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Was macht das Monster unterm Bett?

Ängste von Kindern verstehen und bewältigen

AutorMonika Specht-Tomann
VerlagPatmos Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl180 Seiten
ISBN9783843606455
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Angst vor der Dunkelheit, vor Abschieden oder vor Schwierigkeiten in Kindergarten oder Schule - Kinder erleben vielfältige belastende Situationen, die sie im Laufe ihrer Entwicklung meistern müssen. Welche Ängste gehören zu jeder normalen Entwicklung? Wann werden Kinderseelen besonders belastet? Was können Eltern ganz konkret tun, um Kindern in ängstigenden Situationen Halt zu geben? Die erfahrene Psychologin Monika Specht-Tomann zeigt, wie Erwachsene ihren Kindern liebevoll helfen und mit ihnen gemeinsam das Monster unterm Bett zähmen können.

Monika Specht-Tomann, geboren 1950, ist Psychologin und Physiotherapeutin.

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Leseprobe

Teil 1: Kinderängste verstehen


1. »Gute« Angst und »schlechte« Angst:
Vom Sinn der Angst


Jeder Mensch hat Angst

Angst begleitet uns von der Geburt bis zum Tod. Manchmal tritt sie ganz offen zu Tage, dann wieder bahnt sie sich im Verborgenen ihren Weg und wird nur indirekt sichtbar. Sie schützt uns vor körperlichen und seelischen Verletzungen, schafft nötige Anreize für Veränderung und Neuorientierung und hilft uns, mehr oder weniger unbeschadet durchs Leben zu gehen.

Ein gesundes Maß an Angst macht es beispielsweise möglich, in neuen Situationen innezuhalten, sich auf seine Stärken zu besinnen und sich nicht völlig wahllos allen Eindrücken auszusetzen. Ein gesundes Maß an Angst kann uns wachrütteln und achtsamer werden lassen. Manchmal zeigt sich die Angst allerdings auch von einer ganz anderen Seite. Dann kann sie das Selbstvertrauen mindern und lässt den Glauben an die eigene Stärke, Gelassenheit und Zuversicht schwinden. Angst kann also zum Motor von Entwicklung und persönlicher Entfaltung werden – sie kann aber auch Entwicklung verhindern und persönliche Entfaltung unmöglich machen. Das gilt für Erwachsene ebenso wie für Kinder.

Ein gewisses Ausmaß an Angst ist für jeden Menschen wichtig, doch stellt sich die Frage: Wie viel Angst braucht der Mensch? Wann kann man von einer wichtigen, schützenden, positiven Kraft sprechen – einer »guten« Angst – und wann kehrt sich diese Kraft ins Negative, verhindert gesundes seelisches Wachstum, behindert die Menschen, führt sie in die innere und äußere Einsamkeit und wird zu einer »schlechten« Angst?

Wenngleich das Thema Angst jedem auf die eine oder andere Weise vertraut und bekannt ist und Angsterlebnisse sich nur zu oft als bleibende Erinnerungen einprägen, tauchen angesichts vieler scheinbarer Widersprüche und Probleme bei der Angstbewältigung immer wieder Fragen auf: Was ist Angst denn eigentlich wirklich? Wie entsteht sie? Wie äußert sie sich? Wie kann man am besten mit der Angst zurechtkommen?

