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E-Book

Kind auf Bestellung

Ein Plädoyer für klare Grenzen

AutorEva Maria Bachinger
VerlagDeuticke im Paul Zsolnay Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783552063082
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Kinder sind längst nicht mehr unbedingt Schicksal. Medizin und Wissenschaft erfüllen nahezu jeden Wunsch nach Schwangerschaft, machen alles möglich, planbar und kontrollierbar. Wer sich sehnlichst ein eigenes Kind wünscht, dem kann heute einfach geholfen werden. Und zwar ganz egal, in welcher Lebens- und Beziehungssituation. Eva Maria Bachinger plädiert in ihrem Buch dafür, dass wir die Fragen zu Ethik und Moral rund um Reproduktionsmedizin und Präimplantationsdiagnostik ehrlich diskutieren, bevor Gesetze liberalisiert und Tabus gebrochen werden.

Eva Maria Bachinger, geboren 1973, jahrelang im Anti-Rassismus- und Flüchtlingsbereich tätig, Journalismus-Studium an der Donau-Universität-Krems, seit 2004 Journalistin und Autorin. Buchveröffentlichungen: Die Integrationslüge (gemeinsam mit Martin Schenk, Deuticke 2012), Die besten Bergsteigerinnen der Welt (2010). Im Herbst 2015 ist bei Deuticke ihr neues Buch Kind auf Bestellung erschienen.

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Leseprobe

ILLUSION DER MACHBARKEIT


Im Augenblick strengt sich besonders die Medizin an, zur Hure der Ökonomie zu werden.

Volkmar Sigusch

DIE LEIHMUTTER


Leihmütter in Russland kommen meistens aus ländlichen Regionen oder aus Weißrussland und der Ukraine. Rekrutiert werden sie über Anzeigen im Internet oder in Zeitungen. Viele sind alleinerziehend und trennen sich monatelang von ihren eigenen Kindern, um das Kind der Auftraggeber auszutragen. Olga (Name geändert) ist eine von ihnen. Für vier Monate ist sie in der Hauptstadt zum Arbeiten, sagte sie zu Hause. Nur ihre Mutter weiß den wahren Grund. Olga lebt mit ihrem kleinen Sohn mehr als 1200 Kilometer von Moskau entfernt, in einer Stadt an der Grenze zu Kasachstan. Für das Interview ist sie herbeizitiert worden, ins Büro der Anwaltskanzlei Rosjurconsulting von Konstantin Svitnev im Einkaufs- und Geschäftszentrum »Taganskiy Passage«. Olga war 30 Stunden im Zug unterwegs. Sie lächelt verhalten, ihre blonden Haare hat sie zu einem Zopf zusammengebunden, sie trägt eine Brille mit goldfarbener Fassung. 31 Jahre ist sie alt. Ihren richtigen Namen soll ich nicht schreiben. Olga ist sichtlich angespannt: Ein anderer Treffpunkt war nicht möglich. Sie fühlt sich anscheinend kontrolliert und überwacht, bei einigen Fragen kann sie keine Antwort geben. Sie ist auch nicht bereit, mit uns auf die Straße zu gehen.

In Moskau wohnte sie mit einer anderen Leihmutter in einer Wohnung der Klinik. Über ihre Verträge durften sie nicht miteinander sprechen: Sie können sich in den Details erheblich unterscheiden, weil auf die Wünsche der Auftraggeber Rücksicht genommen wird. Über die Umstände der Geburt oder was passiert wäre, wenn das Kind behindert gewesen wäre, kann sie nichts sagen. »Wenn etwas ist, dann ist ein Abbruch die Entscheidung des Paares und der Ärzte. Das liegt nicht in meinen Händen.« Sie habe sehr wohl Bedenken gehabt, ob sie das Kind loslassen könne. »Ich habe dann aber verstanden, dass es ja nicht mein Kind ist. Es sind nicht meine Eizellen, und ich helfe nur. Ich war vorbereitet, ich wusste, dass ich das Kind weggeben muss. Ich habe gewusst, wer die Eltern sind, dass es erwartet wird. Das hat es einfacher gemacht.« Das Paar habe sie erst kurz vor der Geburt kennengelernt. Die Leihmutter hat keinen Einfluss darauf, welchem Paar sie »helfen« kann. Sie erfährt erst dann mehr, wenn es die Wunscheltern so wollen. Bei einem Skype-Gespräch mit dem Paar in Wien sei ihr kleiner Sohn zwar einmal dabei gewesen, aber er sei ahnungslos: »Ich habe ihm nur gesagt, das ist ein Bekannter von mir. Das Kind ist jetzt ein Jahr und zwei Monate. Sie schicken Fotos, und wenn sie wollen, dann sprechen wir miteinander. Der Kontakt ist unregelmäßig, einmal im Monat oder alle zwei Monate.« Auch ob es Kontakt gibt oder nicht, orientiert sich an den Wünschen der Auftraggeber. Die Kommunikation ist nicht so einfach, denn Olga spricht nur Russisch, das Gegenüber versucht Russisch zu lernen. Der Kontakt erfolgt vor allem via Skype mit Händen und Füßen. Ob sie Kontakt mit dem Kind haben will, hat sie für sich noch nicht geklärt: »Ich weiß nicht, wie ich es meinem Sohn erklären soll, wer dieses Baby ist. Vielleicht später einmal, wenn beide groß sind. Ich bin aber nicht dagegen, wenn das Kind sich später meldet.« Sie hat ein Foto von ihm, ihr siebenjähriger Sohn habe gefragt, wer das sei. »Das Kind eines Bekannten«, habe sie geantwortet.

