2 Die Spielregeln der Männer und was wir von ihnen lernen können
„Why can’t a woman be more like a man?“ Das war der Stoßseufzer von Prof. Higgins in „My fair Lady“. Zu werden wie ein Mann, darum geht es nicht. Es geht darum, die Regeln der Männer zu kennen, anzuwenden und sie für uns zu nutzen.
Frauen haben es nicht leicht in der Arbeitswelt, die nach männlichen Spielregeln funktioniert, das wissen wir ja. Ob sie nicht manchmal – so heimlich still und leise – davon träumen, ein Mann zu sein? „Nein“, haben uns alle gesagt, „das nicht, aber natürlich, wir können ja vielleicht etwas abgucken und für uns nutzen.“
Haben Sie das schon mal getan: „Ihre Männer“ beobachtet? Ihren Ehemann, Ihren Chef, Ihre Söhne, Vettern und Kollegen? So mit Forscherinnenblick? Den Feind beobachten, den Mitspieler (er)kennen, um ihn besser zu verstehen, um besser mit ihm kommunizieren zu können, auch kämpfen zu können. Und vor allem um zu prüfen, was wir von ihnen lernen können.
Dabei ist es besonders aufschlussreich, zu beobachten, wie Männer mit Männern umgehen. Denn Frauen gegenüber gibt es bei vielen Männern eine Beißhemmung – auf die Frauen sich aber nicht verlassen sollten – oder ein Nichternstnehmen als Gegner. Außerdem gelten im Umgang Mann/Frau andere Regeln als im Umgang Mann/Mann.
Egal woher das nun kommen mag – aus den Genen oder aus der Sozialisation –, egal was man nun als Beweis anführt – Wolfsrudel oder menschliche Hirnstrukturen: Es lohnt sich, einen gründlichen Blick auf den heutigen (männlichen) Alltag zu werfen und dann herauszufiltern, was sich zu lernen lohnt und was als bloßes Wissen über den andern wichtig und nützlich ist.
Hier unser Ergebnis – als Hinweis für Ihre eigenen Arbeitshypothesen: Die Regeln der Männer beruhen auf einem zentralen Dogma, ähnlich dem Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes, und das lautet: „Ich bin der Größte!“ Und da „Ich“ bedeutet: „Ich, der Mann“, lautet die erste dogmatische Ableitung: „Wir Männer sind die Größten!“
Alle konkreten Spielregeln leiten sich hieraus ab. Sie finden das zu einfach? Gut: Es gab die Minderheit, die beim Ersten Vatikanischen Konzil dagegen stimmte. Es gab die Abspaltung der Altkatholiken, die das Dogma nicht anerkannt haben. Es gibt die Reformer und neuere Interpretationen. Aber das Dogma wurde nicht aufgehoben – nicht vom Zweiten Vatikanischen Konzil und auch nicht danach. Das Dogma bleibt ein Dogma. Das muss man wissen, wenn man reformieren will.
Der Leitsatz der Frauen lautet: „Ich bin nicht gut genug“ mit der ersten Ableitung: „Aber die andere ist auch nicht besser – oder sogar noch schlechter.“
Die Konsequenzen daraus: Während bei Männern die Selbst-PR sehr ausgeprägt ist und das Netzwerken, Seilschaftenknüpfen und Seilschaftennützen ebenso, leiden Frauen unter einer Bescheidenheitszier und einem Lobbyingdefizit.
Was können wir also von Männern lernen?
„Von Männern lernen? Das ungenierte Inanspruchnehmen von Kontakten und Verbindungen. Und die Pflege von Netzwerken, die systematische Pflege“, sagt Katherina Reiche, CDU-Bundestagsabgeordnete, eine der Jungen mit steiler Karriere.
Männer helfen sich immer gegenseitig. Das ist wie ein Ritual. Man denkt nicht darüber nach, man tut es einfach. Jeder Mann kennt das Old Boys Network, jeder Mann nutzt es. Die berufliche Netzwerkbildung und Netzwerknutzung ist für Männer selbstverständlich: sich gegenseitig informieren, sich gegenseitig unterstützen, sich treffen und kungeln, um Positionen, um Geld und Macht. Männer fördern Männer.
Und was machen Frauen? Auch sie haben ein Ritual: Frauen in Führungspositionen werden von anderen Frauen mit Argwohn betrachtet, missgünstig behandelt. Frauen behindern Frauen.
Männerrituale bringen Männer weiter; Frauenrituale bremsen Frauen aus. Das muss nicht so sein. Also schauen wir uns die Regeln und Rituale der Männer an, wie wir sie für uns nutzen können. Und wagen wir vorher einen kurzen Blick zurück: Woher kommt das? Damit wir wissen, wie wir es gründlich ändern können.
Wie kleine Jungen siegen lernen und große Männer angeben
„Männer haben’s schwerdings leicht: außen hart und innen ganz weich. Sind als Kind schon auf Mann geeicht.“
(Herbert Grönemeyer, „Männer“)
Über das Kind im Manne gibt es viele Sprüche. Schauen wir mal, was dahinter steckt.
