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E-Book

Trumps Amerika

Der Ausverkauf der amerikanischen Demokratie und die Folgen für Europa

AutorJosef Braml
VerlagVerlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl272 Seiten
ISBN9783732523696
Altersgruppe16 – 
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR

Die Welt steht unter Schock. Die Amerikaner haben gewählt und sich entschieden: gegen Hillary Clinton und das politische Establishment, für den Quereinsteiger Donald Trump. Das hat Gründe. Viele Amerikaner fühlen sich abgehängt und von der Politik vernachlässigt. Trump wusste das zu nutzen. Sein Erfolg und seine Methoden haben Folgen. Jetzt in den USA, bald auch in Europa.

»Das richtige Buch, um in den nächsten Wochen und Monaten den Durchblick zu behalten.« Thomas Jäger, Focus


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Leseprobe

Auf Kosten der Freiheit –
eine Vorbemerkung


Die Freiheit, versinnbildlicht in der römischen Göttin Libertas, grüßt auf Ellis Island in New York die Ankommenden in der Neuen Welt, die sich seit Jahrzehnten aufgemacht haben, um die Fesseln der Alten Welt der Despoten hinter sich zu lassen. Die Freiheitsstatue sollte im besten, aufklärerischen Sinne die Welt erleuchten. Es ist bezeichnend, dass Intellektuelle des revolutionären Frankreich in Amerika ein Vorbild für ihre demokratische Entwicklung sahen.

Trotz oder vielmehr wegen ihrer Ausnahmestellung und Fülle an militärischer und geheimdienstlicher Macht, sogenannter harter Macht, haben die USA an Anziehungskraft, an weicher Macht1, verloren. In weltweiten Umfragen wird deutlich, dass immer weniger Menschen die USA mit Freiheit assoziieren. Im Gegenteil: Ein Großteil der Weltbevölkerung sorgt sich, dass Amerika persönliche Freiheitsrechte seiner Bürger, aber insbesondere jene von Ausländern, über Gebühr einschränkt. Besonders die Europäer, allen voran die Deutschen, sind mehrheitlich der Meinung, dass die USA nicht mehr für Freiheit stehen.2 Das ist eine durchaus realistische Einschätzung; sie sollte nicht als Antiamerikanismus missverstanden werden. Denn auch die meisten Amerikaner bescheinigen ihrer Regierung, dass sie nicht mehr ihre persönlichen Freiheitsrechte respektiert. Gleichwohl halten es sechs von zehn US-Bürgern für gerechtfertigt, dass ihre Regierung mutmaßliche Terroristen foltert.3

Amerika ist verunsichert. Seit den traumatischen Anschlägen vom 11. September 2001, als mit dem Pentagon und dem World Trade Center auch die Symbole der militärischen und wirtschaftlichen Macht beschädigt bzw. zerstört wurden, fühlen sich seine Bewohner nicht mehr auf der Insel der Glückseligen, von den beiden Ozeanen geschützt. Seit dem Platzen der Immobilienblase 2007/08 und der damit ausgelösten weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise ist auch der amerikanische Traum von der Eigentümergesellschaft und vom sozialen Aufstieg ausgeträumt. Steigende soziale Ungleichheit, sinkende soziale Mobilität, eine Regierung von überwiegend Millionären, die im wirtschaftlichen Interesse ihrer noch betuchteren Wahlkampffinanciers Laisser-faire-Politik betreiben, sowie die politische Ohnmacht eines Großteils der Bevölkerung prägen die heutige Realität der USA.

