1 Diagnose: Diabetes mellitus
Ein erhöhter Blutzuckerspiegel verursacht zunächst keine Schmerzen oder Beschwerden. Die Diagnose kommt deshalb oft überraschend.
Die Krankheit ist jedoch weit verbreitet. Weltweit litten 2011 ca. 250 Millionen Menschen an Diabetes, bis zum Jahr 2030 wird nach Schätzungen des Weltdiabetesverbandes mit ca. 366 Millionen Betroffenen gerechnet. Schätzungsweise 8 Millionen Deutsche sind davon betroffen. Etwa 90 % davon sind Typ-2-Diabetiker. Sehr wahrscheinlich leiden jedoch viel mehr Menschen an Diabetes, da die Dunkelziffer sehr hoch ist und die Diagnose häufig erst Jahre nach dem Auftreten der Erkrankung gestellt wird. Wohlstand ist der Wegbereiter dieser Erkrankung.
Mit »honigsüßes Hindurchfließen« könnte man Diabetes mellitus übersetzen. Was hindurchfließt beziehungsweise ausgeschieden wird, ist allerdings nicht Honig, sondern Zucker. Deshalb wird Diabetes umgangssprachlich auch »Zuckerkrankheit« genannt. Die Zuckerausscheidung im Urin kommt zustande, weil der Zucker im Körper nicht richtig verwertet wird. Die Ursache dafür ist eine Stoffwechselstörung. Diabetes mellitus ist der Oberbegriff für verschiedene Stoffwechselstörungen, die jedoch eines gemeinsam haben: Der Blutzuckerspiegel ist dauerhaft erhöht.
1.1 Der Blutzuckerspiegel
Zucker ist ein lebenswichtiger Energielieferant. Vor allem Nerven und Gehirn sind auf Zucker angewiesen. Der Blutzuckerspiegel gibt Auskunft darüber, wie hoch die Konzentration von Zucker im Blut ist. Eine bestimmte Menge muss immer vorhanden sein, damit schnell Energie zur Verfügung steht. Viele Nahrungsmittel und Getränke liefern Zucker, auch wenn sie nicht süß schmecken. Je nach Zuckerart steigt der Blutzuckerspiegel schnell oder langsam an. Traubenzucker (Glukose) lässt ihn schnell ansteigen, Stärke, die im Körper auch zu Zucker umgewandelt wird, dagegen langsamer. Bei Krankheit oder Stress kann der Blutzuckerspiegel schnell in die Höhe gehen, bei Sport oder körperlicher Arbeit fällt er, weil Energie verbraucht wird. Schwankungen sind deshalb ganz normal. Bestimmte Werte sollten jedoch nicht unter- oder überschritten werden. Der Wert wird angegeben in mg Blutzucker (BZ) pro dl Blut, abgekürzt mg/dl, oder in Millimol pro Liter, abgekürzt mmol/l.
So hoch darf der Blutzucker (BZ) sein*
| Normale Werte | Verdacht/Prädiabetes | Diabetes |
BZ nüchtern in mg/dl | < 100 | 100–126 | ≥ 126 |
BZ nüchtern in mmol/l | < 5,6 | 5,6–7,0 | ≥ 7,0 |
BZ 2 Stunden nach dem Essen oder Glukose-Toleranztest in mg/dl | < 140 | 140–200 | > 200 |
BZ nach Essen in mmol/l | 3,9–7,6 | 4,5–8,1 | ≥ 10,0 |
HbA1C | < 6,5 % | 6,5–7,5 % | > 7,5 % |
* nach den Leitlinien der Deutschen Diabetes-Gesellschaft vom Dezember 2012 |
1.1.1 Insulin – das Zuckerhormon
Insulin ist ein Hormon, das in den Betazellen der Bauchspeicheldrüse gebildet wird. Es sorgt hauptsächlich dafür, dass die Körperzellen für die Aufnahme des Zuckers »geöffnet« werden. Dadurch bleibt der Blutzuckerspiegel immer ungefähr gleich hoch. Erst wenn der Zucker in den Zellen ist, kann daraus Energie gewonnen werden. Die Insulinproduktion ist normalerweise optimal geregelt. Gibt es viel Zucker im Blut, wird viel Insulin produziert, fällt der Blutzuckerspiegel, dann sinkt die Produktion.