Grundsätzlich handelt es sich bei der Angst um ein Reaktionsmuster des Organismus, das biologisch verankert ist. Seine Funktion liegt darin, das »System Mensch« vor unterschiedlichen Bedrohungen zu warnen. Es stellt sowohl bei allen Säugetieren als auch beim Menschen einen wichtigen Bestandteil in der Auseinandersetzung mit den Anforderungen des Lebens dar und kommt dann zum Einsatz, wenn Situationen als bedrohlich und gefährlich eingeschätzt werden und keine geeignet erscheinenden Möglichkeiten zur Verfügung stehen, diese zu bewältigen. Die Angst lässt sich demnach auch als biologisches, seelisches und soziales Warnsystem begreifen, das immer dann aktiviert wird, wenn unser Körper, unsere Seele oder wichtige soziale Bezüge in Gefahr sind. Der Ort, an dem diese Reaktionen ausgelöst und gesteuert werden, liegt in einem sehr alten Teil des Nervensystems. Hier ist gleichsam die Schaltzentrale für die Gefühlsregung Angst. Während die Angstreaktionen beim Tier instinktiv gesteuert werden und sich in Bruchteilen von Sekunden entscheidet, ob beispielsweise der Gegner angegriffen oder die Flucht angetreten wird, laufen diese Prozesse beim Menschen viel differenzierter ab und sind nicht nur an instinktiv verankerte Verhaltensmuster gebunden. Bis zu einem gewissen Grad können wir uns also entscheiden, ob wir Angst haben »wollen« oder nicht, d. h. wir haben eine ganze Palette an Möglichkeiten, mit diesem Grundgefühl umzugehen.

Die menschliche Angst ist weit davon entfernt, nach einem Schwarz-Weiß-Muster zu agieren. Sie zeigt sich in vielen schillernden Gewändern und kann sich hinter verschiedenen Masken verbergen. Das macht es auch im Einzelfall so schwierig, die Angst von Menschen im Allgemeinen und von Kindern im Speziellen zu verstehen. Ganz unterschiedliche Ereignisse, Erfahrungen und Erlebnisse können dazu führen, dass sich Menschen fürchten und Angst haben. Da ist beispielsweise an die Fülle von äußeren Bedrohungen zu denken, denen wir immer wieder ausgesetzt sind und deren äußerste Steigerungen so gewaltige Ereignisse wie Umwelt- und Naturkatastrophen sind. Im persönlichen Bereich gibt es vielfältige Formen von Verlust und Trennung, Erfahrungen von Krankheit und damit verbundenen Veränderungen, Behinderungen oder Todesfällen, die Angst machen. Doch nicht immer sind die Auslöser für ängstliche Gefühle oder panische Empfindungen in beobachtbaren Ereignissen zu suchen. Die eigenen Gedanken und Vorstellungen können innere Bilder entwickeln, die häufig mindestens genauso bedrohlich sind wie die konkreten Fotoaufnahmen von eingestürzten Häusern oder entgleisten Zügen in den Fernsehnachrichten. Diese ängstlich getönte innere Erlebniswelt kann in Angstfantasien oder Angstträumen zur subjektiven Wirklichkeit werden.

Da Angst speziell dann auftritt, wenn eine Situation unklar und hinsichtlich ihrer Gefährlichkeit nicht eindeutig einzuschätzen ist, sind viele Lebensabschnitte potenziell Angst auslösend. Die einzelnen Entwicklungsschritte, die wir alle von der Kindheit über die Jugend, das Erwachsenwerden bis hin zum Alter gehen müssen, sind immer mit einer Fülle von Veränderungen verbunden. Ein Grundthema ist dabei das Loslassen, das Abschiednehmen und der Mut, den nächsten Schritt in eine noch unbekannte Zukunft zu wagen. Das macht Angst – verlangt aber auch nach einem gewissen »Mut zur Angst«, um mit den Entwicklungsaufgaben klar zu kommen. Lebensübergänge und Wendepunkte in der eigenen Lebensgeschichte, in denen Veränderungen den Menschen aus seiner gewohnten und Sicherheit gebenden Bahn werfen, können ebenso Angst auslösen, wie die vielen Veränderungen des Körpers über die Jahre hin oder hormonelle Umstellungen sowie Krankheiten und die Sorge über deren Folgen. Letztlich beunruhigt den Menschen die Angst und die Furcht, an Körper, Geist und Seele nicht unversehrt zu bleiben. Dies kann zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den Grundwerten des eigenen Lebens führen und eine tiefere Sinnsuche einleiten.