Olga hat auch Eizellen gespendet. Ob daraus ein Kind entstanden ist, weiß sie nicht. »Ich freue mich, wenn es geklappt hat. Ich weiß nicht, ob mir das recht ist, dass ich nichts weiß, oder nicht.« Nach einer Pause sagt sie: »Ich habe nicht das Recht, das zu wissen.« Darüber, wie viel Geld sie für die Leihmutterschaft erhalten hat, schweigt sie sich aus: »Das ist ein Geheimnis.« Olga hat vorher als Köchin in einer Schule gearbeitet, normalerweise verdiene sie zwischen 10.000 und 15.000 Rubel (150 bis 220 Euro) im Monat. In einem E-Mail schrieb sie, sie wolle sich mit dem Geld durch die Leihmutterschaft eine Wohnung kaufen. Beim Gespräch in Moskau antwortet sie, sie habe sich ein Auto gekauft, »ein kleines«, eine »russische Marke«. Ob sie ein zweites Mal Leihmutter wird, wisse sie noch nicht. Sie hat es derzeit nicht vor. Aber prinzipiell spreche nichts dagegen.

DIE AUFTRAGGEBER


Roland und Markus (Namen geändert) sind seit acht Jahren ein Paar. In der Heimat von Roland, einem EU-Land, haben sie geheiratet. Sie leben in einer Wiener Kleingartensiedlung. Zuerst wollten sie eine Leihmutter aus Indien verpflichten, erzählen sie im Café am Karmelitermarkt. »Amerika wäre uns zu teuer gewesen, aber Indien war akzeptabel von den Preisen her.« Doch dann entschied das indische Parlament, die Leihmutterschaft für Homosexuelle zu verbieten. »Wir waren am Boden. Wir haben gedacht, unser Traum ist geplatzt.« Sie haben aber weiter nach einer Umsetzung ihres Kinderwunsches gesucht. Für Markus wäre auch eine Adoption vorstellbar gewesen, in Kambodscha beispielsweise. Ein Pflegekind kam hingegen nicht in Frage, weil die Obsorge beim Jugendamt verbleibt und sie mit den leiblichen Eltern Kontakt halten müssen. »Der Wunsch nach einem leiblichen Kind war bei meinem Partner sehr groß«, erklärt Markus. So wurde auch mit einem Frauenpaar aus dem engen Freundeskreis gesprochen, aber als es konkret wurde, haben sie kalte Füße bekommen. Letztlich besser so: »Wir kennen lesbische Paare, wo der Mann Sperma gespendet hat und er keine Rechte hat, weil die Frauen die Obsorge haben. Dazu muss man bereit sein, denn der Einfluss ist gleich null. Und dass eine alleinstehende Frau bereit ist, ein Kind für dich auszutragen, dir dann zu übergeben und auf ihre Rechte zu verzichten, ist ebenfalls schwierig. Man würde sich da auf ein großes Risiko einlassen. Also, wir wollten eine Kernfamilie gründen, eine traditionelle Familie. Das war unser Ziel«, betont Roland. Bei einer Leihmutterschaft sahen sie sich offenbar mit mehr Einfluss ausgestattet, wenngleich auch eingeschränkt, wie Markus meint: »Du weißt ja nicht, wie professionell das abläuft, was sie im Labor mit deinem Sperma machen und der Eizelle.« Die Möglichkeiten in der Ukraine wurden erkundet, »weil es noch billiger als Russland ist«. Doch von Freunden haben sie gehört, dass es Probleme gebe, mit dem Kind auszureisen.