Zwar haben im »Land der Freien« die Besitzenden seit jeher den Ton angegeben. Schon die vermögenden Gründerväter, die Architekten der amerikanischen Verfassung, wahrten mit der Konstruktion der US-Verfassungsstrukturen ihre Besitzstände und schlossen den Großteil der Bevölkerung (insbesondere Schwarze und Frauen) von der politischen Teilhabe aus. Die Industrialisierung gipfelte in der Konzentration wirtschaftlicher und politischer Macht. Schon vor etwa hundert Jahren, im Vergoldeten Zeitalter, waren die USA im Griff der »Räuberbarone«. Die Macht der Trusts, der Monopole von Rockefeller, Carnegie und anderer Industriegiganten, wurde erst durch die progressive Bewegung gebrochen, die sich aufmachte, die Politik von Korruption zu säubern. Die Verfassung wurde innerhalb von zehn Jahren dreimal geändert. Frauen erhielten das Wahlrecht. Wirtschaftliche Aktivitäten wurden besteuert und reguliert.

Heute wäre eine neue progressive Bewegung nötiger denn je. Wirtschaft und Politik in den USA werden wieder von Ölmagnaten, vom militärisch-industriellen Komplex, von Immobilien- und Finanzimperien und den Giganten der Medien und der Informationstechnologie beherrscht. Zu den »Räuberbaronen« alter Schule haben sich mit den Herrschern von Google und Apple die Neureichen, die »Silikonsultane« gesellt: »Die Informationstechnologie-Milliardäre von heute haben viele Gemeinsamkeiten mit der vorherigen Generation kapitalistischer Titanen – vielleicht mehr, als ihnen bekommt«, schreibt der Economist in seinem lesenswerten Bericht über die neuen »Übermenschen« der USA.4

Wieder einmal wird es spannend in der amerikanischen Demokratie: Louis Brandeis, der von 1916 bis 1939 als Mitglied des Obersten Gerichts, des Supreme Court, die progressive Bewegung unterstützte und gegen mächtige Konzerne, Monopole und Korruption kämpfte, war überzeugt davon, dass Demokratie nicht Bestand haben könne, wenn einige wenige so viel Reichtum und politische Macht auf sich vereinen. Die meisten seiner heutigen Nachfolger am Supreme Court haben diesbezüglich weniger Bedenken: Mit ihren Urteilen zur Wahlkampffinanzierung beispielsweise eröffnen sie Politunternehmern unbegrenzt Möglichkeiten, durch Milliardenbeträge ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Ausdruck zu verleihen – und damit die Politik in ihrem Sinne zu beeinflussen.

Die US-Notenbank tut ein Übriges, um die von der Politik gebilligte Ungleichheit noch weiter zu verstärken. Was im Mutterland des Kapitalismus vorexerziert und etwas später von Europas Staaten und der Europäischen Zentralbank (EZB) übernommen wurde, kann als »Sozialismus auf hohem Niveau« bezeichnet werden: Indem die Verluste der Finanzakteure sozialisiert wurden, hebelte der als Notenbank verkleidete Staat die Grundlage kapitalistischer Wirtschaftsordnungen aus, nämlich das Haftungsprinzip: dass jene, die Fehler begehen, dafür die Verantwortung tragen. Wenn ihnen die Verluste abgenommen werden, entstehen falsche Anreize, die auch ihr künftiges Verhalten beeinflussen. Im Wissen, dass der Staat weiterhin für als systemrelevant angesehene Finanzimperien in die Bresche springen wird, werden sie auch in Zukunft hohe Risiken eingehen, die sie nicht verstehen und tragen können.

Angesichts der Handlungsschwäche der Politik schien auch diesseits des Atlantiks die Notenbank die einzige Rettung zu sein: »Whatever it takes« – wir werden alles tun, um den Euro zu retten, versicherte Mario Draghi, EZB-Chef und ehemaliger Vizepräsident von Goldman Sachs, im Juli 2012 und konnte so die »Märkte« vorläufig beruhigen. Indem auch die Europäische Notenbank seit März 2015 und noch bis mindestens März 2017 monatlich im Gegenwert von 60 Milliarden Euro den Banken ihre Ramschpapiere abnimmt und sie damit insgesamt wieder mit über eineinhalb Billionen Euro »Spielgeld« versorgt, kann jedoch der »Kasino-Kapitalismus«5 eine Runde weitergehen – so lange, bis die nächste Blase platzt und die Weltwirtschaft und die Politik erneut in die Krise stürzt.