Wesentliche Auslöser für Angst:

  • von außen einwirkende Bedrohungen,
  • bedrohlich wirkende Vorstellungen, Fantasien und innere Bilder,
  • körperliche Veränderungen (entwicklungs-, krankheits-, hormon- und stoffwechselbedingt),
  • Veränderungen der Persönlichkeit (Wachstum, Differenzierung, Reifung).

Verschiedene Anzeichen für Angst

Wie kann man an sich oder bei anderen erkennen, dass Angst im Spiel ist? Schaut man auf das Wort »Angst« und verfolgt man die Spuren der Wortbedeutung bis hin zu seinen indogermanischen oder lateinischen Wurzeln – »anghu«, »angustia« –, wird vor allem die körperliche Ebene des Angsterlebens angesprochen. »Anghu« und »angustia« bedeuten »Enge«. Und es ist sehr oft diese Enge im Bereich des Brustkorbs, die uns in angstbesetzten Situationen zu schaffen macht. Mit einem Mal schnürt sich die Kehle zu, man hat das Gefühl, nicht mehr schlucken zu können; auch das Atmen wird schwer: Es bleibt einem die Luft weg! Die Veränderung in der Atmung vom Stocken bis hin zu sehr flachen Atemmustern ist ganz typisch in Situationen, die einem Menschen Schrecken, Furcht oder Angst einjagen. Doch dieses körperliche Zeichen ist nicht das einzige. Das menschliche Nervensystem stellt eine ganze Reihe von Reaktionen zur Verfügung, die zunächst dazu dienen sollen, Gefahrensignale als solche zu erkennen und darauf reagieren zu können: Der Blutdruck steigt, die Pupillen sind geweitet, der Puls rast, die Nackenhaare sträuben sich, man bekommt eine Gänsehaut und bricht in Schweiß aus, die Muskelspannung steigt und ein leises Zittern macht sich bemerkbar. Gefühle wie Hunger oder Durst versiegen, man bekommt einen trockenen Mund und kann keinen Bissen hinunterbekommen. Der ganze Körper wird in einen unangenehm erlebten Erregungszustand versetzt, der das Signal zum »Kampf« oder zur »Flucht« auslösen soll. Dies ist die körperliche Seite von Angstreaktionen.

Im seelischen Bereich bewirkt Angst ebenfalls einen Zustand erhöhter Erregung. Während bei geringem Angstpegel eine manchmal auch als lust#voll erlebte Steigerung der inneren Spannung zu beobachten ist, in der Wachsamkeit und Konzentrationsfähigkeit steigen, führen drastischere oder lang anhaltende Angstzustände zum Zusammenbruch der seelischen Kräfte. Die hohe seelische Spannung wirkt sich lähmend auf die Konzentration, das Denken und Handeln der Betroffenen aus. Häufig kommt es dann zu einer Art Negativspirale, wenn das Gefühl der Hilflosigkeit den Glauben an die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten untergräbt und das Selbstvertrauen schwächt. So kann beispielsweise ein Mensch aus lauter Angst vor einer Prüfungssituation sich immer weniger konzentrieren, wobei die Wahrnehmung der schwindenden Fähigkeiten, klaren Kopf zu bewahren und sich auf die Situation einstellen zu können, selbst wiederum Panik auslöst und das Karussell negativer Gefühle beschleunigt. Schließlich kann das so weit führen, dass man sich nichts mehr zutraut, alles an andere abgeben möchte und in eine Situation angespannter Dauerängstlichkeit hineinschlittert, in der man vor lauter Angst überhaupt nicht mehr weiterweiß. Auch hier hat sich die »gute« Angst in eine »schlechte« Angst verwandelt und ihre Funktion als schützendes Warnsystem verloren.

Es ist nicht immer einfach, die Zeichen der Angst zu erkennen. Leicht ist es dann, wenn die körperlichen Begleiterscheinungen nicht zu übersehen sind. Wenn wir beispielsweise einem in Schweiß gebadeten Menschen begegnen, der heftig zittert und uns mit angstverzerrtem Gesicht anstarrt, dann liegt es nahe, an Angst, Furcht,...

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