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Das Buch als Erinnerungsobjekt

AutorAnna Violetta Lex
VerlagMainzer Institut für Buchwissenschaft
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl151 Seiten
ISBN9783945883136
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
'Die einzelnen Geschichten, die uns Bücher erzählen können, sind Zeugnisse der Vergangenheit und somit für uns und nachfolgende Generationen von kulturellem und wissenschaftlichem Wert.' In ihrer Magisterarbeit setzt sich Anna Lex mit der Funktion des Buches als Erinnerungsobjekt auseinander. Sie nähert sich diesem Thema über die theoretischen Ansätze der Gedächtnis- und Erinnerungsforschung. Auf der Grundlage dieser theoretischen Reflexion untersucht sie die Eigenschaften des Buchs als Träger von Erinnerungen anhand der Paratexte Lesespuren, Exlibris und Widmungen. Schließlich geht sie der Frage auf den Grund, auf welche Art und Weise Bibliotheken als kulturelles Gedächtnis fungieren. Diese Arbeit ist Teil der Reihe Initialen, in deren Rahmen herausragende Abschlussarbeiten der Mainzer Buchwissenschaft veröffentlicht werden.

Anna Violetta Lex, 1986 in Bremen geboren, studierte Buchwissenschaft und Deutsche Philologie an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Sie war während Ihres Studiums als wissenschaftliche Hilfskraft tätig, sammelte Berufserfahrung in mehreren Verlagen und engagierte sich im Fachschaftsrat der Germanistik, Komparatistik und Theaterwissenschaft. Mit der vorliegenden Arbeit erlangte sie 2014 den akademischen Grad einer Magistra Artium.

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Leseprobe
1 Einleitung Manch ein Leser mag dies kennen: Beim Aufräumen im Bücherregal fällt einem ein Buch in die Hände, das man vor einiger Zeit im Urlaub gelesen hat. Dann rieselt einem vielleicht etwas Sand entgegen oder man findet eine Postkarte des Urlaubsortes, die man als Lesezeichen verwendet hat. Vielleicht stößt man beim erneuten Blättern auf Notizen, die man am Rand des Textes gemacht hat, auf Markierungen, Anmerkungen, Gedanken. Oft werden dann Erinnerungen wach, an den Ort der Lektüre, oder an das, was man beim Lesen des Buches gedacht und gefühlt hat. Es gibt also eine Verknüpfung zwischen dem Objekt Buch und spezifischen, biographischen Erinnerungen. In dem beschriebenen Fall handelt es sich um individuelle Erinnerungen, die für Außenstehende anhand des Objektes meist nicht unbedingt nachvollziehbar sind. In einigen Büchern befinden sich aber auch materielle Spuren, an denen verfolgt werden kann, wem dieses Buch einmal gehört hat, wo es gewesen oder was ihm durch äußere Einflüsse widerfahren ist. Jedes einzelne Buch hat seine ganz eigene Geschichte. Die einzelnen Geschichten, die uns Bücher erzählen können, sind Zeugnisse der Vergangenheit und somit für uns und nachfolgende Generationen von kulturellem und wissenschaftlichem Wert. Unsere Gesellschaft ist auf solche Zeugnisse angewiesen, um historische Ereignisse nachvollziehen und an künftige Generationen weitertragen zu können. Die Thematik der Erinnerung ist für mehrere akademische Disziplinen, insbesondere für die Kulturwissenschaft, immer wieder von Interesse und wird differenziert untersucht. Der französische Soziologe Maurice Halbwachs entwickelte in den 1920er Jahren den Begriff der mémoire collective.