Wer etwas über die geschlechtliche Teilung der Gesellschaft wissen will, sollte in einen Spielwarenladen gehen. Nein, es gibt keine Schilder „Für Jungen“ oder „Für Mädchen“; die braucht man auch nicht. Denn die Regale zeigen deutlich, wer womit spielt. Wenn Kunden anwesend sind, werden sie es Ihnen durch ihre Suchbewegungen bestätigen: Kinder teilen sich auf und Mütter versuchen mehr oder weniger verzweifelt, diese Aufteilung zu durchbrechen.
Der Aspekt der „Gewalt“ in Spielen ist dabei ein Nebenaspekt der Grundregel: Kleine Jungen spielen, um zu gewinnen, kleine Mädchen spielen, um Freundschaften zu schließen.
Wir werden nicht als Mädchen geboren, wir werden dazu gemacht!, so lautete ein Buchtitel in den 80er Jahren und verkündete die Richtschnur der neuen weiblichen Erziehung: „Geschlechtsrollen – alles eine Frage der Sozialisation!“ Heute wissen wir mehr: Die neuen Ergebnisse von Hirnforschung und Biologie sagen, dass Unterschiede in den Chromosomen die Art des Denkens und Handelns bestimmen. Und zwar vehement: Die genetischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen stellen alle anderen Unterschiede im menschlichen Genom in den Schatten.
Erziehung oder Sozialisation bestätigen und verstärken also nur, was längst da ist – und damit basta? Das Y-Chromosom ist der Schlüssel zur Männlichkeit; das X-Chromosom ist der Schlüssel zur Weiblichkeit. Y heißt: Produktion von Androgenen schon im Fötus und achtmal größere Mengen von Testosteron als bei Mädchen. Die Hormone formen den Körper – das ist unbestritten. Aber bestimmen sie auch das Hirn, das Denken und das Verhalten? Mittlerweile lassen sich in der Hirnforschung unterschiedliche Begabungen der Geschlechter feststellen: Mädchen sind verbaler, Jungen räumlicher orientiert. Im Sprachtest sind Mädchen den Jungen überlegen, bei schwierigen mathematischen Aufgaben geht ihr Vorteil verloren. Frauen haben eine stärkere Vernetzung der beiden Hirnhälften, das weibliche Hirn sieht mehr, hört mehr, kommuniziert schneller, schafft Querverweise. Männer haben eine stärkere Verbindung in den Hälften, sie können eng fokussieren: der männliche Tunnelblick, ein Spotlight. Frauen dagegen blicken weiter: die weibliche Landkarte, der Panoramablick.
Daneben gibt es quantitative Unterschiede: das weibliche Gehirn ist um 15 Prozent kleiner, doch 20 bis 30 Prozent mehr Anteile sind der Sprache gewidmet. Zwei Beispiele sollen reichen, um noch einmal zu belegen, dass diese Unterschiede nichts mit Intelligenzgefälle zu tun haben und keine Diskriminierungen rechtfertigen. Erstens: Ein prominentes Männerhirn, das gewogen und mit 170 Gramm als zu leicht befunden wurde, war das von Albert Einstein. Zweitens: Die Sonderschulen sind fest in der Hand von Jungen. „Da stellt sich die Machtfrage nicht mehr“, bemerkte der Zukunftsforscher Mathias Horx realistisch auf dem Kongress WorldWomenWork 2005 in Berlin.
Die Gene sind nur ein Teil des Gesamtpakets – je besser wir die Biologie verstehen, umso klarer und bewusster wird die Rolle, die Kultur und Erziehung spielen, meint die Anthropologin Helen Fisher. Wenn Hirnforscher Unterschiede zwischen den Geschlechtern finden, dann heißt das nicht, dass die Unterschiede von Anfang an da waren. Das Gehirn verändert sich im Laufe des Lebens, so Laura Martignon, Professorin für Mathematik und Informatik – eine von 71 Professorinnen in diesem Bereich unter 1200 Männern. Auch Erfahrungen spielen eine große Rolle. Denn anfangs sind Mädchen in Mathematik ja gut. Der Bruch kommt mit der Pubertät; dann gilt: Wer gut ist in Mathe, ist unsexy – es passt nicht zum Selbstkonzept einer jungen Frau und auch nicht zum Mädchen- und Frauenbild von Lehrern, Lehrerinnen und Eltern. Wie auch immer, mehr Gene oder mehr Erziehung: Die Realität hat jedes Vorurteil sowieso längst überholt: Die Mehrzahl der Studierenden sind inzwischen Mädchen und sie haben die besseren Noten.
Die Realität im Berufsleben hinkt nach; sie verändert sich nur langsam – was die Zahlen von Führungspositionen angeht und die Charakteristika der gespielten Spiele: Die Spiele der Jungen bestimmen das Berufsspiel. Denn als die Regeln entstanden, waren kaum Frauen da, die daran hätten mitwirken können. Die Männer konnten alleine alle Regeln...