Vorwort
Äthiopien ist ein Land, das wir in unserer Wahrnehmung häufig nur mit Hungersnöten, Armut und Krieg verbinden. Aber Äthiopien ist viel mehr! Kein anderes afrikanisches Land hat eine bewegtere und faszinierendere Geschichte als Äthiopien – Ägypter, Perser und Christen hinterließen hier ihre Spuren. Bis heute hat das Land nichts von seiner reichen kulturellen, geschichtlichen und landschaftlichen Vielfalt eingebüßt.
Äthiopien ist mit über 90 Ethnien ein Vielvölkerstaat, in dem vier große Sprachfamilien (Semitisch, Kuschitisch, Omotisch und Nilo-Saharanisch) vertreten sind. Amtssprache des Landes und Lingua Franca ist Amharisch, die Sprache der Amharen, die das Land jahrhundertelang beherrscht haben.
Das zahlenmäßig größte Volk des Landes sind aber die Oromo, von denen der größte Teil in der äthiopischen Provinz Oromiyyaa lebt. Oromiyyaa ist auch flächenmäßig die größte Region des Landes. Gerade außerhalb der Städte sind Oromo-Kenntnisse unerlässlich, da dort häufig weder Englisch- noch Amharisch-Kenntnisse weiterhelfen. Man sollte sich nicht scheuen und einfachen Gesprächssituationen nicht aus dem Wege gehen.
Gute Reise und viel Spaß beim Oromo-Sprechen!
Rainer Klüsener & Debela Goshu
Hinweise zur Benutzung
Der Kauderwelsch-Band „Oromo für Äthiopien und Nordkenia“ ist in drei wichtige Abschnitte gegliedert:
Die Grammatik beschränkt sich auf das Wesentliche und ist so einfach gehalten wie möglich. Deshalb sind auch nicht sämtliche Ausnahmen und Unregelmäßigkeiten der Sprache erklärt. Wer noch tiefer in die Grammatik eindringen möchte, findet im Anhang einige Tipps zum Weiterlernen. Natürlich kann man die Grammatik auch überspringen und sofort mit dem Konversationsteil beginnen. Wenn dann Fragen auftauchen, kann man immer noch in der Grammatik nachsehen.
In der Konversation finden Sie Sätze aus dem Alltagsgespräch, die Ihnen einen ersten Eindruck vermitteln sollen, wie Oromo „funktioniert“, und die Sie auf das vorbereiten sollen, was Sie später in Äthiopien und Kenia hören werden.
Jede Sprache hat ein typisches Satzbaumuster. Um die sich vom Deutschen unterscheidende Wortfolge der Sätze auf Oromo zu verstehen, ist die Wort-für-Wort-Übersetzung in kursiver Schrift gedacht. Jedem Oromo-Wort entspricht ein Wort in der Wort-für-Wort-Übersetzung. Wird ein Oromo-Wort im Deutschen durch zwei Wörter übersetzt, werden diese zwei Wörter in der Wort-für-Wort-Übersetzung mit einem Bindestrich verbunden:
Finfinneen magaalota Etoophiyaa hunda irra guddoodha.
Finfinne Städte Äthiopien alle von groß-ist
Finfinne ist die größte Stadt in Äthiopien.
Mit Hilfe der Wort-für-Wort-Übersetzung können Sie bald eigene Sätze bilden. Sie können die Beispielsätze als Fundus von Satzschablonen und -mustern benutzen, die Sie selbst Ihren Bedürfnissen anpassen. Mit einem kleinen bisschen Kreativität und Mut können Sie sich neue Sätze „zusammenbauen”, auch wenn das Ergebnis nicht immer grammatikalisch perfekt ausfällt.
Die Wörterlisten am Ende des Buches helfen Ihnen dabei. Sie enthalten einen Grundwortschatz von je ca. 1000 Wörtern Deutsch–Oromo und Oromo–Deutsch, mit denen man schon eine ganze Menge anfangen kann.
Die Rubrik „Das Wichtigste im Überblick“ hilft, die wichtigsten Sätze und Formulierungen stets parat zu haben. Damit kann man die gewünschte Satzkonstruktion mit dem entsprechenden Vokabular aus den einzelnen Kapiteln kombinieren. Wenn alles nicht mehr weiterhilft, dann ist vielleicht „Nichts verstanden? – Weiterlernen!“ der richtige Tipp, stets bereit, mit der richtigen Formulierung für z. B. „Ich habe leider nicht verstanden“ oder „Wie bitte?“ auszuhelfen.
Begleitendes Tonmaterial
Zu diesem Buch ist zusätzlich ein AusspracheTrainer als MP3-Download erhältlich unter
https://www.reise-know-how.de/produkte/kauderwelsch-aussprachetrainer-und-audio/aussprachetrainer-oromo-fuer-aethiopien-mp3-4063
Auch erhältlich auf Audio-CD unter
https://www.reise-know-how.de/produkte/kauderwelsch-aussprachetrainer-und-audio/aussprachetrainer-oromo-fuer-aethiopien-audio-cd
Der AusspracheTrainer enthält Sätze und Redewendungen aus dem Konversationsteil dieses Buches.