[1] Auf Halbwachs' Theorien zur sozialen Bedingtheit von Erinnerung basiert die aktuelle Gedächtnisforschung, welche sich mit dem kulturellen Gedächtnis befasst. Der Begriff »kulturelles Gedächtnis« beschreibt das kollektiv geteilte Wissen einer Gesellschaft und einer spezifischen Epoche, das sich aus einem Bestand an Texten, Bildern und Riten zusammensetzt und mit dem die Gesellschaft ihr Selbstbild stabilisiert und vermittelt. In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, wie sich die Gedächtnisforschung mit Medien auseinandersetzt, die der Speicherung und Überlieferung des kulturellen Gedächtnisses dienen. Dabei soll insbesondere herausgearbeitet werden, welche Rolle dem Buch als Gedächtnismedium zugeschrieben wird. Es wird hierbei die These verfolgt, dass in der aktuellen kultur- und medienwissenschaftlichen Gedächtnisforschung das Buch zwar als Speichermedium des kulturellen Gedächtnisses betrachtet wird, dass sich die Forschung allerdings nicht eingehend mit den materiellen und medienspezifischen Eigenschaften des Buches als Speichermedium für das kulturelle Gedächtnis befasst. Ausgehend von dieser These liegt der Anspruch der vorliegenden Arbeit darin, das Objekt Buch als Träger von Erinnerung näher zu untersuchen. Viele Bücher weisen eine komplexe Provenienz und Gebrauchsgeschichte auf, teilweise wurden sie durch den Eintrag eines Besitznachweises in Form von Exlibris, durch Notizen oder Widmungen ergänzt. Es werden also über den Text hinaus im Buch Informationen gespeichert und somit an die Nachwelt weitergegeben. Welche Informationen das Buch durch seine spezifischen materiellen Eigenschaften bewahren kann, wird in dieser Arbeit analysiert. Es wird dabei der Frage nachgegangen, welchen wissenschaftlichen und kulturellen Wert die Materialität des Buches für das gesamtgesellschaftliche Gedächtnis hat. Der Beitrag des Buches als Erinnerungsobjekt zum kulturellen Gedächtnis wird durch die Untersuchung einiger Kategorien exemplarisch herausgearbeitet. Bei der ersten Kategorie von Erinnerungsspuren handelt es sich um Lesespuren. Dabei soll untersucht werden, welche Gedächtnisprozesse von Lesespuren ausgelöst werden können. Zudem wird der Frage nachgegangen, welche Erinnerungen die Hinterlassenschaften von Lesern in Büchern tragen und inwieweit diese von wissenschaftlichem und kulturellem Wert sind. Besonders für die Literaturwissenschaft könnten diese paratextuellen Elemente von Bedeutung sein, da sie eine materielle Verbindung zwischen Leser und Text herstellen. Als zweites Merkmal sollen Buchwidmungen untersucht werden, da diese ebenfalls interessante Beziehungen zwischen Buch, Buchbesitzer und Autor aufweisen. Welche Rückschlüsse sich durch den Widmungstext auf den Widmungsschenker, den Widmungsadressaten sowie das gewidmete Werk ziehen lassen, soll beleuchtet werden. Zudem wird herausgearbeitet, welche zeithistorischen Hintergründe sich aus Widmungstexten ablesen lassen, da diese Informationen relevant für das kulturelle Gedächtnis sein können. Als nächste Kategorie sind Exlibris als Erinnerungsträger Gegenstand der Untersuchung. Im Buch manifestierte Besitznachweise bringen uns dem Buchbesitzer und -liebhaber sowie der Geschichte seiner Sammlung oder Bibliothek näher. Jede Bibliothek mit historisch gewachsenem Bestand besitzt eine Vielzahl von Provenienz-Exemplaren. Die Exlibris können Hinweise auf die Herkunft der Bücher liefern, sie können aber auch Aufschluss über die Geschichte der Buchgestaltung und -illustration geben. Die Untersuchung exemplarischer Beispiele soll die Bedeutung von Exlibris für das kulturelle Gedächtnis herausstellen. Die Bibliothek findet in der Gedächtnisforschung bereits Beachtung. Sie wird als Speichersystem des kulturellen Gedächtnisses eingeordnet.[2] Allerdings bezieht sich dies hauptsächlich auf den Inhalt der Texte, den die in der Bibliothek vorhandenen Bücher speichern.[3] Es soll untersucht werden, welchen weiteren Wert der Raum Bibliothek sowie Sammlungen für das kulturelle Gedächtnis haben und woran er materiell festgemacht werden kann. Neben den untersuchten materiellen Eigenschaften des Buches gibt es noch weitere Bestandteile, die hinsichtlich ihrer gedächtnistragenden Funktionen erforscht werden könnten. Darunter fallen zum Beispiel der Bucheinband oder der Schutzumschlag sowie typografische Eigenheiten. Die Untersuchung dieser Elemente hätte allerdings im Rahmen dieser Arbeit zu weit geführt und wäre daher eine Aufgabe für ein weiteres Forschungsprojekt. Forschungsstand Die Kulturwissenschaft beschäftigt sich seit Ende der 1980er Jahre intensiv mit dem Phänomen des kollektiven Gedächtnisses und mit Erinnerungskulturen.