2. Perelandra
2.1 Die Handlung des Romans
Nach seiner ersten interplanetarischen Reise bleibt Ransom in Verbindung mit dem Oyarsa von Malacandra. Dieser sendet ihn nun im zweiten Roman der Trilogie auf geheime Mission nach „Perelandra“. Der Planet ist sehr warm, wunderschön, hat eine sehr artenreiche Tierwelt und Vegetation, und besteht primär aus vielen auf dem Meer schwimmenden Inseln. Die einzigen beiden Bewohner dieser Welt sind die „Green Lady“ und ihr König und Gemahl. Die „Green Lady“ ist nicht nur sehr hübsch, sondern auch von besonderer Intelligenz und Weisheit. Ihre herausragendste Eigenschaft ist jedoch ihre vollkommene Unschuld in Bezug auf alles Böse. Denn „Maleldil“ (Gott) ist dort gegenwärtig, und die Lady lebt immer glücklich in seinem Willen.
Zum Schrecken Ransoms taucht auch Weston plötzlich auf Perelandra auf. Dieser versucht nun, „Spiritualität“ zu verbreiten. Sein geheimes Ziel dabei ist, die Green Lady zum Ungehorsam gegenüber Maleldil anzustiften;
so könnte er dem gesamten Planeten die Unschuld rauben. Maleldil hatte dem Königspaar nämlich ein Gebot gegeben, und zwar, dass sie nie auf dem „Fixed Land“ übernachten dürfen. Mit vielen spitzwindigen Argumenten und sich widersprechenden Perspektiven will Weston die Lady mit aller Macht zum Brechen des Gebotes bringen. In ihrer Unerfahrenheit und Unschuld durchschaut die Green Lady nicht, dass Weston ihr dadurch Böses antun will. So setzt sie sich intensiv mit seinen Argumenten auseinander und kämpft um ihren Gehorsam gegenüber Maleldil. Doch die Angriffe Westons nehmen kein Ende.
Weston ist der „Un-man“, die Inkarnation des Bösen, eine vom Satan besessene Leiche. Wann immer die Green Lady außer Sichtweite ist, zerstört er Pflanzen, quält und tötet Tiere und treibt viele andere Abscheulichkeiten. Schließlich bekommt Ransom von Maleldil die Eingebung, dass er den Versuchungen und dem Bösen auf Perelandra ein Ende bereiten soll. Nach einem langen Kampf mit dem „Un-man“ - bei dem Ransom selbst schwer am Fuß verletzt wird - gelingt es ihm, ihn zu töten. Das Paradies ist nun gerettet, den Versuchungen wurde widerstanden, und die Green Lady und der King besteigen ihren Thron. Ein volles Jahr lang (das ihnen vorkommt wie ein Augenblick) erleben sie dort gemeinsam mit Ransom den „Great Dance“: die Freude der ewigen Gegenwart Gottes, ein Lobgesang auf Maleldil und seine vollkommene Schöpfung, Visionen voller Weisheit, Schönheit und Herrlichkeit. Danach kehrt Ransom wieder zur Erde zurück - existenziell verändert, und zeitlebens voller Sehnsucht nach Perelandra.
2.2 Entstehung von Perelandra
Zur Entstehung des Romans ist zu sagen, dass C.S. Lewis als erstes die Idee von schwimmenden Inseln in einer exotischen Umgebung hatte. Dann war er damit beschäftigt, eine Welt zu kreieren, in der diese existieren konnten. Die Idee für die Handlung nahm zuletzt Gestalt an; denn wenn der Leser erstmal in diese außergewöhnliche Welt versetzt worden ist, muss etwas Spannendes geschehen.21 So hat sich Lewis dann von der biblischen Sündenfallerzählung (Genesis 3) inspirieren lassen. Die Wahl der Versuchungsgeschichte ist hier sehr passend, da sie eine Bedrohung der Schönheit, Harmonie und Unschuld Perelandras impliziert. Doch da es hier - im Unterschied zur Bibel - ein „Happy End“ gibt, kann der Planet in seiner Vollkommenheit erhalten bleiben.22
2.3 Vollkommenheit durch Maleldil
Perelandra ist zur Freude von nur einem Menschenpaar – dem King und der Green Lady – erschaffen worden. Der Planet ist eine schöne, unschuldige und vollkommene Welt, wie sie auch in der Genesis (vor dem Sündenfall) beschrieben wird: „And God saw every thing that he had made, and, behold, it was very good“ (Genesis 1:31). Es ist eine Welt, in der man unter wasserspendenden „Blasenbäumen“ duschen kann, jede Frucht köstlicher schmeckt als die zuvor, und in der jedes Tier sich danach sehnt, dem Menschen zu dienen - vom Drachen bis zum Delfin.23 Auf Perelandra gibt es keine Sünde, keinen Schmerz, und noch nicht einmal den Tod. Selbst das Wort „Leid“ ist dem Menschenpaar unbekannt, da sie keinerlei Erfahrung mit dem „Bent One“ (Satan) haben.