Neben diesem marktwirtschaftlichen Grundproblem falscher Anreize wird jene Legitimationssubstanz ausgehöhlt, die das Fundament jeder freiheitlich-demokratischen Grundordnung bilden sollte: das Vertrauen der Bevölkerung darauf, dass der Staat Unterstützenswertes leistet.6 Dem Gerechtigkeitssinn der Bürger ist schwer vermittelbar, dass jene, die die Krise verursacht haben, auch noch dafür belohnt werden – nicht zuletzt in Form üppiger Bonuszahlungen, die die Banken mit dem vom Staat für ihre Rettung überwiesenen Geld »verdient« haben und für die die Steuerzahler, also sie selbst, aufkommen müssen. Während einerseits vor der Wirtschaftskrise die enormen Gewinne privatisiert wurden und zu einer krassen Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen geführt haben, werden andererseits die in Krisenzeiten entstehenden Verluste sozialisiert und damit die Ungleichheiten weiter verstärkt. Die Schere zwischen Arm und Reich geht weiter auseinander.7

Der Bürger, egal ob in den USA oder in Europa, wird vom Wirtschaftssubjekt zum -objekt degradiert. Durch das Gelddrucken der Notenbanken und die niedrigen Zinsen, von denen überwiegend in Finanzfragen versierte Kapitalbesitzer an den Aktienbörsen profitieren, enteignet der Staat Sparer, die bei ihrer privaten Altersvorsorge vermeintlich auf Nummer sicher gehen wollten und Geld auf ein Sparbuch eingezahlt oder in Staatsanleihen investiert, sprich die Schulden des Staates finanziert, haben. Mögliche Inflation, die umso stärker auf Kosten der Sparer gehen würde, ist ein von vielen Politikern insgeheim favorisierter Weg, den durch die Bevölkerungsentwicklung noch größer werdenden Schuldenberg des Staates zu verringern. Die vom Staat Geprellten werden nicht gefragt und können mangels ernsthafter politischer Alternativen auch nicht durch ihre Stimmabgabe »dagegensteuern«.

Aber auch auf den sogenannten freien Märkten werden die Wahlmöglichkeiten der Konsumenten immer mehr eingeschränkt. Die Marktmacht weniger Anbieter im Bereich der Informationstechnologie, etwa der Wirtschaftsimperien Google und Amazon, die sich aufschwingen, den Vertrieb von Gütern, darunter auch demokratierelevante wie Zeitungen und Bücher8, zu monopolisieren, beschneidet heute schon die Freiheit des Bürgers. Bald wird auch der Kunde nicht mehr König sein, wenn vom Volke nur noch politische Ohnmacht ausgeht.

Mit Begriffen wie »Post-Demokratie«9 oder »Demokratie-Fassaden«10 versuchen Sozialwissenschaftler, die politische Entmündigung der Bürger in Worte zu fassen. Wir haben es nicht mit einer akuten Krise zu tun, denn dafür dauert der schleichende Prozess des sozioökonomisch begründeten Ausschlusses vieler Bürger aus der politischen Willensbildung und Entscheidungsfindung schon zu lange.11 Vielmehr ist das demokratische Fundament bereits ausgehöhlt worden.

Diese Schieflage wird die Demokratie der westlichen Führungsmacht jedoch weiter unter Druck setzen und auch Europa und die Welt beeinträchtigen. Im global vernetzten »Raubtierkapitalismus« treiben die »Märkte« ohnehin schon die überforderten Politiker, insbesondere jene der europäischen Staaten und der Europäischen Union, vor sich her. Dabei müssten gerade diese Lösungen...

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