[4] Federführend im Bereich der kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung ist das gedächtnistheoretische Konzept von Aleida und Jan Assmann.[5] In dem Standardwerk Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses[6] befasst sich Aleida Assmann ausführlich mit dem Medium Schrift als Gedächtnisspeicher. Assmanns Ausführungen zum Buch als Gedächtnismedium sowie diesbezügliche Betrachtungen von Jan Assmann in Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen[7] werden in der vorliegenden Arbeit kritisch untersucht. Ebenfalls einschlägig sind die Forschungsprojekte von Astrid Erll, die sich aus kulturwissenschaftlicher Sicht mit dem Zusammenhang zwischen Medien und kollektivem Gedächtnis auseinandersetzt.[8] In der aktuellen kultur- und medienwissenschaftlichen Gedächtnisforschung werden verschiedene Medien hinsichtlich ihrer Eigenschaften zur Speicherung des kulturellen Gedächtnisses untersucht. Darunter befindet sich auch das Medium Buch. Um herauszuarbeiten, welche Rolle dem Buch als Gedächtnismedium beigemessen wird und inwieweit sich die Forschung auch mit der Materialität des Buches befasst, müssen die gedächtnistheoretischen Texte zunächst aus dieser spezifischen Perspektive kritisch betrachtet und ausgewertet werden. Zu den Kategorien Lesespuren, Widmungen und Exlibris sind bisher keine Arbeiten im Zusammenhang mit gedächtnistheoretischen Fragestellungen erschienen. In der vorliegenden Arbeit wird daher erstmalig eine Verknüpfung zwischen der Untersuchung der medienspezifischen Eigenschaften von Lesespuren, Widmungen und Exlibris und dem Hervorheben ihrer gedächtnistragenden Bedeutung geleistet.[9] Für die Erforschung von Paratexten, zu denen Widmungen, aber auch Lesespuren und Exlibris zählen, gilt Gérard Genettes Paratexte. Das Buch vom Beiwerk des Buches[10] (franz. Seuils 1987) als Standardwerk. Es kann für die vorliegende Arbeit jedoch nur als Grundlage für die Betrachtung von Lesespuren dienen, da Genette in seiner Darstellung von Paratexten auf diese nicht eingeht. Auch seine Ausführungen zu Widmungen werden differenziert betrachtet. Für die nähere Untersuchung von Lesespuren bietet der 2011 von Marcel Atze und Volker Kaukoreit herausgebrachte Sammelband Lesespuren ? Spurenlesen. Wie kommt die Handschrift ins Buch?[11] eine wichtige Forschungsgrundlage. Der ebenfalls von Atze und Kaukoreit veröffentlichte Sammelband »Aus meiner Hand dies Buch ...«. Zum Phänomen der Widmung[12] dient als Grundlage für die Untersuchung der Buchwidmung. Zudem werden zur Analyse der historischen Entwicklung der Widmung unter anderem die Dissertation von Gabriele Schramm Widmung, Leser und Drama. Untersuchungen zu Form- und Funktionswandel der Buchwidmung im ??. und ??. Jahrhundert[13] sowie die Arbeit von Karl Schottenloher zur Widmungsvorrede im 16. Jahrhundert[14] verwendet. Für die Betrachtung der Widmung als Quelle für die Leserforschung wird der Artikel von Reinhard Wittmann Der Gönner als Leser. Buchwidmungen als Quelle der Lesergeschichte[15] herangezogen. Die Ausführungen zu Exlibris stützen sich hauptsächlich auf das umfassende Standardwerk Deutsche Exlibris. Von den Ursprüngen bis zum Beginn des ??. Jahrhunderts[16] von Anneliese Schmitt. Hinzugezogen werden die aktuellen Forschungsarbeiten von Maria Tetzlaff[17] und Wiebke Herr[18]. Für die Untersuchung von Exlibris, Widmungen, und Lesespuren bietet die Ausgabe des Marbacher Magazins Schicksale, Scheusale, Labsale ? Bücher.
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