Schließlich wurde ihnen Konstantin Svitnev empfohlen. »Er bietet ein Flatrate-Programm. Das war gut für uns, denn wir haben letztendlich 13 Versuche benötigt. Unsere größte Angst war ja, dass es nicht funktioniert und wir das Geld verlieren. Gott sei Dank haben wir dieses All-inclusive-Programm gemacht.« Sie haben auch einmal die Klinik gewechselt, zuerst Moskau, dann St. Petersburg. Zwei Jahre, mehrere Eizellspenderinnen und zwei Leihmütter waren nötig, bis es zur Einnistung und einer Schwangerschaft kam. Als sich die Schwangerschaft gut entwickelte, wollten sie Olga kennenlernen, »nicht erst bei der Geburt«. Roland erklärt, dass sie sie nach einem Profil ausgesucht haben: »Wir wollten keine Frau, die eine Abtreibung gehabt hat. Ich wollte eine typische, durchschnittliche, russische und konservative Mutter, die selber ein Kind hat, die sich von ihrem Mann scheiden hat lassen. Sie ist so eine gute Person, total hilfsbereit, das spürt man, sie macht das nicht nur wegen des Geldes. Das hat sie mir mehrmals gesagt.« Hier hakt Martin ein: »Sie macht es schon auch für Geld, um für ihre Familie mehr Möglichkeiten zu haben.« Die Eizellspenderin ist ebenfalls aus Russland, aber anonym. »Du bekommst über die Spenderin ein Profil, du kannst dich über Augenfarbe, Körpergröße, Haarfarbe informieren, was sie in der Freizeit gerne macht, ob sie Geschwister hat, auch über ihre Bildung. Das war relativ wichtig für uns. Sie sollte ein Minimum an Intelligenz haben. Wir wollten eine Person, die äußerlich nicht sehr auffällig ist, weil wir in Österreich leben. Wir wollen aber keinen Kontakt mit ihr.« Markus ergänzt: »Wir haben uns entschieden, dass die Leihmutter die Mutter ist, wenn unser Sohn danach fragt, wollen wir ihm sagen, sie ist die Mutter. Wir wollen es nicht noch komplizierter machen. Wir warten mal ab, wie es wird.«

In der 37. Woche ist Olga nach Prag geflogen, auf Wunsch des Paares. »Wir haben uns dafür entschieden, weil sich das Klima in Russland für Homosexuelle verschlechtert hat. Wir bekamen Angst, ob mit den Papieren dann tatsächlich alles klappt. Das war es uns wert, hier noch Geld draufzulegen, um einiges zu vereinfachen«, so Markus. Olga soll ein Appartement für sich gehabt haben, sie sei in einem Park spazieren gegangen und von einer Ärztin betreut worden. Ganz so einfach gestaltete sich die Antragstellung in der Botschaft in Prag aber auch nicht. »Sie sind natürlich auf der Leitung gestanden, denn das Erste, was sie sehen, ist, dass ich mit einem Mann verheiratet bin. Sie wollten partout aus mir herausbekommen, dass es eine Leihmutterschaft war. Ich habe darauf bestanden, dass es mein genetisch verwandtes Kind ist und ich einen Pass will, und ich habe mit den Medien gedroht. Am nächsten Tag haben wir den Pass bekommen.« Mit Sack und Pack und Kind fuhren sie im Auto nach Wien zurück. Olga kehrte nach Russland heim.

Finanziell sei es trotz »Flatrate-Programm« eine Herausforderung gewesen: »Wir haben auf vieles verzichtet, unsere Eltern haben uns unterstützt, einen Teil haben wir finanziert, einen Teil haben wir angespart. Es kostete 60.000 Euro, aber mit allem Drum und Dran, mit den Reisen, mit der Geburt in Prag, kamen wir am Ende auf einen höheren Betrag. Ein Drittel der 60.000 Euro hat die Leihmutter bekommen«, behauptet Roland. »Wir wissen das eigentlich nicht genau«, räumt Martin ein. Rolands Familie in einem...

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