1.2 Unterschiedliche Diabetestypen
Bei einer Diabeteserkrankung ist entweder die Insulinproduktion oder das Zusammenspiel zwischen Insulin und Körperzellen gestört. Abhängig davon, wann eine Diabeteserkrankung auftritt, welches die Ursachen sind und wie die Stoffwechselstörung genau aussieht, wird zwischen verschiedenen Diabetestypen unterschieden.
1.2.1 Typ-1-Diabetes
Dieser Typ wurde früher auch als »jugendlicher Diabetes« bezeichnet, weil er meist in der Kindheit oder Jugend auftritt. Es können aber Menschen jeden Alters daran erkranken. Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung. Der Körper greift eigene Zellen an, in diesem Fall die Betazellen der Bauchspeicheldrüse, und zerstört sie durch Antikörper. Die Zellen können dann kein oder fast kein Insulin mehr herstellen.
Betroffene müssen schnell mit Insulin behandelt werden. Wie es zu dieser Reaktion des Körpers kommt, ist unklar. Bekannt ist jedoch, dass die Erbanlagen eine Rolle spielen können. Meist ist jedoch ein besonderer Auslöser notwendig, damit die Krankheit ausbricht. Das kann beispielsweise eine Virusinfektion sein.
1.2.2 Typ-2-Diabetes
Fast 90 % der Diabetiker leiden am Typ-2-Diabetes. Umgangssprachlich wird er auch »Altersdiabetes« genannt, denn früher waren meist ältere Menschen betroffen. Die Hauptursache ist die sogenannte Insulinunempfindlichkeit oder Insulinresistenz. Die Betazellen der Bauchspeicheldrüse schütten zwar Insulin aus, die Körperzellen reagieren aber kaum mehr darauf. Dadurch können sie den Zucker aus dem Blut nicht mehr optimal verarbeiten. Übergewicht und Bewegungsmangel verstärken die Insulinresistenz. Wegen der Unempfindlichkeit der Körperzellen muss nun deutlich mehr Insulin zur Verfügung gestellt werden, um den Blutzucker zu regulieren. Den Betazellen wird also ständig Mehrarbeit abverlangt. Dies kann auf Dauer zur Erschöpfung der Zellen führen und so weit gehen, dass Betroffene Insulin spritzen müssen (wie beim Typ-1-Diabetes).
Heute sind viele Kinder und Jugendliche übergewichtig, die Diagnose Typ-2-Diabetes wird deshalb in immer jüngeren Jahren gestellt. Wenn zum Diabetes vom Typ 2 noch Übergewicht, hoher Blutdruck, Fettstoffwechselstörungen oder auch Gicht kommen, sprechen Fachleute vom metabolischen Syndrom.
1.2.3 Andere Diabetestypen
Bei diesen Sonderformen liegt meist eine Erkrankung der Bauchspeicheldrüse zugrunde, häufig ist das eine Entzündung (Pankreatitis). Die Entzündung kann auch durch übermäßigen Alkoholkonsum verursacht sein. Bestimmte Medikamente können der Bauchspeicheldrüse ebenfalls Schaden zufügen.
1.2.4 Schwangerschaftsdiabetes
Ein Diabetes kann erstmalig während einer Schwangerschaft auftreten. Diese besondere Form wird als Gestationsdiabetes bezeichnet. Etwa 5 % der Schwangeren sind davon betroffen. Meist normalisiert sich der Blutzucker nach der Geburt wieder. Etwa jede zweite Frau, die an einem Gestationsdiabetes erkrankt war, muss jedoch damit rechnen, innerhalb der nächsten 10 Jahre an Typ-2-Diabetes zu erkranken.
Bei Schwangerschaftsdiabetes kann der im Blut zirkulierende Blutzucker nicht richtig verwertet werden, es liegt eine sogenannte Glukosetoleranzstörung vor. Meist folgt vor allem gegen Ende der Schwangerschaft eine Insulinresistenz. Ein zu hoher Blutzuckerspiegel kann Mutter und Kind gefährden. Da bleibende Schäden die Folge sein können, muss er behandelt werden.
Leider wurden 2011 noch über 50 % der Fälle übersehen. Seit dem Jahr 2012 übernehmen die Krankenkassen die Kosten für einen oralen Glukosetoleranztest (sogenannter Zuckerbelastungstest, kurz oGTT) während der Schwangerschaft. Der Test wird üblicherweise zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche durchgeführt, bei besonderen...