuten Ausfällen eine Kettenreaktion über die Interdependenz der Bilanzstrukturen, z.B. von Finanzinstitutionen, auslösen kann. Damit stellen Finanzmärkte den Kanal dar, durch den ex ante gefasste Erwartungen und darauffolgende Cashflows Einzelner ex post auf das Finanzsystem als Ganzes wirken können (vgl. Dymski und Pollin 1992, S. 31). Dennoch kann Diversifizierung insgesamt zu mehr Sicherheit verhelfen und dazu beitragen, Unsicherheit abzubauen. Zweitens besteht aber zusätzlich, durch die mögliche Schwankung der Vermögenspreise, ein Marktrisiko. Eine Absicherung hiergegen ist schwierig, da der Preis von der Stimmung des Marktes abhängt (siehe Kapitel 3.1). Insgesamt werden die Risiken durch Finanzmärkte nicht wesentlich geringer. Zwar verringert sich das Ausfallrisiko, dieser Rückgang wird jedoch durch das Marktrisiko kompensiert (vgl. Dymski und Pollin 1992, S. 31). Die sich ergebende Unsicherheit sowie die miteinander verwobenen Finanzierungsstrukturen führen Minsky zufolge dazu, dass das systemische Risiko ansteigt, wodurch Finanzmärkte und damit Finanzstrukturen instabil werden können (vgl. Dymski und Pollin 1992, S. 31). Trotz aller Unsicherheit werden Investitionen getätigt. Die Erwartungsbildung von Investoren geschieht mithilfe von Heuristiken (vgl. Keynes 1937, S. 214). Wirtschaftsakteure orientieren sich erstens am status quo; die Gegenwart wird als Leitfaden für die Zukunft herangezogen. Zweitens nehmen sie an, dass die aktuelle Bepreisung von Vermögensgütern auf einer korrekten Einschätzung zukünftiger Cashflows beruht. Drittens orientieren sie sich an den Einschätzungen und dem Verhalten der Masse (Herdentrieb), da sie selbst in der Regel keinen Informationsvorsprung besitzen. Weiterhin müssen Gefühle bei Investitionsentscheidungen - die 'animal spirits' (Keynes 1936, S. 137) - berücksichtigt werden. Zusammengenommen bedeutet dies, dass Erwartungen Schwankungen unterliegen, womit rasche Vermögenspreisänderungen möglich sind (vgl. Minsky 1975, S. 68). Die Unsicherheit hat einen Einfluss auf die Portfoliowahl der Wirtschaftsakteure.
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