Dieses glückliche Zusammenleben von Mensch, Tier und Natur ist nur durch den Gehorsam gegenüber dem Schöpfer Maleldil möglich. Anders als auf Malacandra gibt es hier keine „Eldila“ (Engelwesen), denn Maleldil ist auf Perelandra direkt anwesend. Die Green Lady ist ihm gegenüber gehorsam, kommuniziert mit ihm, und bekommt von ihm immer das Wissen, das sie gerade benötigt.24 Am Anfang wundert sich Ransom über plötzliche Erkenntnisse der Lady, die sie während ihrer Unterhaltungen bekommt (wie zum Beispiel dass Malacandra älter ist als Thulcandra). Doch sie erklärt es ihm mit „Maleldil is telling me“ (61) oder „It all comes into my mind now“ (61). Maleldils direkte Anwesenheit auf Perlandra erinnert an einen Vers aus der biblischen Paradies-Erzählung: „And they heard the voice of the Lord God walking in the garden in the cool of the day“ (Genesis 3:8).
2.4 Die „Green Lady“ und das Gute
Die Green Lady soll das Idealbild einer Frau widerspiegeln. Sie ist außergewöhnlich, verfügt über enorme intellektuelle Fähigkeiten, ist ernst, rein, wunderschön und voller Frieden. Fast völlige Vergangenheitslosigkeit und Unschuld kennzeichnen ihr Wesen, sowie die unverfälschte Fröhlichkeit eines Kindes. Das Kindmotiv und die Wiedererlangung der Kindheit spielen bei C.S. Lewis eine große Rolle, und Kindsein beinhaltet für ihn Einfachheit, Selbstvergessenheit, Imagination und Staunen.25 Auch Jesus sagt: „Verily I say unto you, Except ye be converted, and become as little children, ye shall not enter into the kingdom of heaven“ (Matthew 18:3).
Der große Drang der Green Lady nach Wissen und Erkenntnis, den sie als „growing older“ bezeichnet, führt zu vielen Diskussionen mit Ransom. Da sie fast alleine auf ihrer Welt lebt, fehlt ihr die Form von Erfahrung, die alle Menschen miteinander haben. Sie lebt zum Beispiel nur in der konkreten Situation, ohne je über die Vergangenheit oder gar die Zukunft nachzudenken.26 Erst durch die Unterhaltungen mit Ransom gewinnt sie überhaupt ein Verständnis von Zeit und sagt: „I have never done it before – stepping out of life into the alongside and looking at oneself living as if one were not alive“ (60). Durch Ransom gelangt die Lady somit in einen neuen Zustand der Reife, lernt abstraktes Reflektieren über die Zeit, über das eigene Selbst und über Maleldil. Sie erkennt zum ersten Mal ihre Unabhängigkeit von Maleldil, und dass sie die Entscheidungen für das Gute (unbewusst) immer selbst getroffen hat. Sie sagt: „I have thought that I was being carried, and behold, I was walking“ (68). Bisher ist ihre Bindung zu Maleldil so stark gewesen, dass sie sich nie als unabhängige Entität wahrgenommen hatte. Sie fragt sich: „How has He made me so separate from himself?“ (70). Durch solche und ähnliche Äußerungen wird Ransom die Zerbrechlichkeit der Lady bewusst: „that her purity and peace were not, as they had seemed, things settled and inevitable like the purity and peace of an animal – that they were alive and therefore breakable, a balance maintained by a mind and therefore, at least in theory, able to be lost“ (68). Die Erkenntnis ihrer eigenen Unabhängigkeit und Willensfreiheit bilden wichtige Momente im Reifungsprozess der Green Lady – denn nur reife selbst-bewusste Freiheit kann wachsen und getestet werden.27
Da die Green Lady bisher nie mit „dem Bösen“ in Berührung gekommen ist, versucht Ransom ihr die Bedeutung anhand des Umstands der „Enttäuschung“ zu erklären. Als die Lady Ransom zum ersten Mal sieht, verwechselt sie ihn (da er weit entfernt stand) mit ihrem „King“, so dass sie für einen kurzen Augenblick so etwas wie eine Enttäuschung empfunden hatte. Doch sie ändert sofort ihre Einstellung dazu und heißt den Fremden in ihrer Welt willkommen; denn schließlich ist alles, was ihr begegnet, ein Geschenk Maleldils, und durch Ransom lernt sie ja auch Weisheit. Man darf nicht am „erwarteten Guten“ zu Lasten des „geschenkten Guten“ festhalten – denn sonst hört beides auf, gut zu sein!
2.5 Weston und das Böse
Auf Malacandra war Westons Ziel die gewaltsame Expansion der menschlichen Rasse; doch nun geht es ihm (angeblich) um „Spiritualität“. Aber als der erstaunte Ransom ihn darum bittet, zu erklären, was er damit meint, sagt er, dass Gut und Böse dieselbe Kraft sind. Er redet sich dann in Rage und sagt: „I am the universe. I, Weston, am your God and your Devil. I call that Force into me completely...“ (96)....