Land & Sprache
Das Oromo, auch als Afaan Oromo oder Oromiffa bezeichnet, ist eine Sprache, die in weiten Teilen Äthiopiens, im Norden Kenias und auch in einem kleinen Gebiet in Somalia gesprochen wird.
Im Oromiffa bedeutet das Wort Oromo „die Starken“. Der Ausdruck Galla, mit dem die Amhara die Oromo bezeichnen, bedeutet „die Heimatsuchenden“, ist abwertend besetzt und sollte daher heutzutage auf jeden Fall vermieden werden!
Der überwiegende Teil der Oromo-Sprecher lebt in der äthiopischen Provinz Oromiyaa. Auch die Hauptstadt Äthiopiens, von den Oromo Finfinnee oder Shaggar genannt, liegt in Oromiyaa.
Das Oromo zählt zur afroasiatischen Sprachfamilie und ist die am weitesten verbreitete kuschitische Sprache. Von der Anzahl der Sprecher ist es nach Arabisch, Swahili und Hausa die bedeutendste Sprache Afrikas. Die Zahl der Oromosprecher wird heute auf bis zu 32 Millionen geschätzt.
Im Süden Äthiopiens und in Nordkenia wird Oromo darüber hinaus auch als Verkehrssprache gesprochen, da auch andere Volksgruppen, die mit den Oromo in Kontakt stehen, diese Sprache verwenden.
Die Zusammensetzung Äthiopiens dokumentiert eindrucksvoll die Wanderungsbewegungen, sowohl aus dem arabischen Raum als auch aus dem östlichen Afrika.
Aufgrund seiner weiten Verbreitung werden im Oromo mehrere Dialektvarianten gesprochen. Auch gibt es bis heute noch keine einheitliche Orthographie oder standardisierte Grammatik der Sprache. Strittig ist, inwiefern sich die verschiedenen Dialekte voneinander unterscheiden und wo exakt die Dialektgrenzen verlaufen. Das in diesem Band verwendete Macha-Oromo wird aber von allen Oromo verstanden.
Da die Sprache nicht einheitlich geschrieben wird, wird man – neben den sowieso vorhandenen Dialektvarianten – immer auch verschiedene Schreibweisen für ein Wort antreffen.
In Äthiopien war die Sprache jahrhundertelang in Kontakt mit dem Amharischen, so dass eine gegenseitige lexikalische Beeinflussung beider Sprachen stattgefunden hat. In Kenia entlehnten die Oromodialekte viele Wörter aus dem Kisuaheli und dem Englischen, in Somalia aus dem Somali.
Die Oromo und ihre Sprache waren in Äthiopien in der Vergangenheit immer wieder Diskriminierungen ausgesetzt. Bis 1974 herrschte die Ethnie der Amharen über Äthiopien. Das amharische Kaiserhaus versuchte seine Macht auch mittels einer einseitigen Sprachpolitik zugunsten des Amharischen auszuüben. Sowohl den Oromo als auch allen anderen Völkern Äthiopiens (insgesamt sind es über 70) wurde der Gebrauch ihrer jeweiligen Sprache durch Gesetze eingeschränkt. So wurden beispielsweise Mitte der 1940er Jahre des letzten Jahrhunderts der schriftliche Gebrauch und die Unterrichtung aller äthiopischen Sprachen außer des Amharischen verboten.
Auch mit dem Ende des Kaiserreichs und dem Beginn des sozialistischen Mengistu-Regimes 1974 änderte sich die Sprachpolitik Äthiopiens nur oberflächlich. Zwar wurde offiziell die Gleichheit aller äthiopischen Völker und ihr Recht auf gleichwertige Entwicklung ihrer Sprachen und Kultur verkündet, doch es blieb bei der bloßen Ankündigung, denn praktisch wurden diese Ideen nie umgesetzt. Mit Hilfe der UNESCO wurde eine breit angelegte Alphabetisierungskampagne in mehreren äthiopischen Sprachen gestartet, doch durfte für alle diese Sprachen nur die äthiopische Silbenschrift Ge’ez verwendet werden. Diese eignet sich aber nicht zur Wiedergabe der im Oromo wichtigen Vokal- und Konsonantenverdopplungen.
Auch die 1980 verkündeten Pläne, die wichtigsten äthiopischen Sprachen auch als Unterrichtssprachen in den Schulen zuzulassen, wurden nicht in die Tat umgesetzt. Lediglich in den von der Oromo-Befreiungsbewegung kontrollierten Regionen wurde auch in Oromo unterrichtet. Erst seit dem Sturz des Mengistu-Regimes 1991 ist das Oromo wieder offiziell als Unterrichts- und Verwaltungssprache in Gebrauch und wird seither auch wieder in lateinischer Schrift wiedergegeben.
Das wissenschaftliche Interesse am Oromo erfreut sich einer langen Tradition. Erste Quellen existieren bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts: Johann Ludwig Krapf (1842) und Charles Tutschek (1845). Seit diesen Anfängen gibt es bis in die Gegenwart immer wieder erfolgreiche Bemühungen um die Erforschung, den...